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Michael Hüther in der Rheinischen Post Gastbeitrag 11. März 2019

„Aus ökonomischer Perspektive ist die Schuldenbremse fragwürdig”

Wir sind mitten in einem technologischen Sprung – nur wegen der Schuldenbremse dürfen wir den Anschluss keinesfalls verlieren, schreibt IW-Direktor Michael Hüther in einem Gastbeitrag in der Rheinischen Post.

Die Schuldenbremse ist ein pädagogisch wertvolles polit-ökonomisches Konzept, wenn man davon überzeugt ist, dass Parlamentarier nur kurzfristig denken können und in der Folge künftige Generationen zwangsläufig ausgebeutet werden. Dafür wird auf die scheinbar uferlose Neuverschuldung in der schlechten alten Zeit verwiesen. Allerdings haben in den zurückliegenden 50 Jahren Regierungen zur Haushaltssanierung wiederholt kräftig in die Ausgabenstrukturen eingegriffen. Verteilungskonflikte wurden dabei – anders als unter der neuen Regel – nicht gescheut. Und die Konsolidierung der letzten zehn Jahre resultierte vor allem aus den niedrigen Zinsausgaben und den beschäftigungsbedingt exorbitant hohen Steuereinnahmen und Sozialbeiträgen.

Aus ökonomischer Perspektive ist die Schuldenbremse jedoch fragwürdig. Liegt der langfristige Zins auf Staatsschuldtitel höher als die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts, kommt es zwar zu einer Umverteilung zulasten der künftigen Generation. Dennoch kann es sinnvoll und geboten sein, öffentliche Aufgaben durch Kredit zu finanzieren. Dann nämlich, wenn sie einen positiven Effekt auf den Wachstumspfad haben. Diese notwendigen staatlichen Investitionen alleinig aus dem Steuerhaushalt zu finanzieren, benachteiligt die heutige Generation.

In der Ökonomik spricht man von der „goldenen Regel“, staatliche Investitionen durch Kredit zu finanzieren. Für diese Regel spricht zusätzlich, dass das Zinsniveau nicht nur außerordentlich niedrig ist, sondern genauso unter der BIP-Zuwachsrate liegt. Aufgrund der demografischen Alterung wird das noch lange so bleiben; die Umverteilung zulasten künftiger Generationen entfällt. Und für öffentliche Investitionen zeigen die vorhandenen Studien einen positiven Wachstumseffekt.

Darauf verzichten wir derzeit in erheblichen Umfang, weil gebotene Investitionen in einer Verwendungskonkurrenz um die Steuereinnahmen insbesondere zum riesigen – und stetig wachsenden – Sozialhaushalt stehen. Das geht umso weniger auf, wenn die Sozialbeiträge bei 40 Prozent gedeckelt werden sollen, zumal bei unserer demografischen Alterung. Zudem muss mehr für Sicherheit ausgewendet werden. Wir sind mitten in einem technologischen Sprung – nur wegen der Schuldenbremse dürfen wir den Anschluss keinesfalls verlieren.

Zum Streitgespräch mit Lars Feld auf rp-online.de

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