Damit der Lastenausgleich zwischen den Generationen besser gelingt, spricht sich IW-Rentenexperte Jochen Pimpertz in einem Gastbeitrag in der Fuldaer Zeitung für ein langfristig steigendes Renteneintrittsalter in Deutschland aus.
Rente mit 70 statt zu Lasten der Kinder
Die Rentenversicherung funktioniert wie eine Familie: Die Großeltern sind im Ruhestand, haben zwei berufstätige Kinder, die deren Renten finanzieren, und einen Enkel. Dreißig Jahre später sind die Eltern im Ruhestand. Ihr Kind muss dann alleine zwei Renten finanzieren, falls die Großeltern noch leben, sogar mehr. Übertrieben mag das Zahlenbeispiel erscheinen. Tatsächlich aber rechnen die Experten der „Kommission Verlässlicher Generationenvertrag“ bis Ende der 2030er Jahre mit gut 4 Millionen zusätzlichen Rentnern, aber rund 2,5 Millionen weniger Beitragszahlern – trotz Rente mit 67.
Deshalb droht der Beitragssatz bis 2040 auf gut 22 Prozent, bis 2060 sogar auf 23,6 Prozent zu steigen. Gleichzeitig sinkt das Rentenniveau von rund 48 auf unter 46 Prozent in 2040, danach weiter bis auf 44,4 Prozent. Dabei fallen die Werte im Vergleich zu anderen Studien noch günstig aus.
Je später aber der Renteneintritt, desto langsamer steigt die Rentnerzahl und desto leichter gelingt der Ausgleich zwischen den Generationen. Angenommen, die Altersgrenze stiege auf 70 bis Anfang der 2050er Jahre. Die hinzugewonnene Lebensspanne würde damit etwa im Verhältnis 2:1 auf Arbeitszeit und Rentenbezug verteilt. Der Beitragssatz läge dann ab Ende der 2030er Jahre dauerhaft bei 21,4 Prozent, das Sicherungsniveau bis Ende der 2050er Jahre aber bei gut 46 Prozent.
Es ist eben mehr als eine Binsenweisheit: Kinder, die nicht geboren werden, können morgen keine Beiträge zahlen. Gestaltbar ist deshalb nur die Aufteilung der Lasten zwischen den Generationen – das Rentenalter bietet dafür eine Stellschraube. Dahinter steht aber die eigentlich relevante Frage, was die Gesellschaft leisten muss, damit Menschen länger gesund am Arbeitsleben teilnehmen können.
Ob stattdessen Migration das Rentenproblem lösen kann, ist nicht nur eine Frage der gesellschaftlichen Bereitschaft, sondern auch, ob hinreichend viele qualifizierte Menschen den Weg nach Deutschland finden. Die Berechnungen gehen von einer Nettozuwanderung von 200.000 Menschen pro Jahr aus. Um den heutigen Altenquotient zu stabilisieren, bedürfte es eines Vielfachen.
Junge Beamte und Selbständige in die Rentenversicherung? Das könnte für zusätzliche Einnahmen sorgen – aber auch für mehr Ausgaben, sobald diese in den Ruhestand wechseln. In der Zwischenzeit muss der Staat weiterhin die bestehenden Pensionsansprüche finanzieren, zusätzlich aber noch die Arbeitgeberbeiträge für junge Staatsdiener. Das mag manchem gerecht erscheinen, nachhaltig wird es deshalb nicht.
Auch mit höheren Bundeszuschüssen lassen sich steigende Rentenausgaben nicht vermeiden. Nur müsste der Steuerzahler höhere Lasten schultern, oder dem Bund stünden weniger Mittel für andere Aufgaben zur Verfügung.
Es führt kein Weg daran vorbei: Wenn die Bürger länger leben, aber für wenig Nachwuchs sorgen, müssen sie länger arbeiten, bis sie Rente beziehen. Damit das gelingen kann, bedarf es Planungssicherheit für Bildungs- und Vorsorgeentscheidungen. Die demografische Realität auszublenden, hilft dabei nicht.
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