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Michael Hüther Gastbeitrag 11. Februar 2009

Mehr Offenheit in der Klima: und Energiepolitik

Die Äußerungen des Umweltministers zur Atomkraft sind schwer nachzuvollziehen. Wir müssen die abgeschriebenen Meiler länger nutzen.

Die Finanzkrise hat die politische Phrase produziert, dass danach nichts mehr so sein werde wie zuvor. Deren Plausibilität schwindet, wenn man auch nur einen Moment darüber nachdenkt. Was wird wie und warum anders sein? Da wurde vorsichtshalber zugleich das Ende der Globalisierung ausgerufen, dem Nationalstaat endgültig eine Absage erteilt und das „Geschäftsmodel Deutschland“ abgeschrieben. Der Blick auf die weltwirtschaftliche Entwicklung der letzten zwölf Monate belegt hingegen, dass alle drei Aspekte weiterhin höchst bedeutsam sind. Die Kontinuitäten werden in Krisenzeiten stets unterschätzt.

Die Politik ist gut beraten, sich sorgfältig auf das zu konzentrieren, was der Änderung bedarf. Fehlsteuerungen, fragwürdig gewordene Zielsetzungen und eklatante Probleme der Umsetzung sollten dabei im Fokus stehen. Tatsächlich werden sie aber ausschließlich nach politischer Opportunität zur Kenntnis genommen. Aktuell ist dies an den energie- und umweltpolitischen Äußerungen aus der Bundesregierung zu sehen: Das Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen veranlasst sie nicht zu grundsätzlichen Fragen.

Man muss dazu nicht in den fundamentalistischen Streit zwischen den Alarmisten und Verharmlosern verfallen. Aber die Skepsis angesichts der Arbeitsweise des Weltklimarates sowie mancher Studien können die politisch Verantwortlichen nicht ignorieren. Sie müssen darauf eingehen, indem sie die Kosten von Maßnahmen realistisch würdigen. Die Legitimation und Glaubwürdigkeit der Politik lebt davon. Denn es geht um eine gewaltige Veränderung der Wirtschaftsweise - um nicht weniger als die vollständige Dekarbonisierung, die aufgrund diskutierbarer Erkenntnisse angestrebt wird.

Da aber die Klimapolitik und ihre Unterstützer dies als nahezu unzulässig bewerten, trifft in Diskussionen über die Folgen von Kopenhagen stets die „objektive Wahrheit des Klimawandels“ auf die „Gewinninteressen der Wirtschaft“. Moralisch ist das Ergebnis von vornherein festgelegt. Zweifel an den naturwissenschaftlichen Grundlagen werden mit dem Hinweis vom Tisch genommen, dass Effizienzsteigerungen immer gut sind und man dankbar sein könne, wenn die Politik durch Vorgaben dafür sorge und den Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffe.

Schon die Frage nach einem fairen globalen Wettbewerbsumfeld, wie es angemessen mit einem weltweiten Zertifikatehandel anzustreben wäre, und der Hinweis auf die fortwährenden rechtlichen Unsicherheiten über die Nutzungsmöglichkeiten von Emissionsrechten aus Projekten in Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism) werden als defätistisch bewertet. Dies gilt ebenso für Zweifel an der von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegten unkonditionierten Erhöhung des CGvMinderungsziels auf 40 Prozent, die für das Klima rein gar nichts bringt.

Aber eines ist sicher: Wir riskieren Wertschöpfung und Beschäftigung bei uns. Frei nach Mark Twain: Weil wir das Ziel aus den Augen verloren haben, verdoppeln wir die Anstrengungen. Es ist auffällig, wie wenig Verständnis von Innovationsprozessen und den volkswirtschaftlichen Strukturwandel besteht. Manch einer glaubt, dass ein moralisch gut begründeter Beschluss der Regierung oder einer Partei alles ändern könne. Zugleich wird den Unternehmen vorgeworfen, wichtige Innovationen verschlafen zu haben. Es stellt sich dann die Frage, wieso die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten in den letzten Jahren so erfolgreich waren.

Begleitet wird der klimapolitische Kurs von energiepolitischen Einlassungen, die kaum dazu passen. Denn das 40-Prozent-Minderungsziel verursacht gegenüber einer Vorgabe von 30 Prozent einen exponentiellen Anstieg der Vermeidungskosten. Die dagegen gerne in Anrechnung gebrachten Effizienzvorteile sind reine Hoffnungswerte von noch nicht einmal hoher Güte. Da ist es umso dringender, die Kernenergie wirklich als Brückentechnologie zu nutzen. Die deutliche Ablehnung durch den Bundesumweltminister muss deshalb erstaunen.

Billigeren Strom als aus abgeschriebenen Kraftwerken kann man nicht bekommen. Das Endlagerproblem würde durch längere Laufzeiten bestehender Atommeiler nicht grundlegend verschärft. Auch droht anders als behauptet keine Verstopfung der Netze zulasten erneuerbarer Energien, da zugleich viele Projekte für Kohlekraftwerke zu scheitern drohen. Der Verzicht auf längere Laufzeiten führt zu einer Vernichtung von Volksvermögen und belastet uns alle ohne Not. Die ganze Debatte ist so gespenstisch, weil sie isoliert die Teilthemen behandelt, doch das Ganze nicht erkennt. Statt die Zukunft zu gewinnen, laufen wir Gefahr, sie zu verlieren.

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