1. Home
  2. Presse
  3. In den Medien
  4. Konjunktur stützen ja, aber wie?
Zeige Bild in Lightbox
(© Foto: Getty Images)
Michael Hüther im Handelsblatt Gastbeitrag 2. Juni 2020

Konjunktur stützen ja, aber wie?

Wir brauchen jetzt ein zeitlich befristetes, aber kräftiges Konjunkturpaket. Ein solcher Impuls hat immer Streuverluste, aber das ist das geringste Problem, schreibt IW-Direktor Michael Hüther in der Kolumne „Coronomics” für das Handelsblatt.

Die Bundesregierung ringt um ein Konjunkturpaket. Orientierung sollte der gesamtwirtschaftliche Befund geben. Der Absturz der Konjunktur ist heftig, Geschäftsklima und andere Indikatoren signalisieren indes, dass der Boden erreicht ist. Angebotsseitige Belastungen haben bei den Vorleistungsbezügen und dem Einsatz der Beschäftigten abgenommen, wirken aber weiter.

Die Unternehmen werden noch länger unter Produktivitätsverlusten leiden. Schwerwiegender werden jetzt die Nachfrageprobleme. Es fehlt Umsatz aus vielen Auslandsmärkten. Dazu werden im zweiten Halbjahr 2020 Belastungen der Binnennachfrage hinzukommen, wenn das Ausmaß der Arbeitsplatzverluste greifbar wird. Der Pessimismus grassiert.

Wenn die Erwartungen so stark wie derzeit in den Keller gehen und wenn gleichzeitig die Unterauslastung gesamtwirtschaftlich gravierend bleibt, dann spricht – auch forschungsbasiert – viel für eine gezielte Gegensteuerung. Jetzt ist die Zeit, offen bleibt wie. Erstaunlicherweise sind viele, die bei jedem kleinen Konjunkturschwung ein Paket fordern, nun eher sprachlos und warnen vor möglichen Nebeneffekten.

Konjunkturpolitik soll zielgenau und möglichst mit großem Hebel wirken, sie soll zeitgerecht, vor allem aber befristet sein. Es geht um die Stärkung des Inlandskonsums. Kritisiert werden deshalb die unweigerlich eintretenden Sickerverluste durch erhöhte Importe.

Das kann man als europäischen Impuls allerdings sogar hinnehmen, vor allem dort, wo es um europäische Wertschöpfungsverbünde geht. Die Kritik, es würde nur ein Strohfeuer entzündet, geht an der Sache vorbei, weil genau das die Funktion der Konjunkturpolitik ist: einmaliger Impuls, der – um im Bild zu bleiben - alle wieder wärmt und agil macht. Da reichen manchmal Vorzieheffekte.

Konjunkturpolitik ist keine Strukturpolitik. Den – zwingend befristeten – konjunkturellen Impuls mit anderen Zielen zu überfrachten verwässert den Instrumenteneinsatz und verringert den Wirkungsgrad. Ohnehin fällt es nicht leicht, einigermaßen treffsichere Instrumente zu finden.

Es empfiehlt sich ein Bündel von Maßnahmen, um Haushalte mit hoher Konsumquote und geringer Liquidität zu treffen und den Kauf von Gütern mit großer volkswirtschaftlicher Wirkung anzuregen. Das soll Lieferketten mit hoher Innovationskraft stabilisieren und die Kaskade von Zusammenbrüchen vermeiden.

Dafür bietet sich dieses Paket an: eine befristete Absenkung des allgemeinen Mehrwertsteuer-Satzes sowie der EEG-Umlage, ein einmaliger Zuschuss zum Kindergeld und eine betragsmäßig limitierte Ausweitung des Umweltbonus für alle Antriebsarten.

Die Autobranche ist nun mal Deutschlands Schlüsselbranche und Innovationsmotor. Das sollte durch steuerliche Maßnahmen – unter anderem Abschreibungen, Negativsteuer – und ein Investitionsprogramm umrahmt werden, um die Herausforderungen im Strukturwandel beschleunigt anzunehmen.

Ein konjunktureller Impuls hat immer Streuverluste, aber unter extremen Bedingungen liegt hier das geringste Problem. Es geht um ein kräftiges, kurzes Signal.

Zur Kolumnde auf handelsblatt.com

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Problem erkannt, Problem gebannt? Wirtschaftsminister Robert Habeck bei der Problemanalyse
Martin Beznoska / Tobias Hentze / Thomas Obst IW-Nachricht 20. März 2024

Wachstumschancengesetz: Investitionen fallen nur sechs Milliarden Euro höher aus

Am Freitag entscheidet der Bundesrat über das Wachstumschancengesetz. Die abgespeckte Version dürfte die Wirtschaft nur geringfügig ankurbeln. Bis Ende des Jahrzehnts werden inflationsbereinigt sechs Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen ausgelöst, ...

IW

Artikel lesen
Christian Rusche Pressemitteilung 14. März 2024

Direktinvestitionen: Hohe Abflüsse deuten auf Deindustrialisierung hin

So wenig wie lange nicht haben ausländische Unternehmen im vergangenen Jahr in Deutschland investiert, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Auch die deutschen Unternehmen expandieren lieber in der EU.

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880