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Michael Hüther Gastbeitrag 20. August 2009

Nur eine Wachstumspause

Im beginnenden Aufschwung fehlt der Politik der Mut für eine offensive Strategie.

Die Rezession hat ihren Tiefpunkt erreicht, die deutsche Volkswirtschaft expandiert – wie einige andere auch – seit dem zweiten Quartal wieder. Die extrem pessimistischen Prognosen, die für Deutschland eine Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts um jahresdurchschnittlich gut sechs Prozent in diesem Jahr erwarten, sind nun eher unwahrscheinlich. Zugleich relativiert sich die häufig gehandelte Einschätzung, die Vereinigten Staaten würden schneller der Krise entkommen. Schließlich ebbt zusehends die kritische Debatte über das Geschäftsmodell Deutschland ab.

Gleichwohl gibt es fast reflexartig Reaktionen, die unverändert ein düsteres Gemälde der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung malen. Natürlich ist Euphorie fehl am Platz, Auftragseingang und Produktion liegen immer noch dramatisch unter dem Niveau des Vorjahres, der Abschwung am Arbeitsmarkt hält noch an, und der konjunkturpolitische Impuls muss sich erst noch als nachhaltig erweisen. Der Weg aus der Krise ist lang, doch er wurde nicht zuletzt mit dem Antrieb konjunktureller Selbstkorrektur begonnen.

So spricht viel für eine zwar tiefe, aber in überschaubarer Zeit überwindbare Wachstumspause.Die Entwicklung der weichen wie der harten Konjunkturindikatoren lässt viele Deutungen dieser Krise in einem anderen Licht erscheinen. Krise des Wirtschaftsmodells, Krise der Globalisierung, Krise des Geschäftsmodells Deutschland: So hörten sich die Bewertungen an. Dabei wurde Krise jeweils als definitive Absage an das Bisherige verstanden, als Absage an den freien Wettbewerb, an die Intensivierung der internationalen Arbeits-, Wissens- und Risikoteilung, an die Exportorientierung der deutschen Volkswirtschaft. Aus dem staatlichen Handeln in der Krise soll ein Dauerauftrag werden.

Die Einschätzung, es mit der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun zu haben, nährt – verbunden mit historischem Bezug – diese Erwartungen. Doch auch die große Krise der 30er-Jahre hat trotz ihrer Tiefe und Länge letztlich nicht zu anderen wirtschaftsstrukturellen Lösungen geführt. Nach einem Umweg über intensive staatliche Interventionen und Strategien der Autarkie kam es letztlich zur Reaktivierung des Preismechanismus und einer freilich langwierigen Rückkehr zum Freihandel. Die Weltwirtschaftskrise führte schließlich zu institutionellen Innovationen, die den überkommenen Rechtsrahmen der Gewerbefreiheit zukunftsfähig machten.

Die These von der großen Absage an alles Marktwirtschaftliche lebt ebenso von der gefälligen Einschätzung, dass die Krise unserer Zeit ein Systemversagen offenbare und gerade darin jener Weltwirtschaftskrise vergleichbar sei. Doch Verlauf und Ursachen beider Krisen sprechen eine andere Sprache. Die Krise der 30er-Jahre griff auf den Ersten Weltkrieg und seine vielfältigen Folgen zurück, die eine Tendenz zu wirtschaftspolitischen „Experimenten“ (Walter Eucken) auslösten und schrittweise vom Marktmechanismus wegführten.

Stand am Beginn der Entwicklungen 1929 der Börsenkrach und folgten dem schnell realwirtschaftliche Anpassungen, so standen diesmal Verwerfungen an den Kreditmärkten am Anfang, die zu einer Banken- und dann schließlich das gesamte Finanzsystem umfassenden Krise wurden, während der Produktionseinbruch erst danach kam. Es muss deshalb nicht besser ausgehen als damals, dennoch spricht einiges dafür. Da ist die Wirkung der weltweit expansiven Wirtschaftspolitik zu nennen, ebenso die allgemeine Preisentwicklung, die zur rechten Zeit den privaten Konsum stabilisiert.

Die als Krisenpflege vorgetragene Behauptung, dass nun angesichts der Rezession eine zweite Bankenkrise drohe, ist dagegen unangemessen. Bereinigung und Verkürzung der Bankbilanzen sind spürbar vorangekommen. Im ersten Quartal wurde – bei deutlich düsterer Konjunktureinschätzung – in erheblichem Umfang die Risikovorsorge aufgestockt. Die Entwicklung am Aktienmarkt wirkt ebenfalls entspannend. Dass es in einer Rezession zu einer Verschlechterung der Kreditqualität kommt, ist gewöhnlich so.

Dass die Banken noch schwach auf der Brust sind, muss sicherlich Besorgnis erregen. Doch Mut macht, dass dies dem Beginn der Erholung nicht entgegenstand. So kann sich der gegenläufige Wirkungszusammenhang entfalten: Die Konjunktur hilft den Banken.

Dringlich ist es nun, die Verpflichtung der Politik zum Wachstum neu zu gründen. Das erfordert institutionelle Innovationen für den Finanzmarkt. Es erfordert aber genauso ein klares Bekenntnis zu offenen Märkten und dezentraler Steuerung. Dazu scheint vielen Wahlkämpfern die Einsicht oder der Mut zu fehlen.

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