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(© Foto: artJazz/iStock)
Michael Hüther im Handelsblatt Gastbeitrag 17. März 2017

Kapitalismus wird von Menschen gemacht

Der allerorten erstarkende Populismus richtet sich gegen ein Weltwirtschaftssystem, das von vermeintlich dunklen Mächten gesteuert wird. Michael Hüther würdigt das Buch von Hans-Jürgen Jakobs als aufklärerisches Gegengift.

Folgt man den aktuellen Debatten zur ökonomischen Globalisierung, so könnte man den Eindruck bekommen, dass es dabei nur um den Warenhandel ginge. Die Attacken von US-Präsident Donald Trump und seinen ökonomischen Hilfstruppen befördern diese einseitige und unterkomplexe Sicht. Dabei lässt sich gut argumentieren, dass die Kapitalbilanz - bei freiem Kapitalverkehr das Spiegelbild der Leistungsbilanz - wegen der längeren Fristigkeit der ihr zugrunde liegenden Transaktionen in Wahrheit dominiert und den Takt vorgibt.

Hier setzt das Buch "Wem gehört die Welt? Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus" von Hans-Jürgen Jakobs an. Dieses Werk, das auf dem Fleiß und der Akribie vieler Mitwirkender beruht, will Transparenz schaffen über die als Neokapitalismus etikettierten globalen Kapitalverflechtungen, und es will dem anonymen Kapital Gesichter geben sowie die Geschichten dazu erzählen. Macht ist eben nie anonym.

So wird man durch die Welt der Finanzmagnaten geführt, die letztlich die Verfügungsmacht über die global bedeutsamen Unternehmen ausüben. Damit betreten Personen die Bühne der Globalisierung, die man gewöhnlich nicht kennt, deren Einfluss aber weit reicht: Es sind die Gesichter der globalen Kapitalallokation.

Immer wieder trifft man im Laufe der Erzählung auf Larry Fink, CEO und Chairman von Blackrock, dem mit 4,9 Billionen Dollar größten Kapitaleigner und Investor der Welt. Er verhinderte im Mai 2012 den Umstieg von Josef Ackermann vom Vorstandschef zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank. Er versendet alljährlich Erinnerungsbriefe an die Chefs großer Unternehmen, um für eine langfristige Unternehmensstrategie zu werben und die Abkehr vom Quartalsdenken zu fordern. Die langfristige strategische Orientierung für die Unternehmen unterlegt mikroökonomisch die Dominanz der Kapitalbeziehungen - der Kapitalbilanz - für die globalisierte Ökonomie.

Porträts schaffen Transparenz Larry Fink und all die anderen porträtierten "Treuhänder" ihrer Kapitalgeber sitzen an den entscheidenden Hebeln, um die börsen- und nichtbörsennotierten Unternehmen der Welt auf Spur zu halten, damit das eingesetzte Kapital seine als angemessen bewertete Verzinsung erhält. Der Gewinn an Transparenz durch diese Darstellung und Analyse ist groß. Er wäre noch größer, wenn die Schattenkräfte hinter den Schattenbanken einbezogen würden. Fink betont - kokettierend, aber nicht zu Unrecht - seine Treuhänderfunktion.

Doch wie steuert hier der Prinzipal seinen Agenten Fink? Der Verweis auf den Blackrock-Mitbegründer Rob Kapito lässt dies allenfalls erahnen. Hier wäre mehr denkbar. Denn am Ende steuert der souveräne Anleger zusammen mit dem - mitunter identischen - souveränen Konsumenten das marktwirtschaftliche System, wenngleich Institutionen nicht nur deren Interessen bündeln, sondern gegebenenfalls auch lenken. Der Hinweis, "die größte Lüge in diesem System ist die Geschichte vom 'Streubesitz'", ist zwar zutreffend, lässt aber gleichwohl vieles offen.

Wer sich einem solch ambitionierten Projekt unterzieht, die globale Kapitalallokation umfassend zu skizzieren sowie mit konkreten Geschichten zu bebildern, der muss sein Material klug ordnen, um es beherrschen zu können. Jakobs hat sich dafür entschieden, die Frage "Wem gehört die Welt?" entlang zweier unterschiedlicher Perspektiven zu bearbeiten: Zunächst geht es um "Das Kapital und seine Macher", sodann um "Das Kapital und seine Märkte". Diese Struktur überzeugt, weil sie die Frage nach der Herkunft und den Akteuren mit der nach der Verwendung in konkreten Geschäftsmodellen und Märkten verbindet. Und es ermöglicht dem Nutzer eine gezielte und konzentrierte Lektüre.

