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Michael Hüther in der Financial Times Deutschland Gastbeitrag 13. Juni 2010

Schiedsrichter für die Banken

Die Bundesregierung schiebt den Umbau der Finanzaufsicht auf die lange Bank. Das ist ein Fehler. Neue Finanzmarktregeln brauchen erst recht schlagkräftige Aufseher.

Die Bundesregierung hat eine weitere Reform abgeblasen: Das Finanzministerium sieht sich angesichts der Probleme mit der von der Koalition beschlossenen Zusammenführung der Bundesanstalt für Finanzdiensüeistungsaufsicht (BaFin) und der Bundesbank nicht mehr in der Lage, dieses Thema zeitnah zu bewältigen.

Populär und kommunikativ nutzbar ist die Reform der Aufsicht ohnehin nicht. Dafür bieten sich andere Themen an. War es in der schwarz-roten Bundesregierung die inszenierte Empörung über Steuerhinterziehung, so sind es bei der schwarz-gelben Regierung die Schelte der Spekulanten und das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen. Bei diesen Themen handelt es sich um Nebenkriegsschauplätze, deren Bespielung allenfalls das Publikum zu belustigen vermag. Zugleich entsteht der Eindruck, national sei sowieso nichts Bedeutsames zu regeln.

Inoffiziellen Verlautbarungen war zu entnehmen, dass der Verzug bei der Neuordnung der Finanzaufsicht so schwerwiegend nicht sei. Wichtiger sei die Gestaltung des Regelwerks für die Finanzmärkte. Das wäre so, als würde man sich für die Fußballweltmeisterschaft mit der Definition der Spielregeln begnügen und auf die Nominierung der Schiedsrichter aber verzichten.

Die Erwartung, dass dies funktionieren kann, ist nicht gut begründet. Genau das konnten wir in der Finanzkrise erleben. Das Aufsichtsversagen war evident. Zwar kann die deutsche Finanzaufsicht für sich beanspruchen, die Regeln erfüllt zu haben, nicht aber, dass sie die Ermessensspielräume mutig genutzt hat.

Das Regelwerk zur Eigenkapitalunterlegung (Basel II) eröffnete die Möglichkeit, von den Banken ein höheres Eigenkapital zu verlangen, wenn dies aus der Parallelität von Geschäftsstrategien und Risikopositionen angezeigt ist. Die spanische Finanzaufsicht hat dies getan. Auch wäre es möglich gewesen, die außerbilanzielle Verbuchung von Zweckgesellschaften frühzeitiger zu untersagen. Man benötigt nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was diese Eingriffe für die Dynamik der Kreditmarktkrise in Deutschland bedeutet hätten. Die geringe Höhe der Eigenkapitalausstattung – bei vielen großen Banken drei Prozent bezogen auf die risikoungewichtete Bilanzsumme – ließ in der Krise aufgrund von Wertverlusten verschiedener Wertpapiere sehr bald die Solvenz einer Bank fraglich werden.

Zudem: Die deutsche Finanzaufsicht ist aufgrund ihrer personellen Ausstattung nicht in der Lage, die mit Basel II eröffnete Quasi-Privatisierung der Eigenkapitalregulierung angemessen zu begleiten. Denn die Banken können zur Vermeidung des Standardansatzes von acht Prozent Eigenkapitalunterlegung durch ein eigenes Risikomodell diese Anforderung mindern. Das aber kann nur gutgehen, wenn die Aufseher diese Modelle prüfen können und gegebenenfalls eingreifen. Die Banken sind bei der Wahl der Methode für die Erarbeitung des Risikomodells frei, das erfordert umso mehr, dass die Aufsicht selbst ein Modell besitzt – was nicht der Fall ist – und damit eine Messlatte für die von der Bank ermittelte Minderung des regulatorischen Eigenkapitals.

Beide Befunde verweisen auf denselben Tatbestand: Der Finanzaufsicht fehlen entscheidende Kompetenzen, und es fehlt die Unabhängigkeit, die einem kraftvollen Handeln vorauszusetzen ist. Hier liegt der politische Handlungsbedarf und nicht in der Zusammenarbeit von Bundesbank und BaFin, wie die Regierung unterstellt.

Die Arbeitsteilung zwischen der Ermittlungsinstitution Bundesbank, die das Risikoprofil einer Bank erstellt, und der Beurteilungsinstanz BaFin, die auf dieser Grundlage den bankenaufsichtsrechtlichen Handlungsbedarf oder weiteren Informationsbedarf ermittelt und exekutiert, ist angemessen geregelt und wird auch vonseiten der Banken nicht als das Problem bewertet. Die Bundesregierung hat sich mit ihrem Plan, beide Institutionen organisatorisch zusammenzuführen, auf einen Irrweg begeben, der die Unabhängigkeit der Notenbank gefährdet. Großbritannien machte die gleiche Erfahrung. Das aber kann kein Grund sein zu verharren.

Der einseitige Blick auf die Regeln verkennt, dass diese erst durch eine starke Aufsicht letztlich wirksam werden. Viele Fehlentwicklungen in den Finanzmärkten sind nur korrigierbar, wenn die Aufsicht gezielt interveniert. Die Empörung über manipulierende Spekulanten, wie es sie auch bei Leerverkäufen auf der Basis von Insiderinformationen gibt, führt bei uns zu dem billigen Ratschluss des Verbots. Angemessen wäre eine Stärkung der Aufsicht, um rechtswidriges Verhalten gezielt angehen zu können. Das aber wird mit der derzeitigen Rechtsform nicht gelingen. Wir sollten die BaFin in eine GmbH überführen – wie vor zehn Jahren die Bundesschuldenverwaltung in die Finanzagentur –, um dann marktfähige Gehälter zahlen zu können. Nur so wird sich das Kompetenzdefizit beheben lassen.

Die Aufsicht muss zweitens eine größere Unabhängigkeit erhalten, mindestens wie das Bundeskartellamt. Sie sollte drittens durch eine wissenschaftliche Kommission – analog der Monopolkommission – in einen ständigen Austausch mit der Fachdebatte treten. All dies zielt darauf, der Aufsicht eine systemische Analyse zu ermöglichen, die weit über die Einzelinstitutsbetrachtung hinausgeht.

Jedes Zögern bei einer solchen Reform wird sich sträflich rächen. Die Regierung kann so zeigen, ob sie es mit der Reregulierung der Finanzmärkte ernst meint. Wir müssen dazu nicht immer auf andere warten.

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