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(© Foto: narkorn/iStock)
Michael Hüther auf Zeit Online Gastbeitrag 17. November 2016

Jobs, Jobs, und horrende Schulden

Dem Freihandel stehen schwere Zeiten bevor, schreibt IW-Direktor Michael Hüther in einem Gastbeitrag auf Zeit Online. Donald Trumps Idee das "Amerika First" könnte das Ende von TTIP bedeuten. Für die Exportnation Deutschland sind das keine guten Aussichten.

Donald Trump ist der Überraschungsgast auf der weltpolitischen Bühne des Jahres 2016. Noch nie war ein künftiger Präsident so schwer einzuschätzen, Skript und Regiebuch müssen noch geschrieben werden – auch wenn er im Wahlkampf vor allem einiges zur Stärkung der Wirtschaft angekündigt hat. Ein Mann außerhalb des politischen Systems, mit schillernder Unternehmerbiografie und keinem guten Leumund, der im Wahlkampf durch schlechtes Benehmen, unkontrolliertes Reden und krude Vorschläge aufgefallen ist. Was kann man vor dieser Szenerie plausibel für die US-Wirtschaft erwarten?

Bedeutsam sind neben den kargen Informationen über die wirklichen Absichten des 45. Präsidenten die tatsächlichen ökonomischen Probleme in den Vereinigten Staaten. Trump hat sich erfolgreich zum Sprachrohr jener Menschen gemacht, die zwar nicht selbst ökonomisch abgehängt sind, sich aber spürbar dadurch bedroht fühlen und in ihrem Lebensumfeld eine Erosion der ökonomischen Möglichkeiten erlebt haben.

Industrie hat an Bedeutung verloren

Tatsächlich hat die seit 1990 intensivierte Globalisierung zu einem beachtlichen Verlust industrieller Wertschöpfung und Beschäftigung in den USA geführt. Trotz einer gelungenen Bewältigung der früher erheblichen Produktivitätsdefizite und Qualitätsmängel hat die Industrie in den vergangenen 25 Jahren weiterhin und ungebremst an Bedeutung verloren. Es fehlt den Industrieunternehmen an einer wirksamen Einbindung in Netzwerke und Cluster (Ökosysteme), sie sind auf sich allein verwiesen (Stand alone-Firmen). Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Wettbewerb, weil die erforderliche Flexibilität fehlt.

Nun mag sich mancher wundern, der die eindrucksvollen Berichte über das Silicon Valley und dessen Führungsrolle in der digitalen Transformation vernimmt. Es ist zweifellos beachtlich, was dort an digitalen Innovationen hervorgebracht wird und an vernetzten Geschäftsmodellen entsteht. Indes: Es gibt keine Durchwirkungen auf die Breite und Tiefe der amerikanischen Volkswirtschaft. Weder sickert die Vermögensbildung sukzessive in andere Gesellschaftsschichten über ökonomische Partizipationsmuster durch, noch ergeben sich spürbare Effekte für den Strukturwandel in anderen Regionen der USA.

Die Bay Area ist in ähnlicher Weise als Blase zu begreifen wie die Metropolregion New York im Bezug auf die Finanzwirtschaft. Es sind starke ökonomische Kraftzentren der USA, aber sie sind so national isoliert wie global höchst vernetzt. Beide Wirtschaftsregionen sind sowohl füreinander als auch für das übrige Amerika genauso fremd, speziell und außergewöhnlich wie das aus europäischer Perspektive erscheint.

Sie stehen damit in besonderer Weise für das zweite ökonomische Problem, das sich hinter dem ersten – der Deindustrialisierung – verbirgt: die regionale ökonomische Differenzierung bis hin zur Spaltung. Die bildet sich in einer erheblichen Varianz der Bruttoeinkommen pro Kopf und in einer stark unterschiedlichen Ungleichverteilung der Einkommen zwischen den Bundesstaaten der USA ab. So befindet sich hinter den eigentlich guten Makrodaten – insbesondere die mit fünf Prozent sehr niedrige Arbeitslosenquote – ein deutlich problematischerer Befund.

