Statt ein kurzfristiges Stopfen von Deckungslücken fordert Jochen Pimpertz, Leiter des Themenclusters Staat, Steuern, Soziale Sicherung im IW, die Beseitigung von Fehlanreizen in der Gesetzlichen Krankenversicherung in einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung.
Ausgabenwachstum bremsen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wurde vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bun-destages aufgefordert, bis Ende Mai Eckpunkte für eine nachhaltige und solidarische Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorzulegen. Insbesondere soll er dazu die Ausgaben-seite in den Blick nehmen. Doch in Berlin wurde bislang vor allem über eine Anhebung der Bei-tragsbemessungsgrenze diskutiert. Beworben wird dies – prominent von den Parteivorsitzenden von SPD und Grünen – mit einer vermeintlich gerechteren Verteilung der Beitragslasten.
Dass der Gesundheitsminister der Diskussion jetzt eine Absage erteilt hat, ist gut begründet. Denn mit einer höheren Beitragsbemessungsgrenze hätten nicht nur meist die hochqualifizierten Arbeit-nehmer mehr berappen müssen, sondern auch die Unternehmen höhere Arbeitgeberbeiträge zu schultern gehabt. Die Arbeitskosten wären damit auf einen Schlag gestiegen – zum Beispiel um bis zu 3 Milliarden Euro pro Jahr, wenn die Bemessungsgrenze auf das Niveau der Versicherungs-pflichtgrenze gestiegen wäre, gar um bis zu 9 Milliarden, wenn es rauf bis auf die Grenze in der Rentenversicherung gegangen wäre.
Allerdings sind die Unternehmen mit der digitalen, ökologischen und demografischen Transforma-tion enorm gefordert. Noch höhere Arbeitskosten obendrauf – die im EU-Vergleich ohnehin schon in der Spitzengruppe liegen – wäre deshalb keine gute Idee. Selbst den Finanzminister wäre es teuer zu stehen gekommen, weil höhere Zwangsbeiträge das zu versteuernde Einkommen min-dern.
Das Kernproblem liegt aber gar nicht auf der Einnahmeseite der GKV. Denn seit der Wiedervereini-gung steigen die GKV-Ausgaben – pro Kopf gerechnet – jedes Jahr im Schnitt um mehr als einen Prozentpunkt stärker als die beitragspflichtigen Einkommen. Treiber sind zum einen Fehlanreize für Versicherte und Leistungserbringer, zum anderen der medizinische Fortschritt. Schließlich verlangt der demografische Wandel stetig mehr Geld.
Not tut deshalb eine Reform, die das Ausgabenwachstum wirksam begrenzt. Denn entgegen vie-lerlei Vorurteilen gilt selbst bei der Gesundheit, dass die medizinische Versorgung umso besser gelingt, je wirtschaftlicher die Akteure mit knappen Ressourcen umgehen. Es braucht also Anreize, die die Versicherten zu kostenbewusster Nachfrage und Versorgungsanbieter zu einer wirtschaftli-cheren Leistungserstellung anleiten – wie es Lauterbach mit der Krankenhausreform anstrebt.
Gelingt die Ausgabenbegrenzung nicht, droht die Akzeptanz der solidarischen Krankenversicherung bei den jüngeren Beitragszahlern zu erodieren. Dabei muss es doch gerade im Interesse der älte-ren Versicherten liegen, dass die Kinder- und Enkelgenerationen das Solidaritätsversprechen fort-führen. Schließlich hängt es von deren Beiträgen ab, wie gut die Versorgung der Älteren künftig gelingt.
Da hilft im übrigen auch keine Bürgerversicherung. Denn auch die privatversicherte Bevölkerung altert. Bislang sorgt die aber eigenverantwortlich für ihre mit dem Alter steigenden Ausgaben vor. In einer umlagefinanzierten Bürgerversicherung würden deren Kosten dagegen zusätzlich auf die Schultern nachfolgender Generationen überwälzt – übrigens auch die ihrer Familienangehörigen, die in der GKV beitragsfrei versorgt würden.

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