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Michael Hüther auf der Deutschen Welle Interview 20. Februar 2015

Griechen müssen Realität akzeptieren

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther, unterstützt die harte Haltung des Bundesfinanzministers gegenüber Griechenland. Es gebe keinen Grund, diese Position zu verändern.

Wie beurteilen Sie die Situation?

Der Brief zeigt in der Tat eine Annäherung, wenn man die vorherigen Extrempositionen der neuen griechischen Regierung zum Maß nimmt. Aber er beinhaltet natürlich nicht das, was den Bedingungen entspricht, die der bisherigen Krisenpolitik und Logik der Eurogruppe zugrunde liegen. Er ist nur die Forderung nach einer Verlängerung des Kreditrahmens um sechs Monate, um dann Zeit für Verhandlungen über andere Bedingungen zu haben. Über diese anderen Bedingungen ist aber die Eurogruppe aus guten Gründen nicht bereit zu verhandeln.

Stattdessen muss gefragt werden, wie Griechenland seinen Weg nach vorne finden kann. Die neue Regierung hat ja bisher eine Politik vertreten, die eher die Rückabwicklung von Wachstumschancen beschreibt. Deshalb ist verständlich, dass Herr Schäuble den Brief sehr kritisch sieht und ablehnt. Im Übrigen ist Herr Juncker hier gar nicht zuständig. Es geht ja um die Eurogruppe und nicht um die EU-Kommission.

Was müsste denn jetzt passieren?

Es müsste klar erkennbar werden, dass die griechische Regierung letztlich dann doch akzeptiert, was sie bisher nicht akzeptieren will. Nämlich, dass es für die Hilfen einen begleitenden Rahmen gibt, der Anpassungsleistungen in Griechenland definiert, der die Haushaltskonsolidierungen und die mittelfristige Entwicklung der Staatsschulden beschreibt.

Man muss klar sehen: In den nächsten zehn Jahren sind keine Tilgungsleistungen zu erbringen. Griechenland zahlt ohnehin nur seit 2012 sehr stark subventionierte Zinsen. Der Durchschnittszinssatz beträgt 2,4 Prozent. Das ist an sich keine Überforderung. Und auf der anderen Seite ist es davon unbenommen, wie Griechenland dann versucht, im Detail diese Haushaltsziele zu erreichen. Da muss man überlegen, ob die Mikrosteuerung durch Europa richtig ist. Andererseits ist die Haltung Europas auch nichts anderes als die Antwort auf das Versagen staatlicher Institutionen in Griechenland. So etwas fällt ja nicht einfach vom Himmel. Man hat ja in Portugal und Irland anders agiert.

Wie ist Ihre Prognose, wird Griechenland in der Eurozone bleiben?

Die griechische Regierung wird sich das sehr genau überlegen müssen. Denn wenn sie austritt, ist das ein sehr abrupter, sehr tiefer, sehr massiver Wohlstandsverlust, der nicht kurzfristig zu korrigieren und zu heilen ist. Das kann eine Regierung der eigenen Bevölkerung eigentlich nicht antun, dafür hat sie auch kein Mandat.

Insofern ist die Frage, ob man sich doch noch auf grundsätzliche Perspektiven einigen kann. Ich glaube, jeder in Europa wird bereit sein, darüber zu verhandeln, wie die Griechen ihre Haushaltsziele erreichen, wie sie die Konsolidierung bewerkstelligen.

Aber die ersten Maßnahmen der Regierung sind genau entgegengesetzt. Den Staatssektor aufzublähen, Privatisierung abzusagen oder rückabzuwickeln - das ist genau das Gegenteil. Die griechische Regierung muss irgendwann die Grundlagen akzeptieren. Denn die Alternative ist für Europa erträglich, aber nicht für Griechenland.

Sie meinen also, dass Deutschland hart bleiben sollte in seiner Position?

Deutschland hat gar keinen Grund, die Position zu verändern, und steht dabei auch nicht alleine. Zu glauben, man könnte Berlin isolieren, ist ja eine erkennbare Fehleinschätzung der neuen griechischen Regierung.

Das ist weder mit Blick auf die anderen früheren Krisenländer gelungen, noch mit Blick auf Italien und Frankreich und erst recht nicht mit Blick auf alle anderen Mitglieder der Eurozone. Alle sehen nämlich gleichermaßen, dass hier die Glaubwürdigkeit Europas und der europäischen Währung im Feuer stehen. Deswegen ist es für die griechische Regierung an der Zeit, die Realitäten zu akzeptieren.

Zum Interview auf dw.de

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