1. Home
  2. Presse
  3. In den Medien
  4. Mit fiskalischer Disziplin aus der Krise
Michael Hüther in der Stuttgarter Zeitung Gastbeitrag 2. Januar 2012

Mit fiskalischer Disziplin aus der Krise

Mit den Ergebnissen des EU-Gipfels vom 8. Dezember 2011 ist trotz der verbleibenden Unwägbarkeiten der Umsetzung klar: der Weg aus der Krise gelingt nur über eine glaubwürdige fiskalische Disziplin. Das schreibt IW-Direktor Michael Hüther in der Stuttgarter Zeitung.

Dazu haben sich die Staaten der Euro-Zone eindeutig bekannt: Schuldenbremse mit einem maximalen strukturellen Defizit von 0,5 Prozent des nominalen BIP, quasi-automatische Sanktionen, Durchgriffsrechte der EU-Kommission bei budgetpolitischen Verstößen, weiterer Ausbau der fiskalpolitischen Integration. Die Krisenpolitik ist dort angekommen, wo die Krise maßgeblich ihren Ausgang nahm, in der Haushaltspolitik der Euro-Staaten.

So stehen wir zum Jahreswechsel 2011/2012 dort, wo wir uns eigentlich zu Beginn der Währungsunion wähnten: bei wirklich sanktionsbewährten Fiskalregeln, einer effektiven budgetpolitischen Kontrolle und nationalen Selbstverpflichtungen. Gleichzeitig haben die Finanzmärkte nun jene Wachsamkeit etabliert, die in der ersten Dekade europäischer Geldpolitik aus Unachtsamkeit und aufgrund entsprechender Signale der Politik (Schwächung des Stabilitäts- und Wachstumspakts) fehlte. Die Währungsunion hat damit das notwendige Fundament und Gerüst. Von jetzt an muss geliefert werden. Scheinbar einfache Lösungen sollten damit vom Tisch sein. Das gilt für die Einführung von Euro-Bonds und ebenso für die Forderung, die Europäische Zentralbank systematisch am Sekundärmarkt für Staatsanleihen in Stellung zu bringen.

Jeweils soll die nationale Finanzpolitik aus ihrer Verantwortung für das Schuldendesaster herausgepaukt werden. Im ersten Fall wird eine Haftungsunion fingiert, die eine weitgehende Aufgabe nationaler Budget-Autonomie verlangt. Das aber widerspricht dem für Europa zentralen Ordnungsprinzip der Subsidiarität.

Und: Notenbanken stehen zwar bereit, Liquiditätskreisläufe zu stabilisieren und im Einzelfall Sekundärmärkte vor dem Austrocknen zu bewahren. Doch dies ist weit entfernt von einer impliziten Garantie für Staatsanleihen, wie sie mit einem generellen Interventionsversprechen des Euro-Systems verbunden wäre. Dass bereits punktuelle Anleihekäufe durch die EZB fatale Anreize haben, konnte man bei der Berlusconi- Regierung beobachten. Der gerne bemühte Vergleich mit der Fed verkennt einen wichtigen Unterschied: Die EZB steht 17 souveränen Staaten gegenüber, die sie durch gezielte Interventionen diskriminieren würde. Warum sollen alle die Risiken dieser Politik tragen, wenn nur Einzelne sich nicht anstrengen wollen?

Altkanzler Helmut Schmidt hat die Solidaritätsverpflichtung der Deutschen thematisiert, woraus sich nur die unbedingte Bereitschaft zur Transferunion ableiten lässt. Doch unkonditionierte Solidarität hilft niemandem, weder denen, die so den Blick auf die eigene Leistungskraft und dafür notwendige Investitionen verlieren, noch denen, die Gefahr laufen, ihre wirtschaftliche Basis aufzuzehren. Bei aller Verpflichtung, die Deutschland – aus historischen Gründen wie aus handfesten ökonomischen Motiven – hat, hebelt dies nicht die Verantwortung der anderen Staaten aus. Mut macht, dass die Märkte glaubwürdige Ansätze honorieren. Die Renditen für die Staatsanleihen Italiens und Spaniens sind wieder deutlich gesunken. Schließlich sollte uns die These von einem schwachen Jahrzehnt nicht schrecken.

Dahinter stehen vulgärökonomische Argumente, die den Vertrauenseffekt solider Staatsfinanzen ebenso verkennen wie die positiven Wirkungen von Privatisierung und angemessener Regulierung auf wirtschaftliche Dynamik. In Portugal ist dies an den Exporterfolgen des produzierenden Gewerbes bereits zu sehen. Es gibt somit tragfähige Perspektiven. Diese sind zugegebenermaßen langweilig, weil sie den großen Hebel vermissen lassen. Doch das sollte uns am wenigsten schrecken. Die Euro-Zone ist auf dem richtigen Weg!

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki.
Berthold Busch / Björn Kauder / Samina Sultan Pressemitteilung 28. September 2023

EU-Haushalt: Deutschland bleibt größter Nettozahler

Mehr als 237 Euro zahlte im Jahr 2022 jeder Deutscher netto an die EU, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) – kein anderes Land hat so tief in die Tasche gegriffen. Am meisten Geld geht an Deutschlands östlichen Nachbarn Polen.

IW

Artikel lesen
Berthold Busch / Björn Kauder / Samina Sultan IW-Report Nr. 48 28. September 2023

Wohin fließt das Geld aus dem EU-Haushalt?: Nettozahler und Nettoempfänger in der EU

Die deutsche Nettoposition ist im Jahr 2022 leicht gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, von 21,4 Milliarden Euro auf 19,7 Milliarden Euro. Sie liegt damit aber immer noch deutlich höher als in der Vor-Brexit-Zeit.

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880