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(© Foto: iStock)
Jochen Pimpertz im INSM-Ökonomenblog Gastbeitrag 26. März 2020

Justierung bei demografischem Wandel: Eine Idee für die Gesetzliche Rentenversicherung

Wie beeinflusst die Demografie die Gesetzliche Rentenversicherung? Eine neue Studie zeigt, wie sich durch eine stärkere Gewichtung der demografischen Lasten Beitragssatz und Sicherungsniveau steuern lässt.

Die Corona-Pandemie überschattet derzeit alles und fordert nicht nur die politisch Handelnden, sondern alle Bürger in besonderem Maße. Da mag es fehl am Platze wirken, wenn zum Beispiel die Reformkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ dieser Tage ihren Abschlussbericht vorstellt. Doch werden die Fragen, mit denen sich die Kommissionsmitglieder im Auftrag der Bundesregierung befasst haben, über die aktuellen Ereignisse hinaus unsere Gesellschaft prägen. Denn von allen Faktoren, die unser wirtschaftliches und soziales Leben künftig beeinflussen, ist einer relativ sicher vorhersehbar: die Demografie.

Mit der Alterung der Bevölkerung steigen in der Gesetzlichen Rentenversicherung die Zahl der Ruheständler und damit die Rentenausgaben insgesamt – besonders rasch ab Mitte des Jahrzehnts, wenn die Mitglieder der geburtenstarken Jahrgänge dann nach und nach aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die Finanzierungslast verteilt sich aber auf weniger Schultern, weil die folgenden Jahrgänge aufgrund der niedrigen Geburtenraten der Vergangenheit weniger stark besetzt sind. Im Kern geht es also um eine generationengerechte Verteilung der zusätzlichen Finanzierungslasten, die aus der längeren Lebenserwartung, vor allem aber den niedrigen Geburtenraten der Vergangenheit resultieren. Grundsätzlich gibt es vier Stellschrauben, um in der umlagefinanzierten Rentenversicherung den Auswirkungen des demografischen Wandels Rechnung zu tragen:

  1. Entweder steigt der Beitragssatz, den die aktiven Versicherten zahlen müssen,
  2. und/oder das Sicherungsniveau der Gesetzlichen Rentenversicherung sinkt, auch
  3. eine Anhebung der Regelaltersgrenze kann dabei einen Beitrag leisten, den Anstieg des Rentnerquotienten zu verlangsamen und
  4. schließlich kann der Steuerzuschuss erhöht werden. Dieser Schritt würde aber einen Systembruch darstellen, werden die Zuweisungen aus dem Bundesetat doch bislang mit versicherungsfremden Leistungen begründet und eben nicht mit der Finanzierung beitragsbezogener Rentenansprüche.

Bislang hat die Bundesregierung eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze nach 2031 kategorisch ausgeklammert, auch wenn zum Beispiel der Generationencheck im Herbst 2019 deutlich gemacht hat, dass mit einer systematischen Verlängerung der Lebensarbeitszeit ein Beitrag geleistet werden kann, den Anstieg des Beitragssatzes sowie das Absinken des Sicherungsniveaus zu bremsen. Aber auch ohne diese Stellschraube bietet das bestehende Rentenrecht Möglichkeiten, die Verteilung der demografisch bedingten Zusatzlasten zu gestalten.

Im Mittelpunkt steht dabei die Rentenanpassungsformel. Zwei Parameter hat das IW jetzt dazu in seinem aktuellen Generationencheck im Auftrag der INSM genauer unter die Lupe genommen: die Standardrentnerbiografie und die Gewichtung des Nachhaltigkeitsfaktors. Beides sind technische Größen, die Einfluss auf die jährliche Rentenanpassung und damit auf die langfristige Entwicklung des Sicherungsniveaus haben. Das wiederum beeinflusst die Entwicklung des Beitragssatzes.

Bislang wird die Modellbiografie eines Standardrentners unverändert mit 45 Beitragsjahren und jeweils durchschnittlichen Verdiensten unterstellt, wenn es um die Berechnung des künftigen Sicherungsniveaus in der Gesetzlichen Rentenversicherung geht. Aus Gründen der Vergleichbarkeit mag das sinnvoll erscheinen. Aber diese Modellbiografie reflektiert nicht, dass der Gesetzgeber mit der Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre offenkundig eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit anstrebt. Deshalb müsste die Standardrentnerbiografie ab 2031 eigentlich um zwei Jahre auf dann 47 Beitragsjahre verlängert werden.

Zum anderen wird in der Rentenanpassungsformel zwar bereits heute der demografischen Entwicklung Rechnung getragen, genauer: der Veränderung der Anzahl fiktiver Standardrentner im Verhältnis zur Anzahl fiktiver Durchschnittsverdiener. Die Veränderung dieses Nachhaltigkeitsfaktors fließt bislang aber nur zu einem Viertel in die Berechnung der jährlichen Rentenanpassung ein.

Mit einer stärkeren Gewichtung lassen sich – in Kombination mit der angepassten Standardrentnerbiografie – die Entwicklung der Beitragssätze und des Sicherungsniveaus steuern und damit auch die Verteilung der demografisch bedingten Zusatzlasten in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Würde die Veränderung des Nachhaltigkeitsfaktors zum Beispiel künftig statt zu einem Viertel nun zu einem Drittel auf die jährliche Rentenanpassung durchwirken, läge der Beitragssatz im Jahr 2060 mit 22,6 Prozent um 1,1 Punkte unter dem Niveau, das sich bei unveränderter Rentenanpassungsformel einstellen würde. Gleichzeitig würde das Sicherungsniveau stärker sinken – statt auf 43,7 Prozent bis auf 43,1 Prozent im Jahr 2060. Das ursprünglich bis 2030 definierte Mindest-Leistungsversprechen der Gesetzlichen Rentenversicherung könnte also dauerhaft eingehalten werden.

Zur Klarstellung: Das bedeutet nicht, dass eine einmal festgestellte Rente gekürzt wird, davor schützt die gesetzliche Rentengarantie. Vielmehr bleibt die jährliche Rentenerhöhung etwas weiter hinter der Entwicklung der Durchschnittsentgelte zurück als nach geltendem Recht. Gleichzeitig gewinnen die aktiven Beitragszahler, die ohnehin künftig durch deutlich steigende Beitragssätze besonders gefordert werden, etwas Spielraum, um für ihre eigene Alterssicherung ergänzend vorsorgen zu können.

Bei dem Austarieren der Lastverteilung zwischen den Generationen können Ökonomen Zusammenhänge offenlegen und die Wirkungen einzelner Stellschrauben beschreiben. Die Entscheidung über die künftige Rentenpolitik ist aber vom Souverän und der demokratisch legitimierten Bundesregierung zu treffen. Dabei ist zu bedenken, dass eine nachhaltige Sicherung der umlagefinanzierten Alterssicherung nicht allein von der Höhe des Leistungsversprechens abhängt, sondern auch von der Zustimmung der zukünftig aktiven Beitragszahler.

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