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Jochen Pimpertz in der Fuldaer Zeitung Gastbeitrag 8. März 2024

Rechnung mit vielen Unbekannten

IW-Rentenexperte Jochen Pimpertz mahnt in einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung, dass das von der Ampelregierung vorgestellte Rentenpaket II den jüngeren Arbeitnehmern Spielraum für eigenverantwortliche Vorsorge nimmt.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will das „Rentenniveau“ bis Ende der 2030er Jahre auf 48 Prozent festschreiben. Noch im Herbst rechnete die Bundesregierung damit, dass der Wert ab 2027 unter diese Marke sinkt – zum Beispiel bis zum Jahr 2035 auf 45,4 Prozent. Ruheständler könnten sich also freuen. Denn die Renten fallen künftig höher aus als bislang angenommen. Die Kinder- und Enkelgenerationen müssen dafür aber höhere Finanzierungslasten stemmen.

Denn die demografische Uhr tickt unaufhaltsam. Kommen heute auf 100 Beitragszahler 52 Rentner, sind es Mitte der 2030er Jahre bereits über 63. Tendenz steigend, auch weil an der „Rente mit 67“ nicht gerüttelt werden soll. Rechnete die Bundesregierung deshalb bislang mit einem Beitragssatzanstieg auf 21,1 Prozent im Jahr 2035, werden es mit höherem Sicherungsniveau wohl 22,3 Prozent. Heute zahlen Versicherte und Arbeitgeber 18,6 Prozent des Bruttoentgelts an die Rentenkasse.

Die Ampel verspricht eine für alle Generationen verlässliche Rente. Die soll besser vor Armutsrisiken im Alter schützen. Doch es geht wohl eher um Klientelpolitik. Denn die Entwicklung des „Rentenniveaus“ beschreibt, wie sich der Abstand einer fiktiven Standardrente zum Durchschnittsverdienst verändert. Wie hoch die eigene Rente ausfällt, das hängt dagegen von der Anzahl der Beitragsjahre und der Höhe des Verdienstes ab. Ob jemand als armutsgefährdet gilt, darüber entscheidet jedoch nicht nur die eigene Rente, sondern auch andere Einkommen, nicht zuletzt die Rente des Ehepartners. Von einem garantierten Sicherungsniveau profitieren aber alle.

Gekniffen sind vor allem jüngere Beitragszahler. Denn selbst mit dem Versprechen von 48 Prozent lässt sich der Lebensstandard im Alter kaum sichern. Notwendig ist und bleibt ergänzende Vorsorge. Ob Riester- oder Betriebsrente, Lebensversicherung oder Eigenheim – der Spielraum wird enger, wenn Beitragszahler bereits in 10 Jahren 20 Prozent mehr als heute an die Rentenkasse zahlen.

Richten soll es das Generationenkapital – aber erst ab 2036. Die Idee: Jährliche Erträge einer Kapitalanlage ersetzen Beitragseinnahmen in der Rentenkasse. Das ist aber eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Denn bislang existiert gar kein Vermögen. Dieses Jahr stellt der Bund erstmals ein Darlehen von gut 12 Milliarden Euro bereit. Diese Summe soll – jedes Jahr um 3 Prozent erhöht – auch in den Folgejahren fließen. Damit 2035 wie angekündigt rund 200 Milliarden Euro im Depot liegen, braucht es eine Rendite von rund 4 Prozent pro Jahr. 5 Prozent müssen es schon sein, wenn dann durchschnittlich 10 Milliarden Euro pro Jahr an die Rentenkasse fließen sollen – bei einem Beitragssatz von mindestens 22,3 Prozent.

Schön rechnen lässt sich das mit höheren Renditen. Aber der Vermögenswert muss erhalten werden. Das kostet Renditechancen. Und weil der Beitragssatz nach 2036 weiter steigt, braucht es noch mehr Kapital, um den Beitragssatz dauerhaft stabilisieren zu können. Von der Tilgung des Darlehens ist gar nicht die Rede. Ob sich aber eine neue Regierung nach 2025 verpflichten lässt, das Vermögen weiter aufzubauen, steht in den Sternen. Fehlen die Mittel oder werden andere Ziele priorisiert, bleibt die erhoffte Entlastung aus. Die Beitragszahler wären ein weiteres Mal gekniffen.

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