Die Bundesrepublik zählt zu den beliebtesten Ländern der Welt. Daran ändern auch Pegida, der DFB-Skandal und die VW-Affäre nichts, schreibt Michael Hüther auf xing.com. Das Ausland nehme Deutschland weiterhin als Vorbild wahr. Außerdem wandle sich die Gesellschaft schneller als oft angenommen.
Der Image: Schaden hält sich in Grenzen
Angesichts von Pegida, dem DFB-Skandal und der VW-Abgasaffäre liegt die Vermutung nahe, dass Deutschland einen spürbaren Ansehensverlust erlitten hat. Betrachtet man hingegen die Ende Januar in Davos vom „U.S. News & World Report“ vorgestellte Erhebung, dann scheint dies nahezu unbedeutend zu sein, denn: Deutschland steht in diesem Ranking an der Spitze der 60 betrachteten Staaten. Auf der Grundlage von 75 Indikatoren zur wirtschaftlichen Lage, politischen Teilhabe, kulturellen Vielfalt und der subjektiven Einschätzung ergibt sich der Befund: „Wir sind das tollste Land der Welt.“
Also alles halb so schlimm? Natürlich nicht! Rechtsverstöße und Korruption gereichen niemandem zur Ehre, ebenso wenig wie schlechtes Benehmen, Dummheit und Gewalt. Aber: Macht das Deutschland aus? Das Ausland scheint die Frage eindeutig zu verneinen. Wir hingegen scheinen das in kritischer Selbstreflexion zu bejahen. Nun würde man es sich zu leicht machen, die Wahrheit in der Mitte zwischen den beiden denkbaren Positionen zu verorten. Es geht hier nicht um eine mathematische Durchschnittsbildung. Pegida, DFB-Skandal und die VW-Abgasaffäre sind vorübergehende Phänomene, bedenkliche einmalige Ereignisse und Vorfälle. Aus dem Ausland hingegen nimmt man eine grundlegende Veränderung von Deutschland wahr. Eine Veränderung, die der vom (schleichenden) Wandel Betroffene selbst allerdings erst mit Abstand erkennt.
Wie erleben eine schleichende Revolution
Gemeint sind die vielfältigen gesellschaftspolitischen Veränderungen, die durch Gesetzgebung und politische Initiativen seit der Jahrtausendwende zustande kamen. Auch wenn sie keinem übergreifenden Plan entsprangen, so haben sie doch einen gemeinsamen Nenner: die Modernisierung des gesellschaftlichen Lebens durch mehr Potenziale, mehr Offenheit, mehr Vielfalt. Das Spektrum der Veränderungen reicht von der längeren Arbeit im längeren Leben über die Mobilisierung der Bildung in allen Lebenslagen, die Gleichstellung aller Lebensmuster, die Schaffung eines der liberalsten Zuwanderungssysteme weltweit, einen Ausgleich von Beruf und Familie bis zur Mobilisierung der Zivilgesellschaft.
Der Paradigmenwechsel hat jeweils spezifische Gründe, in der Summe ergibt sich eine schleichende Revolution. Heute haben unterschiedlichste Lebensmuster mehr Raum für Entfaltung als früher und andernorts. Die Elastizität unserer Systeme auf wachsende Heterogenität und die Toleranz haben deutlich zugenommen, das zeigt sich nun als pragmatisch-positives Integrationsklima. Diese Modernisierung hat zugleich elementare ökonomische Bedeutung. Eine Gesellschaft, die den dynamischen Wandel annimmt und sich dabei öffnet, verschafft dem wirtschaftlichen Handeln bessere Standortbedingungen.
Innerhalb unserer Gesellschaft regt sich Widerspruch
Diese Entwicklung ist in meinen Augen der Grund für den krassen Gegensatz, den wir derzeit erleben: Die Außenansicht auf Deutschland ist positiv. Innerhalb unserer Gesellschaft, am rechten Rand, regt sich hingegen Widerspruch, vordergründig gegen „die Fremden“, eigentlich aber gegen die vielfältige soziale Öffnung, die nun in ihrer ganzen Breite und Tiefe sichtbar wird. Trotz Pegida, DFB-Skandal und VW-Abgasaffäre: Der Imageschaden für Deutschland hält sich auch künftig in Grenzen – wenn die deutsche Gesellschaft als Ganzes erträgt, was sie verändert hat.
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