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Michael Hüther in der Welt Gastbeitrag 17. September 2013

„Wir investieren zu wenig in die Zukunft“

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, sorgt sich um die geringe Investitionsfreude der deutschen Wirtschaft – und warnt vor Steuererhöhungen.

Wirtschaft steht glänzend da, trotzdem schlagen Sie Alarm. Warum?

Zunächst muss man feststellen, dass das deutsche Geschäftsmodell derzeit gut funktioniert. In vielen Bereichen steht Deutschland besser da als der Rest Europas. Wir sind besser durch die Krise gekommen, und die Konjunktur hat nach der Krise schneller Fahrt aufgenommen.

Aber?

Mir bereitet die anhaltend schwache Investitionstätigkeit der deutschen Wirtschaft große Sorgen. Die Ausrüstungsinvestitionen sind 2012 um vier Prozent zurückgegangen. Dieses Jahr wird am Ende wohl ein Minus von zweieinhalb Prozent stehen. Und ich sehe auf absehbare Zeit keine angemessene Korrektur. Wir investieren zu wenig in die Zukunft und leben von der Substanz. Darüber wird aber kaum geredet.

Was sind die Ursachen für die Investitionsschwäche?

Es gibt drei wesentliche Gründe. Erstens gab es eine große Verunsicherung durch die Euro-Krise. Zweitens beeinträchtigt die Energiewende die Investitionsfreude. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist für die Industrie trotz der Ausnahmen teuer, denn es fallen ja Management-Kosten an. Das hat Wirkungen auf andere Branchen. 80 Prozent aller Firmen geben an, in Lieferbeziehungen mit energieintensiven Unternehmen zu stehen. Einige Firmen gehen wegen der steigenden Energiekosten bereits ins Ausland. Das Gefährliche daran ist, dass dies ein schleichender Prozess ist. Der dritte Grund sind drohende Steuererhöhungen.

Nur Rot-Grün will die Steuern erhöhen. Aber eine linke Mehrheit ist doch in weiter Ferne.

Auch im Falle einer großen Koalition drohen Steuererhöhungen. Die SPD wird einen Preis von der CDU für die Beteiligung an einer Regierung fordern. Ich halte es für sehr realistisch, dass eine Bundeskanzlerin Merkel in einer Großen Koalition die Einkommensteuern erhöht.

Die Zeiten, in denen es einen ständigen Aufwertungsdruck durch die D-Mark gab, sind vorbei. Gleichzeitig sind die Zinsen niedrig. Ruhen sich die Unternehmen vielleicht nicht einfach auf ihrem Erfolg und den guten äußeren Rahmenbedingungen aus?

Es gibt keine Ruhephasen fürs Investieren. Unternehmen müssen im internationalen Wettbewerb ständig ihre Innovationsleistung erbringen. Und auf Währungsbewegungen kann ein Unternehmen keine Strategien aufbauen. Das sind nicht die Ursachen.

Was sollte die Politik gegen die Investitionsschwäche tun?

Sie sollte nach der Wahl von Steuererhöhungen absehen. Bei der Energiewende müssen wir das Design verändern. Das EEG ist nicht zukunftsfähig. Es war für die Einführung von Marktprozessen da. Aber inzwischen gewinnen wir ein Viertel unserer Energie aus regenerativen Energien. Bei so einem hohen Anteil muss man sie nicht mehr so stark subventionieren. Da hat aber gerade die CDU Hemmungen, weil weite Teile des Bürgertums auf ihren Dächern Solarpanele stehen haben.

Kann der Staat nicht auch Investitionen antreiben, wenn er den Innovationsstau bei der Infrastruktur auflöst?

Ich halte diese Frage für überbewertet. Nur weil Autobahnbrücken renoviert werden müssen, bricht nicht gleich morgen die Infrastruktur in Deutschland zusammen. Internationale Rankings zeigen bis zuletzt bei der Infrastruktur eine hohe positive Bewertung. Investitionen sind sicher nötig, aber das Geld dafür ist da. Wir müssen nur gewillt sein, Haushaltsmittel umzuschichten. Anfangen könnten wir etwa bei der Streichung des Betreuungsgeldes, was eine Milliarde Euro bringen würde.

CSU-Chef Horst Seehofer will trotzdem eine Pkw-Maut einführen. Eine gute Idee?

Ich halte das österreichische Maut-Modell für vorbildhaft. Die Mauteinnahmen fließen in einen Finanzierungskreislauf, der ausschließlich für den Straßenbau vorgesehen ist. Das wäre ein Modell, das Autofahrer akzeptieren könnten. Das Problem bei der Lkw-Maut ist ja gerade, dass die Einnahmen nicht in den Verkehrshaushalt fließen.

Was kann der Staat noch tun, um die Investitionsbereitschaft bei den Unternehmen zu verbessern?

Ein Instrument wäre die Einführung der steuerlichen Forschungsförderung, die es in den meisten europäischen Ländern bereits gibt. Der Arbeitsmarkt darf nicht wieder erstarren, sondern die gewonnene Flexibilität muss erhalten bleiben. Im Bildungssystem darf es zu keiner flächendeckenden Rückabwicklung von G8 kommen. Die Unternehmen brauchen angesichts der alternden Bevölkerung junge Fachkräfte. Und wir müssen auf den demografischen Wandel reagieren und die Jahres- und Lebensarbeitszeit entsprechend nach oben fahren.

Zum Interview auf welt.de

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