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Michael Hüther Gastbeitrag 27. Juli 2006

Schule als Unternehmen

Noch ist die Vorstellung von der autonomen Schule eine Fiktion. Wirksamer Wettbewerb ist entscheidend.

Ganz Deutschland hat Schulferien. Ganz Deutschland? Naja, abgesehen von der Urlaubssonderregulierungszone Süddeutschland. Überall aber gehen unterdessen die Renovierungsarbeiten der Schulministerien weiter. Wenngleich unzureichend gesamtstaatlich koordiniert, wird erstmals, seit der Reformwelle aus den sechziger Jahren versucht, die allgemein bildenden Schulen grundsätzlich neu zu orientieren. Vielfach werden derzeit Pilotphasen und Modellversuche beendet, die Reform des Bildungswesens steht zunehmend vor dem Ernstfall.

Einen Vorreiterstatus beansprucht die hessische Staatsregierung mit ihrem Slogan vom Bildungsland. Wie schon in den siebziger Jahren soll gelten: Hessen vorn. Diesmal aber geht es nicht um die Demokratisierung der Schule und falsch verstandene Ideen der Chancengerechtigkeit, die angesichts unterbliebener Integrationsanstrengungen und mangelnder Leistungsorientierung Hessen zum Synonym für bildungspolitisches Versagen werden ließen.

Diesmal geht es um eine neue Steuerungskultur der Schulen, bei der man sich auch nicht scheut, Schule als mittelständisches Unternehmen zu begreifen. Schule als Unternehmen zu verstehen, kann sich als Baustein in eine umfassende Reformagenda einfügen. Grundsätzlich sind alle Stufen der Bildungsbiografie und die jeweils bedeutsamen Veränderungen insgesamt in den Blick zu nehmen. Neben entsprechenden Reformableitungen für die verschiedenen Schultypen ergeben sich schulformübergreifende Empfehlungen. Im Mittelpunkt steht dabei die größere Autonomie der Schulen. Soweit man aus den Pisa-Daten positive Effekte größerer Schulautonomie auf den Lernerfolg der Kinder ermitteln kann, steht dies unter der Voraussetzung, dass die Schulen zu einer regelmäßigen und transparenten Rechenschaft verpflichtet sind.

Nur eine externe Evaluation kann gewährleisten, dass die vorgegebenen Bildungsstandards als verpflichtende Zielmarke von jeder Schule auch erreicht werden. Die Kultusministerkonferenz hatte bereits im Jahr 2002 die Einführung solcher Normen beschlossen, die leider verfehlt als Regel- und nicht als Mindeststandards definiert wurden. Erst durch Mindestnormen werden das zu erreichende Wissen und die aufzubauenden Kompetenzen klar und eindeutig bestimmt, wobei eine Überschreitung nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert ist. Das Land Hessen ist mit der Umsetzung von Schulautonomie und Reform der Schulaufsicht weit vorangeschritten. Jüngst wurde nach einjähriger Pilotphase die landesweite Regelinspektion („Schul-Tüv") gestartet. Durch überprüfbare Zielvereinbarungen mit den Schulen und Vergleichsarbeiten für alle Stufen soll der Freiraum für mehr Schulautonomie entstehen. „Selbstverantwortung plus", „Unterrichtsgarantie plus" und autonome Schulbudgets für Fortbildung sind dabei wesentliche Elemente, um Entscheidungskompetenz zu dezentralisieren. Das Irritierende an diesen Konzepten ist allenfalls der Namenszusatz „plus", der vermutlich analog zu den Üblichkeiten im Privatfernsehen künftig zu „plusplus" gesteigert wird.

Inhaltlich zeigt sich die hessische Politik durchaus mutig. Mit der Vorgabe einer Jahresstundentafel ab dem 1. August 2006 erhalten die Schulen sogar die Möglichkeit, von festen Zeitstrukturen zu Gunsten bedarfsorientierter Angebote abzugehen. Eigenständige Vertretungsbudgets stehen den Schulen im neuen Schuljahr ebenso erstmals zur Verfügung. Bei der Personalauswahl sollen – zunächst für 50 Prozent aller' freien Stellen – die Schulleitungen völlig eigenständig entscheiden können. Dadurch soll es möglich werden, das Kollegium gemäß der im Schulprogramm niedergelegten Profilierung „formen" zu können.

Dass sich damit das Anforderungsprofil für die Schulleitung grundlegend verändert, wird erkannt und durch geringere Lehrdeputate beantwortet. An dieser Stelle sind Zweifel angebracht: In einem mittelständischen Unternehmen werkelt der Chef kaum in der Produktion mit. Will man Schulleiter im Kontakt zur Lehre halten, so ist das zwar richtig, doch wäre dann ein Verwaltungsassistent sinnvoll. Angesichts der ansonsten drohenden Überforderung kann man sich kaum vorstellen, dass die Autonomie in der Schule effizient umgesetzt werden kann.

Die überdies gebotene managementorientierte Zusatzqualifikation für die Leitungskräfte hat bislang nicht die erforderliche Durchschlagskraft. Hier sind die Anstrengungen zu intensivieren und gegebenenfalls auch mit Sanktionen gegen erfolglose Schulleitungen zu bewehren. Letztlich muss sich die Verbesserung der Schulqualität in der Leistungsfähigkeit und der gesellschaftlichen Integrationsfähigkeit der jungen Menschen niederschlagen.

Dazu bedarf es spürbarer Wirkungen des Wettbewerbs zwischen den Schulen. So sollte sich der Erfolg einer Schule zweifach finanziell niederschlagen: Einerseits global durch eine stärkere Bindung der Schulbudgets an die Schülerzahl und andererseits durch eine ziel- und leistungsorientierte Vergütung der Lehrkräfte. Zudem sollten Schulleiter analog zum Management nur befristet berufen werden; in Nordrhein-Westfalen ist dies vorgesehen.

Noch ist die Vorstellung von der autonomen Schule eine Fiktion. Damit daraus eine realistische Vision wird, müssen die richtigen Ansätze durch umfassende Weiterbildungsangebote für alle Lehrer unterlegt und die Möglichkeiten wettbewerblicher Steuerung genutzt werden. Blumige, oft als Alibi erscheinende Managementsprache der immer noch von Alt-68ern durchsetzten Kultusbürokratie und eine neue Kontrolllogik werden es nicht richten können. Wirksamer Wettbewerb ist entscheidend, das wird letztlich auch mehr private Schulen erfordern.

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