Der Grexit auf Zeit könnte Vorteile haben, meint IW-Direktor Michael Hüther. Doch vor allem verschleiert die Schäuble-Idee, worum es wirklich geht: Um den Austritt Griechenlands. Ein Gastkommentar auf handelsblatt.com.
Die Grexit-Illusion
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Verhandlung über ein mögliches drittes Hilfspaket für Griechenland mit dem Vorschlag gewürzt, Griechenland solle für (mindestens) fünf Jahre aus dem Euro ausscheiden, um sich nachhaltig haushaltspolitisch zu sanieren und ökonomisch neu aufzustellen. Der große Vorteil läge darin, durch eine neue eigene Währung über eine anfänglich massive Abwertung die notwendigen Preisanpassungen schlagartig herbeiführen zu können.
Zu dem Zeitgewinn kommt hinzu, dass damit schwierige und konfliktreiche interne Anpassungen unterbleiben können. Denn die ansonsten erforderliche reale Abwertung verlangt Lohnkürzungen. Diese hat es freilich bereits in erheblichem Ausmaß gegeben, allerdings blieben die Preissenkungen auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten weit dahinter zurück, was an der unverändert geringen Wettbewerbsintensität infolge hoher Produktmarkregulierungen und rigider Marktzugangsbedingungen liegt.
Preissenkungen verbessern die Exportchancen der heimischen griechischen Wirtschaft, zu dem wird die private Nachfrage in Griechenland von dann sehr teuren Importgütern auf heimische Produktion umgelenkt. Freilich ist es bereits in den vergangenen Jahren infolge geringerer Einkommen zu einer Verringerung der Importe auf das Lebensnotwendige gekommen, außerdem ist die selbst in der Industrie kleinteilige Produktion auf wenig innovative Sektoren konzentriert. Da helfen Preisvorteile bei weitem nicht allein, um zu neuem Wachstum zu gelangen.
Aber selbst wenn man diese Vorteile mal so nimmt, dann müssen sie die Nachteile kompensieren, um einen befristeten Austritt aus dem Euro attraktiv zu machen. Die wichtigen Energierohstoffe müssen weiterhin importiert werden, ebenso jene Güter des verarbeitenden Gewerbes, die gebraucht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Betriebe nachhaltig zu verbessern oder auch nur, um die bestehenden Apparaturen funktionsfähig zu halten. Wer kann dann die Importe zahlen? Angesichts des bereits reduzierten Einkommens und der schwachen Unternehmensgewinne, gerade im KMU-Bereich, löst dies gewaltige Verteilungskonflikte aus.
Vor allem aber: Was passiert mit den Auslandsschulden der Griechen? Unproblematisch sind die Verpflichtungen bei den europäischen Gläubigern, denn dafür beginnt nach den Regelungen vom November 2012 erst nach 2020 die Tilgung, während die Zinsen für das eine Paket auf zehn Jahre gestundet wurden. Der Zinssatz wurde generell abgesenkt, auf Euribor plus 0,5 Prozentpunkte. Schwierig wird es mit den Verpflichtungen gegenüber IWF und Europäischer Zentralbank. Angesichts der deutlichen Abwertung der neuen Währung dürfte es Griechenland sehr schwer fallen, diese Schulden zu bedienen. Ein Land, das international seine Verpflichtungen fünf Jahre nicht erfüllen konnte, wird kaum in den Euro zurückkehren können.
So wird deutlich: Die Rückkehr per Termin ist das eigentliche Problem des Schäuble-Vorschlags, denn sie ist nicht glaubwürdig. Zum einen gilt dies wegen der Auslandsschulden bei internationalen Institutionen; zur Lösung dieses Problems steht der ESM aber nicht zur Verfügung, da er nur für Mitglieder der Eurozone gilt. Zum anderen gilt dies wegen der jeder-zeit schwierigen Einschätzung darüber, ob Griechenland nach fünf Jahren nun wirklich fit ist. Und was passiert, wenn dies nicht der Fall ist? Wird dann um drei oder fünf Jahre verlängert? Im Grunde verschiebt ein Austritt auf Zeit nur die heute notwendige Grundsatzentscheidung.
Deshalb sollte man die Maske vom Schäuble-Vorschlag nehmen und sagen, worum es eigentlich geht: um den Austritt Griechenlands. Das wird man aber überhaupt nur einigermaßen völkerrechtlich sauber hinbekommen, wenn man es grundsätzlich und nicht befristet macht. Ansonsten dürfte es schwer fallen, die völkerrechtlichen Optionen zu ziehen („schwere Vertragsverletzungen“ oder „schwere Störung der Geschäftsgrundlage“ gemäß „Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge“ 1969).
Wenn man schon den Grexit will, weil man ihn für die bessere Lösung und alle Unwägbarkeiten sowie alles Chaos, das zu erwarten ist, für beherrschbar hält, dann sollte man auf falsche Versprechungen durch Befristung verzichten. Der Vorschlag taugt so nicht.
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