Im Schuldenstreit mit Griechenland ist die Einigung vom Freitag nur ein Etappenerfolg. Auf was es jetzt ankommt, erklärt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung.

„Die griechische Regierung hat sich als Papiertiger erwiesen“
Herr Hüther, die Finanzminister der Eurozone haben sich praktisch in letzter Minute auf eine Verlängerung des Hilfsprogramms geeinigt. Ein Signal für eine Lösung der Krise?
Die politische Krise ist noch nicht vorbei. Es ist ein Aufschub. Entscheidend ist aber, dass sich die griechische Regierung als Papiertiger erwiesen hat. Auch sie konnte sich der Realität nicht entziehen, dass man Geld von anderen nicht einfach so bekommt, sondern Bedingungen erfüllen muss. Das hätte man sich auch sparen können. Jetzt muss die griechische Regierung konkret zeigen, was sie an Reformen vorhat.
Besteht weiterhin die Gefahr, dass Griechenland aus der Währungsunion austreten muss?
Mit dem grundsätzlichen Einlenken ist deutlich geworden, dass die griechische Regierung nicht bis zum Letzten geht. Man muss deutlich sagen, dass sie nichts erreicht haben. Indem sie das akzeptieren, signalisieren sie, dass sie dabei bleiben. Die Wahrscheinlichkeit eines Austritts war zwischendurch bei 50 Prozent, jetzt ist sie wieder bei 25 Prozent. Sollte das aber noch mal von der griechischen Regierung anders intoniert werden, rückt das Thema wieder auf die Tagesordnung.
Es ist mehr passiert, als man öffentlich würdigt. Die Griechen haben in den letzten Jahren viele Reformen umgesetzt. Die neue Regierung habe ich aber noch nicht verstanden. Was sie ankündigt, passt nicht zusammen. Auf der einen Seite tritt sie gegen die Korruption der alten Parteien an. Gleichzeitig weitet sie den Staatssektor aus. Es reicht nicht aus, mehr Steuern von den Reichen zu erheben. Reformen müssen Wachstumspotenziale und Innovation schaffen. Das Land braucht eine effektive Verwaltung und einen starken privaten Unternehmenssektor. Dazu habe ich von der neuen griechischen Regierung überhaupt nichts gehört.
Wie sollen die Finanzminister reagieren, wenn die Reformliste unzureichend ist?
Dann müssen die Finanzminister erneut klarmachen, dass das nicht geht. Am Freitagabend ist beschlossen worden, dass Griechenland die Bedingungen akzeptiert, das muss jetzt valide unterlegt werden. Auch dort wird es keine Aufweichung der europäischen Position geben können.
Hätte das Land nicht schon längst Kapitalverkehrskontrollen einführen müssen?
Kapitalverkehrskontrollen sind grundsätzlich kein kluges Instrument, weil sie signalisieren, dass man den Kapitalmärkten misstraut. Aber bei der ganzen Verwirrung, dem hazardeurhaften Auftreten müsste die griechische Regierung sie eigentlich verhängen. Die Griechen sind ja anscheinend klüger als die eigene Regierung, indem sie Bargeld abheben, weil sie nicht wissen, ob die Konten künftig zugänglich sein werden.
Zum Interview auf Schwäbische.de

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