Verbietet die Spekulation mit Grund und Boden, so schallt es uns allenthalben entgegen. Welch ein Blödsinn, findet Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
Boden braucht einen Preis
Die Debatte um schnell steigende Wohnungspreise in den Großstädten beschert in Diskussionsrunden und in den Feuilletons einer These von Karl Marx eine Renaissance: Der Grund und Boden sollte sozialisiert werden und in nationales Eigentum übergehen. Da Boden nicht vermehrbar sei, so die Argumentation, sollte er auch nicht renditehungrigen Privateigentümern anvertraut werden. In der pragmatischen Version dieser Perspektive wird gefordert, dass Städte Grundstücke nicht mehr verkaufen - oder zumindest nur noch an gemeinwohlorientierte Unternehmen. Damit soll die Entwicklung der Grundstückspreise und somit auch die der Mieten gemäßigt werden, um allen das Wohnen in der Stadt zu ermöglichen.
Doch so verständlich der Wunsch nach günstigerem Wohnraum ist - der Ansatz, dieses Ziel über eine Beeinflussung der Grundstückspreise zu erreichen, ist falsch. Preise haben in der Volkswirtschaft eine wichtige Aufgabe, sie lenken das Angebot und die Nachfrage. Das gilt auch für den Wohnungsmarkt. Sind sie hoch, signalisieren die Preise den Wohnungssuchenden, dass Wohnraum knapp ist, und bewegen sie dazu, Alternativen zu suchen. Seit zwei Jahren wandern aus den meisten deutschen Großstädten mehr Haushalte ab, als neue dazukommen. Zwar möchten die meisten Menschen weiterhin möglichst urban leben, aber die hohen Wohnkosten lenken sie ins günstigere Umland. Wenn der Staat - in einem extremen Szenario - die Preise von Grundstücken über alle Regionen hinweg nivelliert und sich dadurch die Wohnungspreise annähern, dann würde es noch mehr Menschen in die Großstädte ziehen. Schließlich befinden sich dort die Mehrzahl der gut bezahlten Arbeitsplätze, mehr Infrastruktur, mehr Bildung und mehr Freizeitmöglichkeiten. Für viele ländliche Regionen würde das die bestehenden Probleme vergrößern. Denn bereits jetzt kämpfen sie wie einige strukturschwache Städte mit einem kontinuierlichen Bevölkerungsschwund. Für diese Landstriche sind die im Vergleich zu Großstädten wie Berlin, München oder Frankfurt relativ geringen Wohnkosten einer der wenigen verbliebenen Wettbewerbsvorteile.
Für die Großstädte sind künstlich reduzierte Bodenpreise hingegen eine Scheinlösung, denn Grund und Boden bleibt knapp. Selbst wenn dadurch die Mieten reduziert würden - was voraussetzt, dass die Vermieter die geringeren Bodenpreise über die Mieten wirklich an die Mieter weitergeben -, entstünden neue Probleme, etwa durch die Frage, wer die knappen Wohnungen bekommt. Wenn es nicht mehr die Zahlungsfähigkeit ist, entscheiden darüber andere Kriterien. Dies könnten soziale Erwägungen sein, die Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst oder zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Denkbar wäre ebenfalls, per Los zu entscheiden. Abgesehen von der damit einhergehenden Beliebigkeit, erhielte der Mieter einen wirtschaftlichen Vorteil, denn die Kosten entsprächen nicht dem tatsächlichen Wert der Nutzung. Die Folgen lassen sich heute schon in der sozialen Wohnraumförderung beobachten: Viele Bewohner von Sozialwohnungen ziehen auch dann nicht aus, wenn sich ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten verbessern und sie eigentlich kein Anrecht mehr auf eine entsprechende Wohnung haben. Schließlich können sie nirgendwo sonst so günstig und zentral wohnen.
Insgesamt laden nach unten verzerrte Preise immer dazu ein, Gewinne zu erzielen. Immer wieder wird berichtet, dass Mieter von Sozialwohnungen die eigene Wohnung mit teilweise saftigen Aufschlägen weiter- oder untervermieten. Ist dies auf legalem Weg nicht möglich, wird oft auf den Schwarzmarkt zurückgegriffen. Wien, häufig wegen seiner großen Zahl von Sozialwohnungen und Mietpreisbindungen sozial-romantisiert, ist dafür ein gutes (oder vielmehr: schlechtes) Beispiel. Die Mieten sind zwar aufgrund von Regulierungen günstig, aber je nach Konstellation versuchen Vormieter oder Vermieter unter anderem über hohe Abstandszahlungen für Küche und Einbauschränke Kasse zu machen. Auf diese Weise profitieren sie von der Differenz zwischen der marktgerechten Miete und der regulierten Miete.
