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Michael Hüther in The European Gastbeitrag 25. August 2014

Keine Macht den Schulden

Die Krise in Europa ist noch lange nicht überstanden, schreibt IW-Direktor Michael Hüther im Magazin The European. Dahinter liegen vier schwerwiegende Probleme.

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt ist im 2. Quartal 2014 leicht geschrumpft, in der Eurozone stagnierte es. Verantwortlich dafür kann man die vielfältigen Verunsicherungen machen, die sich vor allem geopolitisch, aber auch im Nachgang der Staatsschuldenkrise zeigen. Politische Risiken wie die Ukrainekrise erweisen sich – wenn sie zeitlich und sachlich überschaubar bleiben – erfahrungsgemäß nicht als schwere Bürde wirtschaftlicher Dynamik.

Die Überwindung der Staatsschuldenkrise zeichnet sich weiterhin ab, zumindest weisen die Frühindikatoren in den Krisenstaaten seit einiger Zeit positive Vorzeichen auf. Insofern sollte nach Klärung der politischen Risiken die Konjunktur sich wieder aufhellen.

Bedenklicher ist: Es manifestieren sich immer deutlicher Wachstumszweifel, und zwar bei einer global schwachen bis mäßigen Investitionstätigkeit. Diese steht in einem auffälligen Kontrast zum sich aufhellenden Geschäftsklima der vorausgegangenen Quartale, zum Status im fortgeschrittenen Konjunkturzyklus und zum Nachholbedarf seit der Krise – all das gilt für die Industrieländer. Die globale Investitionsquote hingegen verharrt seit Beginn der Krise mit gut 21 Prozent der Weltwirtschaftsleistung auf dem niedrigsten Niveau seit 1970. Welche tieferliegenden Probleme lassen sich dafür anführen?

Erstens: Die Verschuldungslogik trägt nicht mehr. Die Finanz- und Wirtschafskrise wirkt substantiell nach, wenngleich der Produktionseinbruch wieder korrigiert wurde. Doch das zusammengebrochene Geschäftsmodell, das auf massiver Verschuldung der Staaten sowie der privaten Sektoren beruhte und eine besondere Dynamik der Finanzindustrie auslöste, hat bislang keinen Ersatz gefunden.

Zweitens: Die Finanzpolitik und die Geldpolitik sind unverändert im Krisenmodus. Die Staatsschulden haben bezogen auf die gesamtwirtschaftliche Leistung global ihren historischen Höchstwert erreicht, von einer Korrektur kann noch lange nicht gesprochen werden. Die Geldpolitik agiert mit einem Mix preislicher und quantitativer Instrumente weltweit sehr expansiv, was sich in der Bilanz der Noten-banken ebenso dokumentiert wie durch die Niedrigzinsen. Beide Politikbereiche signalisieren, dass wir in den entwickelten Ökonomien weit von einem Normalzustand entfernt sind.

Drittens: Auch die Schwellenländer schwächeln. Die rasanten Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte haben Spannungen in den internationalen Institu-tionen verursacht, denn diese wurden nicht in gleicher Weise angepasst und weiter-entwickelt. So lösen die Schwellenländer – beispielhaft die BRICS-Staaten – nicht mehr so wie zuvor Phantasie aus, wenn es um die Frage geht, wo die großen Investi-tionsopportunitäten zu finden sind. Die Risiko-Weltkarte hat sich verändert.

Viertens: Keine Basisinnovation löst derzeit große Investitionsschübe aus. Zwar wird allenthalben über Industrie 4.0 diskutiert. Tatsächlich befindet sich diese Entwicklung erst im Anfangsstadium, und oft ist eher ein Abwarten zu beobachten als ein kräftiges Voranschreiten durch große Investitionsbudgets. Nicht selten erfordern letztere strategische Allianzen.

Diese Hinweise begründen nicht vollständig die unbefriedigende Investitionstätigkeit. Doch sie machen deutlich, dass es mit einfachen Erklärungen nicht getan ist. Und damit ist zugleich einfachen Rezepturen der Boden entzogen.

Im Grundsatz gilt: Der Staat muss die Investitionsbedingungen verbessern und dafür seine Handlungsfähigkeit auf der volkswirtschaftlichen Angebotsseite beweisen. Das verbietet es, die Schuldenbremse aufzugeben und eine zusätzliche Welle der Kreditaufnahme in Gang zu setzen. Hier ist Erwartungstreue gefordert. Gegen die Forderung nach höherer öffentlicher Verschuldung steht die Erkenntnis, dass dies die Investitionsbedingungen nicht verbessert, wenn es mit Verlust an Glaubwür-digkeit und an mittelfristiger Handlungsfähigkeit erkauft wird. Unabhängig davon würde mit Staatskrediten keine der genannten Ursachen angemessen adressiert werden.

Natürlich haben wir in Deutschland einen Bedarf an zusätzlichen Ausgaben für die öffentliche Infrastruktur – nach Berechnungen des IW Köln 12 Mrd. Euro pro Jahr auf 10 Jahre für Verkehr, Energie und Digitalisierung. Doch muss man dafür angesichts der starken Steuereinnahmen nicht die Kredite erhöhen, es reicht eine begrenzte Umschichtung in den öffentlichen Ausgaben.

Auch wäre mit einem höheren Staatsdefizit kaum auszugleichen, was durch die Energiewende an Belastungen für die deutsche Industrie zu erwarten ist. So beobachten wir bereits seit der Jahrtausendwende, dass die energieintensiven Branchen ihren Kapitalstock nicht erhalten. Das hat auch für die nicht-energieintensiven Branchen über Netzwerke und Vorleistungsverflechtungen Folgen.

Bedeutsam ist dagegen der Kompromiss von Bund und Ländern zu Hochschulfinanzierung, BAFöG und dem Kooperationsverbot des Grundgesetzes. Denn damit wird durch höhere Humankapitalinvestitionen auch eine Antwort auf den demografischen Wandel gegeben. Wichtig wäre es zudem, die Perspektive der längeren Erwerbstätigkeit im längeren Leben wieder verlässlich zu machen und die Zuwanderung weiter zu fördern. Damit würde sichergestellt, dass der Standort Deutschland trotz Alterung hochattraktiv bleibt.

Alles in allem bleibt es dabei: Als Teil einer angebotsorientierten Strategie ist die Haushaltskonsolidierung unverändert richtig.

Zum Gastbeitrag auf theeuropean.de

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