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Michael Hüther Gastbeitrag 19. Februar 2009

Fatale Fehlanreize

Bonuszahlungen sollten sich nicht am kurzfristigen Erfolg des Unternehmens orientieren.

Über Gehälter lässt sich trefflich streiten. Angesichts mangelnder Homogenität der Arbeit erweist sich ein Marktvergleich häufig als wenig sinnvoll. Die Preisbildung für Arbeit folgt entsprechend speziellen Regeln: Bei uns dominiert besonders in der Industrie unverändert die Festlegung von Tariflöhnen als Mindestlöhne für spezifische Tätigkeiten in bestimmten Branchen und Regionen. Der zunehmenden Heterogenität folgend haben im letzten Jahrzehnt aber auch in den tariflohngeprägten Bereichen unserer Wirtschaft variable Vergütungselemente an Bedeutung gewonnen.

Während der Streit über Tariflohnanpassungen bis zum Streik führen kann, lässt die Aufregung um Managergehälter schon in normalen Zeiten die Untiefen sowohl der gesellschaftlichen Debattenlage als auch der ökonomischen Argumentation sichtbar werden.

Mangels Maßstab wird schnell von Gier, gar nackter Gier gesprochen. Die Versuche mancher Ökonomen, die in den letzten Jahren in die Höhe geschnellten Gehaltsniveaus zu rechtfertigen, stoßen an ihre Grenzen, wenngleich neuere Studien zeigen, dass die Deregulierung der Finanzindustrie in den USA sowohl zu Knappheitslöhnen als auch zu erheblichen ökonomischen Renten geführt hat.

Dem Druck zur Begründung von Managergehältern unterliegen zuallererst die Aufsichtsgremien der Unternehmen. Dort wird darüber entschieden, wie die angemessene Verzinsung des im Unternehmen eingesetzten Kapitals strategisch erreicht werden soll. Dort liegt die volle Verantwortung für Gehaltsniveaus und Gehaltsstrukturen. Letztere sind wegen der damit verbundenen Anreizwirkungen von herausragender Bedeutung. Das zentrale marktwirtschaftliche Prinzip der Haftung kann hier über Erfolgskomponenten seinen Niederschlag finden.

Doch wo Bonuszahlungen an den kurzfristigen Erfolg gebunden und zudem garantiert sind, liegen Verträge zugrunde, die dem Unternehmenszweck nicht nachhaltig dienen können. Das Argument, man müsse bei bestimmten Qualifikationen gezielt Halteprämien zahlen und deshalb Boni garantieren, überzeugt nicht. Denn wenn in einer Marktlage erfolgskritische Mitarbeiter abzuwandern drohen, sind eben grundsätzlich höhere Gehälter zu zahlen. Das trifft infolge des Fachkräftemangels derzeit viele Unternehmen, ohne die Gehälter in den Himmel wachsen zu lassen.

Die Praxis belegt zudem, dass Geld nur ein Parameter ist und andere Instrumente der Personalpolitik immer bedeutsamer werden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Arbeitsumfeld, die Unternehmenskultur, das Weiterbildungsangebot, das Gesundheitsmanagement: all das sind wichtige Elemente zur Mitarbeiterbindung. Wo all das ohne Bedeutung ist, da trifft man auf Unternehmen, deren Belegschaft durch Söldner geprägt ist. Umso wichtiger sind richtige Anreize in den Arbeitsverträgen.

Der Ärger, der sich in Politik und Öffentlichkeit angesichts der krisenverschärfenden Wirkung der Bonussysteme breitmacht, ist nur zu verständlich. Natürlich muss man darauf hinweisen, dass Rechtssicherheit und Vertragsfreiheit es dem Staat verbieten, in bestehende Vertragsverhältnisse einzugreifen. Doch ebenso sollte klar sein, dass man nach den eklatanten Versäumnissen gegen eine gesetzliche Regelung substanziell nichts wird einwenden können. Dem Fluch der bösen Tat entgeht man letztlich nicht.

Das Irritierende liegt darin, dass solche Perversionen eines guten Gedankens in so großem Umfang überhaupt möglich wurden. Wer hat wo nicht nachgedacht? Wer hat wo nicht hingeschaut? Wer hat wo nicht zugehört? Natürlich werden wir auf die Umstände verwiesen, die wieder einmal alle genötigt hätten, dies zu tun. Aber wenn etwas nur möglich wird, indem man den klaren Verstand ausschaltet, die Besonderheiten des eigenen Hauses aufgibt und das Geschäftsmodell zur Wette werden lässt, dann sollte man es unterlassen.

Die Marktwirtschaft lebt vom dauerhaft intensiven Wettbewerbder ökonomische Macht schnell und effektiv bestreitet. So erleben wir es in den Märkten für Konsumgüter und für Investitionsgüter, selbst in Bereichen der Spitzentechnologie wie der Chipentwicklung. Die lange gepflegte These der Lernkurven und ihre Bedeutung für Marktstellungen hat sich nicht bestätigt. Das Investment-Banking war hingegen in einer kaum bestreitbaren Position, die seine scheinbar alternativlose Dominanz und Orientierungskraft für das Finanzsystem begründete. Dort konnten die Gehälter kurzfristig orientiert in den Himmel wachsen und die Boni versteinern.

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