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Zeige Bild in Lightbox Mehr Gleichheit schafft nicht automatisch mehr Gerechtigkeit
(© Foto: Elnur - Fotolia)
Mara Ewers und Andrea Hammermann auf focus.de Gastbeitrag 20. Dezember 2013

Mehr Gleichheit schafft nicht automatisch mehr Gerechtigkeit

Die große Koalition will die Frauenquote und den Mindestlohn durchsetzen - koste es was es wolle, schreiben die IW-Ökonomen Mara Ewers und Andrea Hammermann auf focus.de. Dabei verkennt die Politik, dass staatliche Eingriffe oft das Gegenteil von dem auslösen, was sie bewirken sollen - das lässt sich sogar beweisen.

Dass Politiker ihre Gesetzesvorhaben häufig mit dem Streben nach mehr Gerechtigkeit argumentativ untermauern, hat in der Regel wenig mit Sachgründen, sondern viel mit Psychologie zu tun. Denn Ungerechtigkeiten abzubauen gehört zweifellos zu den ehrenwertesten Aufgaben des Sozialstaates und kommt beim Bürger gut an. Das Problem dabei: Was genau gerecht ist, darüber gehen die Meinungen zumeist weit auseinander. Ob die im Koalitionsvertrag beschlossenen Regelungen zu Frauenquote und Mindestlohn tatsächlich wie angekündigt für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sorgen werden, muss zunächst offen bleiben. Allerdings sind Zweifel angebracht. Denn Untersuchungen von Wirtschaftswissenschaftlern haben ergeben: Mehr Gleichheit schafft nicht automatisch mehr Gerechtigkeit.

Beispiel Frauenquote. Ein Laborexperiment zeigte, dass Mitglieder von Gruppen, bei denen einige Personen per Quote befördert wurden, weniger miteinander kooperierten und weniger Geld erwirtschafteten als Gruppen, in denen die Mitglieder wegen ihrer Leistung aufgestiegen waren. Interessanterweise fiel die Kooperationsbereitschaft sowohl bei den Nutznießern der Quote als auch bei den restlichen Gruppenmitgliedern deutlich geringer aus. Als Grund nannten die Teilnehmer, dass sie die Quotenregelung als ungerecht empfunden hätten. Übertragen auf die Frauenquote lässt sich schlussfolgern: Sie dürfte nicht nur bei vielen Männern auf Widerstand stoßen, sondern auch das Gerechtigkeitsempfinden von Frauen stören, die durch ihre Qualifikation und Leistung überzeugen wollen. Diesen dürfte auch klar sein, dass das Etikett „Quotenfrau“ den Frauen, die im Beruf stehen, auf lange Sicht mehr schadet als nützt.

Das zweite Beispiel betrifft den Mindestlohn. Von ihm erhofft sich die Große Koalition mehr Lohngerechtigkeit. Auch hierzu gibt es schon experimentelle Erfahrungen. Danach sank die Bereitschaft, zu Mindestlöhnen zu arbeiten, die vor der Einführung einer Lohnuntergrenze noch als akzeptabel galten. Die Folge waren generell steigende Lohnforderungen. Diese verharren selbst nach Abschaffung des Mindestlohns auf einem höheren Niveau als zuvor. Der Grund liegt darin, dass nicht nur der absolute Wert des Geldes, sondern auch das relative Verhältnis zu anderen Löhnen oder zu einer Lohnuntergrenze für die Betroffenen eine Rolle spielt. Den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde könnten viele Beschäftigte als ungerecht empfinden. Denn zum einen zählt man nun in den Augen aller zu den am schlechtesten bezahlten Beschäftigten. Zum anderen berührt die verordnete Lohngleichheit das Gerechtigkeitsgefühl, weil Löhne unterschiedliche Qualifikationen und Leistung nicht mehr ausreichend widerspiegeln.

Kein Zweifel: Unter Laborbedingungen fallen sinkende Kooperationsbereitschaft und steigender Anspruchslohn nicht ins Gewicht. In der Realität können sie aber ernste Konsequenzen haben. Diese reichen von weniger Hilfsbereitschaft gegenüber Quotenfrauen bis hin zu steigenden Personalkosten. Die Wiederherstellung des Status Quo durch Rücknahme von Frauenquote und Mindestlohn gelingt in der Regel nicht, auch wenn die Erfahrungen damit negativ sein sollten. Gerade weil die Uhr sich so schwer zurückdrehen lässt, sollte die Regierung bei ihren Reformvorhaben Augenmaß und Fingerspitzengefühl zeigen. Und sie sollte dabei die vorliegenden empirischen Erkenntnisse möglichst nicht ignorieren.

Zum Gastbeitrag auf focus.de

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