Die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus ist unstrittig. Fraglich ist aber dessen Höhe. Denn je besser die Rentner versorgt werden, desto stärker werden Beitragszahler und Finanzminister belastet, schreibt IW-Rentenexperte Jochen Pimpertz in einem Gastbeitrag auf Focus Online.
Rentenniveau bei 43 Prozent?: Scholz’ Pläne kosten Steuerzahler Milliarden
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat dafür votiert, das Rentenniveau über das Jahr 2025 hinaus festzuschreiben, verhinderten stabile Renten doch einen deutschen Trump. Gleichzeitig fordert er ein plausibles Finanzierungsmodell. Sollte dies nicht in der Großen Koalition umzusetzen sein, drohe ein Rentenwahlkampf. Das klingt gerade so, als ob der Rentenwahlkampf bereits begonnen hätte. Doch wie steht es um die Fakten?
Die geburtenstarken Jahrgänge sorgen für akuten Anpassungsbedarf
Zunächst ist die Forderung nach einer dauerhaften Untergrenze für das Rentenniveau unstrittig. Die Frage ist aber, in welcher Höhe? Die GroKo möchte das Sicherungsniveau bis zum Jahr 2025 auf 48 Prozent festschreiben und bewegt sich damit in dem Korridor der aktuellen Vorausberechnungen. Doch spätestens nach 2025 sorgt die Alterung der geburtenstarken Jahrgänge für akuten Anpassungsbedarf.
Dann muss nach aktuellen Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums das Rentenniveau zügig sinken, ab 2030 sogar unter die 45-Prozentmarke. Anderenfalls ließe sich der Beitragssatzanstieg nicht einmal auf die Höhe von fast 22 Prozent begrenzen. Notabene: Das Rentenniveau läge damit immer noch über dem bis 2030 gültigen Mindestniveau von 43 Prozent.
2030 gibt es eine Finanzierungslücke von 30 Milliarden Euro
Selbstverständlich führt ein höheres Rentenniveau zu höheren Finanzierungslasten – eine Milchmädchenrechnung. Angenommen, die derzeit gültige Beitragssatzobergrenze von 20 Prozent solle ebenfalls dauerhaft eingehalten werden, dann müsste nach IW-Berechnungen allein im Jahr 2030 eine Finanzierungslücke von fast 30 Milliarden Euro geschlossen werden.
Gäbe man den Schutz der Beitragszahler preis und wollte man das Loch über höhere Beitragssätze schließen, dann würde 22-Prozent-Marke noch vor Ende des nächsten Jahrzehnts übersprungen.
Menschen müssen länger arbeiten
Was wie die Quadratur des Kreises anmutet, birgt eine denkbar einfache Lösung: die Verlängerung des Erwerbslebens. Gelingt es, die Menschen länger erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt zu beschäftigen, besteht die Chance auf eine Stabilisierung des Beitragszahler-Rentner-Verhältnisses. Das sorgt für höhere Beitragseinnahmen, geringen Anpassungsdruck beim Beitragssatz und in der Folge auch für ein stabiles und höheres Rentenniveau.
Dabei verwirrt das Rentenniveau mehr als dass es Orientierung bietet. Es wird ohnehin nur für einen Standardrentner mit einer fiktiven Erwerbsbiografie berechnet. Im konkreten Einzelfall führt die Prozentzahl deshalb eher in die Irre, weil sich der Anspruch aus der eigenen Erwerbshistorie ableitet und die unterstellten 45 Beitragsjahre bei jeweils durchschnittlichem Verdienst nur in den allerseltensten Fällen tatsächlich zutreffen.
Alte Regelungen kollidieren mit neuen
Mehr noch, bislang werden bei der Berechnung des Rentenniveaus unverändert 45 Beitragsjahre unterstellt, obwohl der Gesetzgeber mit dem Übergang zur Rente mit 67 längst eine Verlängerung der Erwerbsphase anstrebt. Müsste dann nicht die Standardrente im Jahr 2030 für 47 statt 45 Beitragsjahre berechnet werden? Zwar bliebe ein langfristiges Absinken des Rentenniveaus unvermeidlich, es läge im Jahr 2030 aber eher bei 47 Prozent als bei den derzeit anvisierten 45 Prozent.
Zum Gastbeitrag auf Focus Online.
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