Trumps Antwort im Wahlkampf folgt der für viele Betroffene eingängigen Idee, die Quelle des Desasters liege bei den ausländischen Arbeitskräften und Produkten, weshalb denen künftig durch Abschottung und Isolation zu begegnen sei. Nun kennt die Wirtschaftsgeschichte kein Beispiel, in dem durch eine solche Strategie neue Wachstumsdynamik oder gar eine Reindustrialisierung eingeleitet wurde.

Staatsdefizit könnte explodieren

Die Probleme der US-Unternehmen haben mit einer strukturell mangelnden Wettbewerbsfähigkeit zu tun. Die passende Antwort liegt in der Vernetzung, der Flexibilität, der Innovationsfähigkeit und der Verfügbarkeit gut ausgebildeter Facharbeiter. Das erfordert eine umfassende Standortpolitik bei großer Offenheit gegenüber Impulsen von außen.

Ein wichtiger Baustein wäre eine berufliche Ausbildung, die mit hoher gesellschaftlicher Wertschätzung einhergeht. Das US-Bildungssystem beruht im Grunde auf der einseitigen Prämierung der Hochschullaufbahn, über die vielen staatlichen und privaten Hochschulen mit sehr unterschiedlicher Qualität. Die Community Colleges schließen nicht die Lücke zur Berufsausbildung und die bestehenden Ausbildungen sind technisch nicht auf der Höhe der Zeit und eher ein Angebot für problembehaftete Randgruppen. Hier läge ein zentrales Betätigungsfeld für die neue Administration.

Angesichts von Trumps "Amerika First"-Orientierung ist darauf aber kaum zu hoffen. Angekündigt ist dagegen ein großes Infrastrukturprogramm, das zusammen mit Steuersenkungen für hohe Einkommen vor allem das Staatsdefizit explodieren lassen dürfte. Infrastrukturprogramme müssen, um wirksam zu sein, sehr genau auf die Bedürfnisse im Strukturwandel ausgerichtet sein. Das ist aber nicht zu erkennen, weil eine ehrliche Analyse die Ursachen des Desasters verlangt. Abschottung aber beruht immer auf Ignoranz.

Für den Freihandel stehen damit keine guten Zeiten bevor. In den vergangenen Jahren seit der großen Wirtschaftskrise haben sich ohnehin die protektionistischen Interventionen verstärkt. Trump wird bei diesem Thema sicherlich nicht schnell von seinen bisherigen Äußerungen abrücken. Hier hat er Aktion versprochen, hier kann er seiner "Amerika First"-Propaganda sichtbar Taten folgen lassen. Das bedeutet zum einen, dass die Freihandelsabkommen mit der EU (TTIP) und mit den pazifischen Staaten (TPP) keine Zukunft haben werden oder nur in einer Variante, die die jeweiligen Vertragspartner wegen der Einseitigkeit nicht werden akzeptieren können.

Für Deutschland als Exportnation sind das bedenkliche Aussichten: Die USA sind seit 2015 das Zielland Nr. 1 für die deutschen Ausfuhren. Hinzu kommt aber, dass neben den direkten Effekten Handelsbeschränkungen fortbestehen werden, die ihre Wirkungen auf eine ohnehin geschwächte US-Ökonomie haben werden. Hinzu kommt auch, dass das Silicon Valley unter einer restriktiven Einwanderungspolitik und möglicherweise schwächeren Auslandsinvestitionen (infolge erhöhter Standortunsicherheit) leiden dürfte.

Für Europa erhöht das immerhin den Druck, selbst wieder zu einer gemeinsamen Perspektive zu finden. Die Verteidigungsgemeinschaft der Bratislava-Roadmap ist nicht nur politisch wichtig, sondern auch ökonomisch gut begründet. Mehr Verantwortung heißt auch mehr Selbstbewusstsein. Das kann angesichts der Idee Trumps, die Nato zu schwächen, sehr wichtig werden.

Zum Gastbeitrag auf zeit.de

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