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Michael Hüther Gastbeitrag 7. Februar 2008

Gesellschaftliche Verantwortung und Eigennutz

In einer freiheitlichen Gesellschaft muss Freiwilligkeit die Basis sozialen Engagements von Unternehmen sein.

Der Philosoph Thomas Hobbes soll auf die Frage, warum er einem Bettler eine Spende gebe, geantwortet haben: "Einzig und allein, um mich von meinem elenden Gefühl angesichts des Bettlers zu befreien." Der Eigennutz ist eine zentrale Handlungsmaxime der Marktwirtschaft. In wettbewerbsintensiven Märkten wandelt er sich wie von unsichtbarer Hand geführt zu einer moralischen Kategorie. Diese Botschaft von Adam Smith weckt heute mehr Zweifel als Zuspruch. Allenthalben wird das Soziale als notwendige Korrektur unseres Wirtschaftssystems gefordert.

Niemand wird bezweifeln, dass menschliches Zusammenleben nicht nur durch Regeln organisiert werden kann, sondern ebenso der individuellen Moral bedarf. Jedes Kind lernt, dass es Dinge gibt, die man nicht tut. Ähnliches gilt, ohne Verweis auf Gesetze, für erwachsene Staatsbürger. Doch konsistente Regelwerke haben den Vorzug, dass das Miteinander nicht von dem guten Willen des Einzelnen abhängig ist. Eine freiheitliche Gesellschaft, in der Verantwortung und Haftung konsequent eingefordert werden, scheitert nicht schon, wenn individuelle Moral knapp wird.

Dennoch wird leicht die allfällige Forderung nach ethischen Maßstäben für unternehmerisches Handeln aufgestellt, was stets bedeutet, individuelle Moralvorstellungen zu allgemein gültigen Kriterien zu machen. Unternehmen reagieren in diesem Umfeld mit Aktionen zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR). Dabei entsteht oft der Eindruck, der Unternehmenszweck hätte sich geändert. Nach Jahren der Gewinnorientierung werde nun Gutes getan: für Kultur und Umwelt, Sport und Soziales, in der Region und auch weltweit.

Altruismus statt Eigennutz. Dafür gibt es viele eindrucksvolle Beispiele: Unternehmensgründer, die einen Teil ihres Privatvermögens in gemeinnützige Stiftungen überführen. Kapitalgesellschaften, die umfangreiche Programme für kulturelles Engagement finanzieren oder Bildungsinitiativen unterstützen. Politik und Öffentlichkeit nehmen all dies beifällig wahr und fordern doch grundsätzlich mehr, am besten noch mit gesetzlicher Begleitung.

Selbst die Europäische Kommission hat sich im Jahre 2001 mit einem Grünbuch dieses Themas angenommen und 2002 einen "europäischen Aktionsrahmen für CSR" entworfen. Die Kommission will "die Konvergenz und Transparenz von CSR-Praktiken und –Instrumentarien erleichtern", wobei selbstverständlich "der freiwillige Charakter des CSR anerkannt wird". Wieso dann die EU-Kommission handeln muss, sieht man einmal vom Willen ab, Gutes zu tun, bleibt dem interessierten Leser verschlossen.

Indes: Was freiwillig ist, sollte keinesfalls reguliert werden. Schnell würde es seinen Wert verlieren. Zudem sollte man nicht unterschätzen, dass ein Unternehmen schon aufgrund seiner Struktur nicht ohne explizite ethische Orientierung nachhaltig erfolgreich sein kann. Das Unternehmen ist ein Netz von Verträgen, die wegen ihrer Langfristigkeit freilich nur begrenzt spezifiziert werden können. Deshalb muss die Steuerung im Unternehmen dezentrale Handlungsspielräume beachten, aber verhindern, dass sie gegen das Unternehmensziel genutzt werden.

Hier gewinnt die innere Autorität des Unternehmens an Bedeutung. Die Handlungsorientierung der Mitarbeiter im Sinne der unternehmerischen Ziele erfordert neben gezielten Anreizsystemen ein internes Reputations- und Wertemanagement, das auf allgemeinen Regeln und Einsichten ruht. Es geht dabei gerade um die nicht kodifizierten und zumeist auch nicht kodifizierbaren Spielregeln, die gleichwohl nicht minder wirksam sind. Dabei hat die Unternehmenskultur als Ausdruck gelebter Werte eine zentrale Funktion.

Traditionelle Bindungsmuster haben bei Mitarbeitern wie bei Kunden ihre frühere Kraft eingebüßt. Deshalb müssen Unternehmen sich strategisch positionieren, sowohl bei ihrer Kompetenz zur Problemlösung als auch zur Schaffung von Vertrauen und Bindungen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, eine wachsende Bedeutung von Stil-, Habitus- und Standortfragen. Unternehmensidentität und Unternehmenskultur müssen dafür schlüssig eine Basis bieten. Denn: Extern Vertrauen zu gewinnen setzt voraus, intern Vertrauen zu legitimieren.

So kann man auch den Auftritt von Bill Gates beim diesjährigen World Economic Forum in Davos deuten, mit dem er für einen "kreativen Kapitalismus" und damit für mehr gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen warb. Das drohende Abhängen einiger Regionen der Welt von der Perspektive einer nachhaltigen Besserung der Lebensbedingungen sollte kreative Lösungen anregen. Tatsächlich gibt es viele herausragende Engagements von Unternehmen in diese Richtung. Die von Gates und seiner Frau gegründete Stiftung ist ohne Zweifel ein Leuchtturm. Doch der Hinweis von Gates auf die in den USA gesetzlich verankerte Bevorzugung von Unternehmen bei der Zulassung neuer Medikamente, die sich entwicklungspolitisch engagieren, zeigt, wo die Grenzlinie zur Wettbewerbsverzerrung überschritten wird.

Es ist stets bedenklich, wenn unterschiedliche Themen wie hier Entwicklungspolitik und branchenspezifische Marktzulassung vermischt werden. Auch bei Microsoft vergisst Bill Gates nicht, worum es eigentlich geht: die Sicherung der Unternehmensperspektive durch die Behebung strategischer Lücken im Internet, wie nun mit dem Versuch der feindlichen Übernahme von Yahoo. Niemandem wäre gedient, wenn CSR-Aktivitäten die Unternehmen von ihren eigentlichen Aufgaben abhalten, weder den Beschäftigten noch den Kunden. Bewahren wir die Freiwilligkeit, und lassen wir den Staat außen vor.

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