Großinvestoren und bunte Gruppen Die Akteure - Vermögensverwalter, Pensionskassen, Staatsfonds, Private Equity, Hedgefonds, Familien, Banken und Versicherungen - werden jeweils anhand der Kriterien "Nachhaltigkeit", "Unbestechlichkeit", Steuerehrlichkeit", "Humanität" und "Transparenz" bewertet. Die Zielmärkte des Kapitals umfassen: Automobile, Handel, Chemie Pharma, Freizeit Entertainment, Energie Rohstoffe, Konsumgüter, Industrie, Hightech und Logistik. Diese Geschichten vom anderen Ende der Kapitalallokation machen deutlich, in welchem kulturellen und personellen Umfeld sich die verschiedenen Investoren wiederfinden sowie mit welchen - durchaus bunten - Gruppen wie dem "Verein von Belegschaftsaktionären der Siemens AG" sie sich zu arrangieren haben.

Ein interessanter Fall in dem Geflecht ist die Deutsche Bank, die man unter den Machern findet, die man aber - zumal nach dem Intro mit Larry Fink und Joe Ackermann - ebenso in den Märkten hätte platzieren können. Das hätte freilich die Komplexität durch Dreidimensionalität erhöht und die Transparenz gemindert. Gleichwohl gilt natürlich gerade für Banken und Versicherungen, dass sie am Kapitalmarkt agieren und selbst von dort gesteuert werden.

Besonders spannend ist der verschiedentlich angesprochene Bruch mit der traditionellen Welt, der sich mit den Schattenbanken, insbesondere Hedgefonds, Private Equity, Vermögensverwaltern, verbindet. Diese haben wie im Buch skizziert große Durchwirkung auf Unternehmen und Märkte, allerdings konzentriert sich die Finanzmarktregulierung unbeirrt - fast möchte man sagen: umso beharrlicher - auf die traditionellen Banken. Von der Forderung, die auf der Weltwirtschaftskonferenz im November 2008 formuliert wurde und die darauf zielte, alle Finanzakteure, Instrumente und Märkte gleichermaßen zu regulieren, ist nicht viel geblieben: "Der blinde Fleck des Neokapitalismus".

Das Buch wird abgerundet durch ein Kapitel, das die Vogelperspektive über die vielen kleinen Geschichten einnimmt und gekonnt die großen Zusammenhänge der "Finanzialisierung des Wirtschaftssystems" über dynamisches Finanzvermögen und treibende Verbindlichkeiten entwickelt. Hilfreich sind dabei die instruktiven Grafiken (mit Ausnahme des Vergleichs von Weltfinanzvermögen und Bruttoinlandsprodukt, hier wird eine Bestandsgröße mit einer Stromgröße verglichen). Die Blockbildung auf Investorenseite, die damit verbundene Risikokonzentration mit der Gefahr des "investor's run" sowie die Wettbewerbsverzerrungen durch das "enge Oligopol der privaten Finanzwirtschaft" werden thematisiert und so die Schattenseiten der Schattenbankenökonomie ausgemalt. Bei den "aktivistischen Aktionären" werden die kritischen Wirkungen ebenso beleuchtet wie die verständlichen Gründe ihrer Strategien, die Bräsigkeit früherer Vorstände.

Mit dem Satz "Der Neokapitalismus ist in einer Legitimationskrise" endet der Ausflug in die Machtstrukturen der Weltwirtschaft. Die These überzeugt, aber weniger wegen der sehr unterschiedlichen Verteilungsfolgen - zwischen Volkswirtschaften, in Volkswirtschaften je nach Entwicklungsniveau und Struktur der Angebotsseite - , sondern vielmehr wegen des von den Menschen erlebten Kontrollverlustes. Ein Treiber dafür war die Finanzkrise, ein anderer ist dieses globale Netz der Kapitalallokation.

Diese flexiblen, immer wieder neu sich bildenden Netzwerke bedrohen Hierarchien - Unternehmen zuerst, aber ebenso Staaten, und zwar auf höchst intransparente Weise. Die Fernwirkungen der Entscheidungen, die bei den großen Investoren getroffen werden, sind oft für viele Menschen weltweit zu spüren, aber in ihren Ursachen weder zu erkennen noch zu verstehen. Die Unwucht zugunsten der Schattenbanken kommt dabei besonders zum Tragen. Das Versäumnis einer im Vergleich zu den Banken angemessenen Regulierung wird dadurch evident, die Remedur dringend. Dem durch Transparenz umfassend vorzuarbeiten ist das große Verdienst dieses Buches.

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