Am Ende bleibt es eine Frage von Verteilung und Gerechtigkeit: Was konkret folgt aus der Erwartung, dass Wohnen in der Stadt für alle soziale Gruppen bezahlbar sein soll? Angesichts des begrenzten Raums werden nie alle zum Zug kommen können, die gerne so zentral wie möglich wohnen wollen. Oft wird argumentiert, es bedürfe der sozialen Durchmischung in der Stadt, Arm und Reich sollten Seite an Seite wohnen. Dahinter steht die politische Forderung nach Chancengleichheit und sozialer Teilhabe. Paris mit seinen Luxusvierteln auf der einen und den vielen verarmten Banlieues auf der anderen Seite gilt zu Recht als mahnendes Beispiel. Dabei wird jedoch übersehen, dass das Problem weniger Luxus- als vielmehr die Elendsviertel sind, in denen Perspektivlosigkeit um sich greift. Genau dort sollte die Kommunalpolitik ansetzen: Städte sind gefordert, dem Niedergang von Quartieren entgegenzuwirken. Hierfür gibt es viele wirksame Instrumente, allen voran eine Aufwertung von Schulen und Kindergärten. Gerade für Haushalte der Mittelschicht ist die Qualität der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen entscheidend - und viele von ihnen sind bereit, an den Stadtrand zu ziehen, wenn dort Bildungsangebote und Infrastruktur stimmen. Statt also einigen wenigen Haushalten den Zugang zu privilegierten Stadtvierteln zu ermöglichen, sollte die Stadt alle Mittel verwenden, um Stadtbezirke in Randlagen aufzuwerten und so dort die erwünschte Durchmischung zu erreichen. Dafür brauchen Städte finanzielle Ressourcen. Auch aus diesem Grund sollten sie ihre Grundstücke nicht unter Wert abgeben.
Nein, ein Eingriff in die Grundstückspreise verhindert weder steigende Gewinne von Vermietern noch die zunehmende Belastung von Mietern. Stattdessen ist die Lösung des Problems ganz einfach: Wir brauchen mehr Bauland. Die hohen Preise setzen zwar Anreize, mehr zu bauen, doch die Projektentwickler finden aktuell keine freien Grundstücke. Dabei ist Bauland - anders als Boden - sehr wohl vermehrbar. Es muss nur von den Kommunen ausgewiesen werden. Allerdings tun die sich diesbezüglich schwer, weil sie Umweltbeeinträchtigungen und Proteste von Bürgern fürchten oder weil es restriktive Vorgaben auf Landesebene gibt. Kommt es hier nicht zu einem Ausgleich der Interessen, werden die Preise immer weiter steigen, und günstiger Wohnraum in den Städten rückt in weite Ferne.
Die Verknappung von Bauland hat zusätzlich den unangenehmen Nebeneffekt, dass auch private Eigentümer ihre Grundstücke zurückhalten. Bei Preissteigerungen von 10 bis 15 Prozent im Jahr - teilweise sogar darüber - lohnt sich das Warten. Hinzu kommt, dass Grundstücke nach 10 Jahren steuerfrei veräußert werden können. Ist mehr Bauland vorhanden, sind die Preissteigerungen geringer, und es gibt stärkere Anreize, zügig zu bauen und anschließend Mieterträge zu erzielen. Zusätzlich wäre in dieser Hinsicht die Einführung einer Bodenwertsteuer sinnvoll und wirksam: Ihre Höhe richtet sich, anders als bei der jetzigen Grundsteuer, einzig nach dem Wert des Grundstücks - unabhängig davon, wie hoch darauf gebaut wird. Bei gleichem Bodenwert wird eine Baulücke also genauso besteuert wie ein Hochhaus. Dies führt einerseits dazu, dass Grundstücke schneller bebaut werden. Andererseits würde die Steuerreform eine höhere Bebauung attraktiver machen, der knappe Boden würde also intensiver genutzt.
Auch die Bodenwertsteuer setzt aber voraus, dass Grundstücke nach Marktpreisen bewertet werden. In diesem Fall würden die Kommunen - und somit alle Bürger - über die Steuer von der Entwicklung der Grundstückspreise profitieren. Die Einnahmen würden dabei helfen, alle Stadtviertel und das Umland mit einer modernen Infrastruktur und guten öffentlichen Angeboten zu versorgen.
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IW
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