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Michael Hüther Gastbeitrag 27. September 2007

Margarine und Mindestlöhne

In der Klimapolitik wird naturwissenschaftliches Wissen oft fahrlässig als Erkenntnis für die Ewigkeit gewertet.

Was haben Arbeitslosengeld 11, Biodiesel, Klimawandel, Margarine und Nettoreallöhne miteinander zu tun? Zugegeben, auf den ersten Blick wirkt die Liste etwas willkürlich. Nicht zwischen allen Begriffen lässt sich mit leichter Hand eine schlüssige Beziehung aufbauen. Dennoch, die Politik hat es geschafft.

Versuchen wir dies nachzuvollziehen, und beginnen wir mit dem Offensichtlichen: In dieser Woche wurde beklagt, dass die Kaufkraft der Nettolöhne je Arbeitnehmer in Deutschland heute nicht höher sei als vor zwanzig Jahren. Das Bundesarbeitsministerium hatte entsprechende Berechnungen vorgelegt und damit der Politik Argumente für höhere Lohnsteigerungen geliefert.

Doch stimmt der Befund überhaupt? Wir haben uns in diesen zwanzig Jahren viel zusätzlich geleistet: geringere Arbeitszeiten, mehr Teilzeit, eine umlagefinanzierte Pflegeversicherung, gewaltige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen und die Finanzierung der Wiedervereinigung über die Sozialhaushalte, vor allem die Bundesanstalt für Arbeit.

Allein seit 1991 ist die durchschnittliche Arbeitszeit um mehr als acht Prozent verkürzt worden. Auf die Stunde bezogen resultiert daraus insgesamt ein realer Lohnanstieg um mehr als vier Prozent. Auf die zwanzig Jahre bezogen ist es geradezu beachtlich, dass die Nettolöhne real konstant geblieben sind.

Alles hat nun einmal seinen Preis. Das gilt für höhere Sozialausgaben und mehr Freizeit ebenso wie für die Bekämpfung des Klimawandels. Das spricht grundsätzlich nicht gegen diese Ziele, wohl aber dafür, sich die Zusammenhänge klarzumachen.

Nicht selten gewinnt man aber den Eindruck, dass sich wohlmeinend gebende Menschen ihre Vorschläge ohne Verweis auf solche Nebenwirkungen vortragen. Gleichgültig, ob es sich um Absicht und damit um bösen Willen handelt oder nicht: Die Folgen sind fatal, wenn wir in unzureichender Kenntnis solcher Zusammenhänge entscheiden.

Dies gilt in besonderem Maß für die Klimapolitik. Da wird naturwissenschaftliches Wissen als Erkenntnis für die Ewigkeit und als Grundlage für weitreichende politische Beschlüsse für bestimmte Maßnahmen gewertet. Kritische Nachfrage ist unerwünscht.

Dabei rät die Skepsis - philosophisch als tugendhafte Mitte zwischen dem absoluten Wissen und dem absoluten Nichtwissen verortet - stets zur Vorsicht, wenn trotz differenzierter Diskussionen in der Fachdisziplin Ergebnisse und Wertungen mit Absolutheitsanspruch vorgetragen werden.

Eine aktuelle, an der Universität Mainz durchgeführte Studie hat die durchaus divergierenden Positionen deutscher Klimaforscher ermittelt. Die Schlussfolgerung lautet: Eine wissenschaftlich einwandfreie begründete Klimapolitik gibt es nicht: Die guten Gründe für den Klimaschutz erzwingen nicht bestimmte einzelne Instrumente. So bewertet die überwiegende Mehrheit der Klimaforscher Maßnahmen zur Verhinderung des und zur Anpassung an den Klimawandel als gleich wichtig. Die Politik hantiert indes unverdrossen mit dem Anspruch absoluten Wissens.

Offenkundig sind die Großkoalitionäre dankbar für ein profilierungsträchtiges Thema. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass Klarheit über die Kosten entsprechender Politikstrategien entsteht. Ebenfalls in dieser Woche wurde eine vom BDI in Auftrag gegebene Studie zu den Kosten der Vermeidung von Treibhausgasemissionen vorgestellt. Bei der Ermittlung der Kosten respektive Ersparnisse wurde die Unternehmenssicht zugrunde gelegt. Diese Informationen sind wertvoll und ein wichtiger Schritt zu weiteren Analysen. Letztlich müssen die volkswirtschaftlichen Kosten und Erträge bestimmt werden. Nur so werden Nebenwirkungen greifbar.

Solche Effekte beim Biodiesel haben jüngst die OECD dazu gebracht, die klimapolitisch motivierte Subventionierung von Biokraftstoffen - in der Bundesrepublik seit 2004 - abzulehnen. Die CO2-Minderung sei mit bestenfalls drei Prozent marginal, würde aber mit dramatisch steigenden Lebensmittelpreisen und der Zerstörung natürlicher Lebensräume einhergehen. Noch klagen wir nur über die Teuerung bei Butter und anderen Milchprodukten, doch bald werden auch die Preise für Margarine Anlass für öffentlich artikulierten Kummer sein. Die Förderung des Biodiesels hat den Markt für Pflanzenöle in seiner Struktur fundamental verändert. Familienunternehmen aus der Ernährungsbranche treffen nun auf Ölmultis.

Doch der Irrsinn endet hier nicht. Denn die Steigerung der Lebensmittelpreise befördert die laufenden Debatten um zu geringe, "sittenwidrige" Löhne einerseits und die Anhebung der Leistungssätze nach Hartz IV andererseits. Würde man dies tun und damit bei ansonsten unveränderten Regelungen die Ansprüche an den Sozialstaat ausweiten, würde sich die Anzahl der Aufstocker unweigerlich erhöhen. Das sind jene Personen, die zu ihrem Erwerbseinkommen ergänzend Arbeitslosengeld II erhalten, weil sonst das sozialrechtliche Existenzminimum unterschritten würde.

Man muss nicht lange überlegen, was der Politik als Nächstes einfällt. Natürlich Mindestlöhne. Denn es dürfe doch nicht sein, dass gute Arbeit nicht ausreiche, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Und wenn schon Unternehmen wie jüngst die Post AG mit dem Mindestlohn von 9,80 Euro je Arbeitsstunde eines westdeutschen Briefzustellers mutig voranschreiten würden, dann könne die Forderung so falsch nicht sein. Da droht noch viel, wenn die Klimapolitik die privaten Haushalte durchaus berechtigt weiter belastet - wie mit Vorgaben für die energetische Gebäudesanierung. Mindestlöhne und Klimapolitik ergänzen sich doch prächtig. Die sachlichen Verwicklungen werden durch moralische Anmaßung des Gutgemeinten überdeckt.

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