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Michael Hüther Gastbeitrag 7. Mai 2009

Optimismus im Strukturwandel

Die Weltwirtschaftskrise bietet keinen Anlass, um das Geschäftsmodell Deutschlands voreilig abzuschreiben.

Deutschland und Japan sind von der Krise besonders betroffen. In beiden stark industriegeprägten Volkswirtschaften verursacht der Exporteinbruch eine gewaltige Belastung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität. Für das Jahr 2009 erwarten wir für Deutschland eine Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts von 4½ Prozent, für Japan von sechs Prozent. Diese Raten liegen deutlich über jenen, die für andere entwickelte Ökonomien zu erwarten sind. Die hohe Bedeutung der industriellen Wertschöpfung in beiden Ländern erklärt diese außergewöhnliche Entwicklung.

Was sich so nüchtern darstellen lässt, bietet vielen Beobachtern und Analysten den Stoff für die Geschichte des Abgesangs auf einen deutschen Sonderweg. Nun komme zu einem Ende, was ohnehin seit langem auffällig war: die starke industriebasierte Exportorientierung. Prominente Stimmen waren in dieser Woche entsprechend zu vernehmen: Das Geschäftsmodell unserer Volkswirtschaft stehe zur Disposition, heißt es. Was ist davon zu halten? Kann die gegenwärtige Krise die Ergebnisse des Strukturwandels grundlegend infrage stellen und diesen damit drehen?

Hinter einer solchen Sicht verbirgt sich die These, dass die Krise weniger durch die Finanzmärkte als vielmehr durch eine globale, aus Kreditexpansion zu erklärende Überinvestition verursacht wurde. Dafür gibt es keine überzeugenden Belege. Die Kreditexpansion, die fragwürdig erscheint, hat vor allem in den Industrieländern stattgefunden, nicht in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Dort aber ist die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote in der vergangenen Dekade besonders angestiegen, als Reflex der Entwicklungswünsche und -möglichkeiten.

Zweifelhaft ist das Bild vom „Geschäftsmodell Deutschland“, da es den Eindruck nährt, der Strukturwandel folge planender Absicht und gezielter zentraler, gar politischer Handlung. Doch das Gegenteil ist richtig. Die Veränderung der Wertschöpfungsstrukturen resultiert aus millionenfachen dezentralen Entscheidungen, die jeweils dem Ziel gehorchen, den unternehmerischen Erfolg unter den Bedingungen globaler Arbeits- und Wissensteilung, fortschreitenden technischen Fortschritts sowie sich verändernder Konsumwünsche zu sichern. Sollten sich die Beteiligten allesamt geirrt haben?

Natürlich muss der Erfolg einer Exportnation sich ins Negative kehren, wenn die Weltmärkte in eine Schockstarre verfallen. Ist das schon ein Argument gegen die realisierte Spezialisierung in der globalen Arbeitsteilung? Wohl kaum. Erstaunlicherweise weckt die Krise in Frankreich und im Vereinigten Königreich ebenso die Sehnsucht nach einer anderen Wirtschaftsstruktur. Allerdings richtet sich dort die Hoffnung genau gegenläufig zu unserer Debatte auf eine größere Bedeutung der Industrie. Die erlittene Deindustrialisierung wird nun als Grund für Abhängigkeit erlebt.

Tatsächlich hat sich trotz aller Gemeinsamkeiten auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft eine beachtliche Differenzierung der Volkswirtschaften im Strukturwandel ergeben. Die Spezialisierung der Wertschöpfungsmuster erklärt sich aus oft sehr weit zurückreichenden Zufälligkeiten der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung und nährt sich gewissermaßen von selbst. Denn der Exporterfolg der deutschen Volkswirtschaft lebt auch davon, dass über Alleinstellungsmerkmale zumindest temporär Marktvorteile errungen werden. Anders gewendet: Wer sonst, wenn nicht wir, kann hier anbieten?

Wer nach einem neuen Geschäftsmodell verlangt, der redet einer selektiven Industriepolitik das Wort. Meist wird dies mit verdeckten Präferenzen der Konsumenten begründet, denen der Staat nun zum Durchbruch verhelfen müsse. Damit verbindet sich zwangsläufig eine fundamentale Kritik an der Steuerungslogik der marktwirtschaftlichen Ordnung. Diese ist vom Verbraucher her gedacht, seine Entscheidungen und Handlungen haben eine beachtliche Hebelwirkung und regieren letztlich die Marktprozesse. Auch denkbare Beeinträchtigungen seiner Entscheidungsfindung bieten keinen Grund für staatliche Vormundschaft.

Ebenso wird die Flexibilität der Unternehmen unterschätzt und der Vorwurf erhoben, sie hätten im Wettbewerb geschlafen. Dort, wo dies tatsächlich der Fall ist, verschwinden Unternehmen schnell von der Bildfläche. Die deutsche Wirtschaft war jedoch außerordentlich erfolgreich. Was soll im Nachhinein daran falsch sein? Es gibt also keinen plausiblen Grund, die Zukunft der deutschen Wirtschaft abzuschreiben.

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