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Michael Hüther in der Süddeutschen Zeitung Gastbeitrag 7. Januar 2013

Rein damit!

Die Ökostrom-Umlage muss in den Bundeshaushalt integriert werden, schreibt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, in der Süddeutschen Zeitung. Das würde auch der Energiewende helfen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr darüber zu entscheiden, ob der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus verfassungsgemäß ist. In seinem Urteil vom 12. September 2012 hat das Gericht dies im Grundsatz bejaht und dabei auf den schon früher betonten Zusammenhang verwiesen, dass 'die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand (...) grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat' ist (BVerfGE 123, 267).

Bei der Frage, was dies konkret bei der Haushaltserstellung bedeutet, wird man auf einen Traditionsbestand der Finanzwissenschaft verwiesen: die Haushaltsgrundsätze. Solche Aspekte sind für die heutige Volkswirtschaftslehre weitgehend irrelevant geworden, weil sie einer normativen Argumentation folgen. Doch das ändert nichts an ihrer Relevanz.

Die Haushaltsgrundsätze - insbesondere die der Vorherigkeit, der Öffentlichkeit, der Einheit, der Genauigkeit, der sachlichen und zeitlichen Spezialität, der Vollständigkeit sowie der Klarheit des Budgets - sollen die demokratische Steuerungshoheit sichern. Der Charme dieser Normen erschließt sich freilich nicht in der Abstraktion und Neutralität einer Vorlesung, sondern im politischen Diskurs. Die Klagen gegen die Euro-Krisen-Politik haben wertvolle Debatten eröffnet. Gerade die Einheit und Vollständigkeit des Budgets erweisen sich als Herausforderung für die Politik. Denn diese versucht gerne, ihre Handlungsspielräume dadurch zu erhöhen, dass Sachverhalte nicht so transparent wie möglich gehalten und gezielt Sonderlösungen außerhalb des Budgets bewirtschaftet werden.

Dies kann man in der Energiepolitik besonders gut beobachten. Hier wurde mit dem Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) im Jahr 2000 eine Anreiz- und Förderkulisse für Strom aus regenerativen Quellen gebaut, die so weder zukunftsfähig noch europatauglich ist. Im Jahr 2013 werden durch die zur Finanzierung eingeführte EEG-Umlage rund 20Milliarden Euro mobilisiert, also deutlich mehr Geld, als in den Etats für Bildung und Forschung sowie für Wirtschaft und Technologie zusammen verfügbar ist. Anstatt in der Breite und technologieoffen Innovationen zu fördern, werden umfangreiche Mittel für bestimmte Technologien in einem Kontext gebunden.

Als Begründung für eine Umlage außerhalb des Bundeshaushalts mag seinerzeit die Überlegung gedient haben, dass die Einspeisevergütung laufend an die Kostensenkung für den Ökostrom anzupassen ist und so nur ein temporär nutzbares Instrument darstellt, das sich selbst abschafft. Indes: Nur weil eine Ausgabenkategorie nicht auf Dauer angelegt ist, rechtfertigt dies noch keinen Sonderhaushalt. Die Finanzierung außerhalb des Budgets entlässt die Förderung des Ökostroms aus der Verwendungskonkurrenz um Steuermittel und befreit sie vom jährlichen Rechtfertigungsdruck im Prozess parlamentarischer Prioritätensetzung. Das war schon beim Kohlepfennig der Fall, den das Bundesverfassungsgericht 1994 für verfassungswidrig erklärte, da er eine Allgemeinheit von Stromkunden belaste, die keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für Steinkohle aus Deutschland habe. Er musste seitdem aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.

Die Flucht aus dem Budget hat bedenkliche Folgen. Es entstehen Verteilungswirkungen, die sich nicht an der hier einschlägigen Norm der Steuerpolitik und der Transferpolitik orientieren. Die hohe verteilungspolitische Sensibilität der Parteien scheint nicht wirklich so weit zu tragen, wie es die ideologische Emphase ihrer Matadore vorgibt. Während die untersten zehn Prozent der Einkommen gut 1,3 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die EEG-Umlage aufwenden, liegt dieser Anteil bei den obersten zehn Prozent der Haushalte nur leicht über 0,2 Prozent. Mit steigender Umlage gewinnt diese verquere und inkonsistente Verteilungswirkung weiter an Bedeutung. Anstatt an den Ursachen anzusetzen wird eine Debatte über Sozialtarife entfacht, die zu weiteren Fehlsteuerungen führen müssen. So produziert ein Fehler den nächsten.

Hinzu kommt, dass ein quantitativ so erheblicher Nebenhaushalt dazu verleitet, neue Fördertatbestände außerhalb des Haushalts vermeintlich unmerklich zu etablieren. So wurden 2011 die Ausnahmen von der Umlage aus verkehrspolitischen Gründen um den Schienenverkehr erweitert. Das ist sachfremd und es desavouiert die mit dem Argument der internationalen Wettbewerbsfähigkeit legitimierten Ausnahmen der Industrie. All dies zusammen macht klar: Der simple Grundsatz der Einheit und der Vollständigkeit des Budgets bietet ein angemessenes Referenzsystem für die Haushaltsgestaltung in der Demokratie.

Für die EEG-Umlage führt das zu der Folgerung, diese in den Bundeshaushalt zu integrieren. Eine verteilungspolitisch angemessene Lösung wäre die Erhöhung des Solidaritätszuschlags von 5,5 auf 12,5 Prozent. Diese Finanzierung folgt dem Prinzip der Leistungsfähigkeit, wie es im Tarif der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer konkretisiert ist, und sie kann im Sachzusammenhang der Einspeisevergütung angepasst werden. Die Förderung des Ökostroms wäre damit dem jährlichen parlamentarischen Verfahren unterworfen. Der Druck auf eine effiziente Lösung im Zuge der Energiewende würde stark zunehmen. Gerade auch für den empfehlenswerten Übergang auf ein Quotenmodell für Ökostrom wäre dies sinnvoll, um die bereits zugesagte Förderung finanzieren zu können.

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