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Michael Hüther im Focus Gastbeitrag 4. August 2014

Was will Weidmann?

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sollte sich grundlos nicht in die Lohnpolitik einmischen, schreibt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, im Focus. Damit verspiele Weidmann die Glaubwürdigkeit der Notenbanker.

Wenn die Bundesbank sich zur Lohnpolitik äußert, dann ist das stets heikel. Sie bewegt sich auf schmalem Grat. Denn ihr Mandat, für Preisniveaustabilität zu sorgen, beruht auf der Einschätzung, dass Inflation letztlich immer ein monetäres Phänomen ist. Bei Inflation trägt die Notenbank also die zentrale Verantwortung.

Natürlich kann ihr das Geschäft erschwert werden, wenn die Finanzpolitik mit hohen Budgetdefiziten und die Lohnpolitik mit überhöhten Abschlüssen Inflationsdruck verursachen. Davon sind wir in Deutschland derzeit weit entfernt, mancher spricht von Deflationsgefahr. Sind deshalb höhere Lohnabschlüsse geboten?

Nun fordert die Bundesbank mit prominentester Stimme, dass die Tarifvertragsparteien den Erhöhungsspielraum aus gestiegener Produktivität und Inflationsziel ausschöpfen mögen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann nannte sogar einen Richtwert: drei Prozent mehr Lohn.

Das ist neu, und deshalb wird zu Recht gerätselt, was ihn dazu treibt. Denn Weidmann hat gleichzeitig betont, dass er das Risiko einer Deflation für gering halte und die langfristigen Inflationserwartungen solide verankert seien. Dann aber bedarf es keiner Ermahnung an die Tarifvertragsparteien, genau darauf zu achten. Sollte Deflation als drückendes Problem bewertet werden, dann leistet die Lohnpolitik ihren Beitrag durch die Schaffung wett bewerbsfähiger Arbeitsplätze und nicht durch produktivitätsferne Lohnerhöhungen. Die Spielräume sind für Unternehmen im internationalen Wettbewerb eher eng, sodass der Druck auf die Gewinne das Investieren belastet.

Entscheidend sind ohnehin nicht die Tarifabschlüsse, sondern die tatsächlich gezahlten Bruttogehälter. Und diese sind seit der Krise 2009 wieder deutlich stärker gestiegen als die Tarifverdienste. Deshalb ist auch der Hinweis auf den Fachkräftemangel überflüssig. Denn der wird nicht in Tarifverträgen berücksichtigt, die naturgemäß Mindestlöhne vereinbaren, sondern in den außertariflichen Zulagen. Und das ist bei Engpass-Berufen wie etwa den Ingenieuren längst der Fall. Seltsam: Ausgerechnet die Geldpolitik, die zu Recht sehr auf ihre Unabhängigkeit und Autonomie bedacht ist, macht anderen Akteuren die Autonomie streitig.

So entsteht der Eindruck, dass die Tarifvertragsparteien ihren Auftrag nicht erfüllten. Das Gegenteil ist richtig, dafür spricht der Beitrag zum Beschäftigungsaufbau der vergangenen Jahre und beispielhaft die verantwortliche Lohnpolitik in der Krise 2009. Richtig ist aber auch, dass die Lohnstückkosten in der deutschen Industrie seit 2007 doppelt so stark angestiegen sind wie bei vergleichbar etablierten Volkswirtschaften. Unsere Wettbewerbsfähigkeit hat also gelitten. Deshalb und angesichts von immerhin noch knapp 2,9 Millionen Arbeitslosen ist es wichtig, den Lohnerhöhungsspielraum nicht auszuschöpfen. So entsteht in den Unternehmen Raum für neue Arbeitsplätze.

Es gibt keinen geldpolitischen Grund, der Lohnpolitik eine Abkehr von der Beschäftigungsorientierung anzuraten. Das Rätsel über die Motive der Bundesbank und ihres Präsidenten bleibt. Vielleicht war es nur der Versuch, eine missglückte Kommunikation durch ebenso unklare Erläuterungen zu korrigieren.

Vielleicht liegen auch jene richtig, die auf die schwierige Position der Bundesbank im Euro-System beim Streit um den angemessenen geldpolitischen Kurs verweisen. Dass eine unkonventionelle Äußerung zur deutschen Lohnpolitik die Position im EZB-Rat stärkt, mag indes glauben, wer will.

Am Ende bleibt, dass die Bundesbank als eigentlich erwartungstreue Institution Erwartungen nicht erfüllt. Gelitten hat dabei die wichtigste Währung der Bank: ihre Glaubwürdigkeit.

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