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(© Foto: kamasigns - Fotolia)
Michael Hüther in der Rheinischen Post Interview 15. September 2015

"Mehr Flüchtlinge nach Ostdeutschland leiten"

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, fordert im Gespräch mit der Rheinischen Post, Zuwanderung stärker nach den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes zu steuern.

Täglich kommen Tausende Flüchtlinge nach Deutschland. Verkraftet das Land das?

Natürlich. Die Flüchtlinge aufzunehmen, ist zunächst eine Frage der moralischen Verantwortung. Sie sind aber auch eine große Chance für Wirtschaft und Gesellschaft. Schon jetzt fehlen in vielen Branchen Auszubildende und Fachkräfte. Viele, die sich auf den Weg machen, können und wollen hier ihr Glück in die Hand nehmen.

Viele Deutsche reagieren offen auf die Flüchtlinge. Überrascht Sie das?

Die Offenheit ist nicht zuletzt eine Dividende des boomenden Arbeitsmarktes. Keiner muss wegen der Flüchtlinge um seinen Job fürchten – das war in den 90er Jahren ein schon damals falsches Argument von rechts gegen Zuwanderung. Sogar der Bundeshaushalt mit seiner schwarzen Null bietet derzeit genug Spielraum, um die Integration zu finanzieren. In einer wachsenden Wirtschaft gibt es weniger Verteilungskonflikte.

Geht die Politik vernünftig mit den Flüchtlingen um?

Für Flüchtlinge wie für Zuwanderung insgesamt gilt: Die deutsche Politik sollte beides besser steuern und die Menschen gezielter in Regionen leiten, die Zuwanderung dringend nötig haben. Das betrifft besonders Ostdeutschland. Hier sind fast 20 Prozent der Arbeitnehmer mit den Schlüsselqualifikationen der sogenannten MINT-Berufe (Mathe-Informatik-Naturwissenschaften-Technik) über 55 Jahre, gehen also absehbar in Ruhestand, ohne dass in vergleichbarem Umfang Nachwuchs bereitsteht. Und hier liegt der Anteil der Ausländer meist nur bei zwei Prozent. Viele ostdeutsche Regionen werden in zehn Jahren entvölkert sein, wenn die Politik jetzt nicht umsteuert.

Wie viel Zuwanderer wären sinnvoll für Deutschland?

Wir können bundesweit gut 500 000 Zuwanderer netto pro Jahr verkraften, wie das Jahr 2014 gezeigt hat. Damit liegen wir bezogen auf die Bevölkerung auf dem Niveau der Schweiz. Deutschland braucht Zuwanderer. Deutschland braucht aber auch ein transparentes Zuwanderungskonzept. Derzeit haben wir 50 Zuwanderungstitel, also offizielle Wege, um nach Deutschland zu kommen. Das ist bürokratisch und abschreckend für Ausländer, das politische Signal bleibt aus.

Das Interview auf rp-online.de

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