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Michael Hüther Gastbeitrag 2. April 2009

Reichlich Hausaufgaben

Der Londoner Gipfel hat die Teilnehmer mit einem vollen Lastenheft in ihre Metropolen entlassen.

Der Weltfinanzgipfel in London hat hohe Erwartungen geweckt, teilweise waren sie stark überzogen. Manche vermittelten den Eindruck, als könne auf der Konferenz per Beschluss das Ende der Weltfinanzkrise herbeigeführt werden. Wieder andere zogen den Vergleich mit der gescheiterten Weltwirtschaftskonferenz von 1933 in London. So eingängig der historische Vergleich ist, so geht er doch fehl.

Die damalige Krise ist in ihrem Ausmaß und ihrem Verlauf nicht ohne die besondere Vorgeschichte zu verstehen. Die Folgen des Ersten Weltkrieges für die internationalen Kapitalströme und die Wechselkurspolitik waren verheerend. Die Hyperinflation der 20er-Jahre hatte weitreichende Folgen für das finanzpolitische Handeln. Der aufkeimende Systemkonflikt zwischen den westlichen Nationen und dem kommunistischen Russland führte zu Verwerfungen auf den Weltagrarmärkten. Schließlich wurde der Verlauf der Krise durch restriktive Geldpolitik und Finanzpolitik verschärft.

Gerade bezogen auf die Makropolitik lässt sich erkennen, dass die Lektionen gelernt wurden. Jetzt geht es um die Frage, ob nicht bereits genug getan wurde und wie nun der Blick auf die mittelfristigen Folgen dieser Expansionspolitik für Staatsfinanzen und Inflation gerichtet werden kann. Sicher, das berühmte Licht am Ende des Tunnels ist noch nicht zu sehen. Doch weisen einige Indikatoren wie Zinsstruktur, die Frachtraten, die Beruhigung einiger Kapitalmärkte zusammen mit den Erwartungen der Unternehmen auf ebendiese Bodenbildung hin.

In jedem Fall erscheint es unangemessen, die Menschen durch fragwürdige Darstellungen zusätzlich zu verunsichern, daran besteht schon jetzt kein Mangel. So konnte man dieser Tage in einem Magazin Schrumpfungsraten für die Weltproduktion in zweistelliger Höhe eindrucksvoll in einem Schaubild dargestellt zur Kenntnis nehmen. Die angefügte Fußnote, dass es sich dabei um Veränderungen auf Jahresrate hochgerechnet handle, war zwar ehrlich, doch kein Beitrag zur Aufklärung. Hier war das Verschrecken die gezielte Absicht, nicht die Information.

Die Erwartungen an den Weltfinanzgipfel waren recht unterschiedlich, was wohl auch einer großen Variation der Krisendeutung geschuldet ist. Grundsätzlich sind zwei Sichtweisen aus dem Gebräu der öffentlichen Debatte zu destillieren: Einerseits lässt sich diese Wirtschaftskrise als Reaktion auf das Misstrauen gegen das gesamte Finanzsystem nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman am 15. September 2008 deuten. Dafür spricht, dass bis dahin die Auftragseingänge und andere Konjunkturindikatoren lediglich eine ganz gewöhnliche rezessive Bereinigung ankündigten, nicht aber den Absturz, den wir seit dem September erleben.

Andererseits findet sich die Interpretation der Krise als Folge einer globalen Überinvestition aufgrund übertriebener Steigerung der Kreditvolumina. Dies habe zu einer Fehlspezifikation in der internationalen Arbeitsteilung geführt, die vor allem Industrieländer wie Deutschland nun und künftig belaste. Das klingt zwar auf den ersten Blick plausibel. Bei näherem Hinsehen lassen sich jedoch keine ernsthaften Argumente für diese These finden. Die Investitionsdynamik der letzten Jahre wurde vor allem von den Schwellen- und Entwicklungsländern getragen, wo sie durch die Aufholprozesse gut begründet ist. Zugleich war die Expansion der Kreditvolumina kein globales Phänomen.

Folgt man der ersten Interpretation, dann wird die Genesung der Weltwirtschaft letztlich vom Finanzsystem ausgehen müssen. Darauf sind konsequenterweise die Anstrengungen zu richten. Die Konjunkturpolitik hat zwar eine wichtige Funktion, wird aber letztlich ihr Ziel verfehlen, wenn die Finanzierungskreisläufe nicht wieder in Gang kommen. Das erfordert eine Bad-Bank-Lösung, um den Geschäftsbanken den Blick auf die zukunftsgerichteten Geschäfte wieder frei zu machen.

Bei dieser Sicht der Dinge waren an den Londoner Gipfel insbesondere drei Erwartungen zu richten: die Umsetzung des in Washington im November 2008 beschlossenen Arbeitsprogramms zur Schaffung eines konsistenten Regulierungsrahmens für die Finanzmärkte, die globale Verstetigung der Geldpolitik auf das Preisniveaustabilitätsziel sowie das feste Bekenntnis zum Freihandel. Wohl wissend, dass sich all dies in der täglichen Praxis erweisen muss, sind die Ergebnisse von London respektabel. Gehandelt werden muss nun wieder auf nationaler Ebene: an einer Stärkung der Finanzaufsicht und einer Lösung der Bad-Bank-Frage. Bei beiden Themen hat die Bundesregierung noch viel zu liefern.

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