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Michael Hüther Gastbeitrag 23. April 2009

Spielraum für die Regierung

Die Palette verfügbarer Instrumente, um Unternehmen in der Krise zu entlasten, ist längst nicht ausgeschöpft.

Die Krise hat uns fest im Griff. Wenngleich erste Branchen Hoffnungen auf eine Konjunkturwende im zweiten Halbjahr hegen und die Hannover Messe durchaus positive Stimmungssignale ausgesandt hat, wird es keine schnelle und kräftige Erholung geben. Damit die Unternehmen die Beschäftigung einigermaßen halten können, muss sich aber im Laufe des Sommers die Talsohle der Rezession ausbilden, um wieder auf zumindest festerem Grund zu stehen. Doch selbst in diesem Fall wird die Lage in den Betrieben noch länger angespannt bleiben.

Es wird sich deshalb in den nächsten Monaten die Diskussion um weitere wirtschaftspolitische Maßnahmen verschärfen. Die Forderungen nach einem dritten Konjunkturpaket werden nicht verstummen. Handlungsfähigkeit wird gefordert sein, wo sie angesichts von Sommerpause und Wahlkampf faktisch nicht mehr besteht. Das mag helfen, diesen Weg nicht zu gehen. Denn wer jetzt einen erneuten Konjunkturimpuls fordert, der desavouiert die bisherigen Maßnahmen und plädiert unabhängig von Wirkungszusammenhängen für das Verschwenden von Steuermitteln.

Noch entfalten viele Elemente der Konjunkturprogramme keine Wirkung. Erst im zweiten Halbjahr sind erste Effekte zu erwarten. Wer jetzt auf zusätzliche Maßnahmen dringt, dem geht es offensichtlich nicht um die Stützung der Konjunktur, sondern um andere Dinge. Unklar bleibt auch, welche Instrumente überhaupt gewählt werden sollen. Bei den öffentlichen Investitionen werden wir am Jahresende feststellen, dass die anvisierten Volumina gar nicht realisiert werden konnten. Dann bleiben nur massive Steuersenkungen, doch dafür ist nirgends ein Plädoyer zu hören.

Die Forderung nach einem dritten Konjunkturpaket suggeriert, es sei nur eine Frage des Willens und der Höhe der öffentlichen Mittel, die darüber entscheiden, ob die Rezession schnell beendet werden kann. Eine solche Position widerspricht den empirisch unterlegten Erwartungen an staatliche Kompensationspolitik. Die gegenwärtige Krise kann durch den Staat nicht abgewendet, sondern nur abgemildert werden. Das ist die berechtigte Ratio bisheriger Politik. Dennoch ist die Frage berechtigt, was getan werden kann, um die drohende Instabilität des privaten Sektors aufzufangen und die Belastungen für den Arbeitsmarkt zu begrenzen.

Die Unternehmen versuchen sehr diszipliniert, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch das Halten der Beschäftigung zu sichern. Doch mit einer andauernden Schwäche der Auftragseingänge werden die Liquiditätsprobleme stark zunehmen. Unternehmen, die aufgrund größerer Investitionen einen höheren Fremdkapitalanteil aufweisen, werden da besonders getroffen. Um einen dramatischen Arbeitsplatzabbau zu bremsen, sollte die Regierung daher alle Maßnahmen ernsthaft erwägen, die Liquidität im Unternehmen halten.

Da ist zunächst daran zu denken, die Arbeitgebersozialbeiträge für das Kurzarbeitergeld zu erlassen. Dies ist auch systematisch zu begründen, weil die Kurzarbeit Arbeitslosigkeit verhindert und deshalb die Unternehmen nicht stärker belasten sollte. Hilfreich wäre es auch, die Vorauszahlungen bei der Einkommen-, der Körperschaft- und der Gewerbesteuer schneller an die rapide verfallenden Erträge anzupassen.

Wenn dies wegen der vierteljährlichen Steuertermine nicht gelingt, wäre an die Stundung von fälligen Ertragsteuerzahlungen zu denken. So würde dem extremen Prozess der Ertragsverschlechterung zeitnah Rechnung getragen. Definitiv würde der Staat dadurch nicht belastet, da die Vorauszahlungen die nicht mehr bedeutsame Ertragskraft der Vergangenheit reflektieren. Ebenso wäre an die Stundung von Sozialbeiträgen zu denken, die zu einem späteren Zeitpunkt nachzuzahlen wären. Das sind keine gewöhnlichen Instrumente, doch diese Krise ist es auch nicht.

Es geht aber nicht nur um neue Wege, sondern ebenso darum, weitgehend erkannte Mängel in der Ertragsbesteuerung zu korrigieren. Dies gilt für ertragsunabhängige Elemente wie die Hinzurechnung von 25 Prozent der gezahlten Zinsen sowie der Finanzierungsanteile gezahlter Mieten, Pachten und Leasingraten in der Gewerbesteuer. Dies trifft die Personengesellschaften besonders dann, wenn die Verrechnung mit der Einkommensteuer mangels Masse nicht mehr möglich ist.

Die erst mit der jüngsten Reform eingeführte Zinsschranke führt dazu, dass Unternehmen in der Krise Liquidität entzogen wird und unter Umständen trotz fehlender Gewinne Steuern zu zahlen sind. Es gibt genügend Ansatzpunkte, zielgenau das dringendste Problem zu beheben. Dazu sollten Mut und Kraft der Bundesregierung gerade noch ausreichen.

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