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Michael Hüther Gastbeitrag 12. Januar 2006

Ein Wachstumspaket allein reicht nicht

Wir sollten die Kanzlerin ernst nehmen mit ihrer Forderung, "im neuen Jahr noch ein wenig mehr als bisher zu vollbringen".

Es ist schon verwunderlich. Da haben wir lange den Stillstand der Politik beklagt und auf das damit drohende weitere Zurückfallen Deutschlands im internationalen Standortwettbewerb verwiesen. Nun, da die neue Bundesregierung ihr Programm abarbeitet, lautet die Kritik: nicht nur zu wenig, sondern auch überflüssig angesichts sich stabilisierender Konjunktur und steigender Börsenkurse. Man kann das wirtschaftspolitische Programm der Bundesregierung wohl als unzureichend kritisieren und als an manchen Stellen fragwürdig bewerten. Doch überflüssig ist es nun nicht.

Das sind schon sonderbare Vorstellungen, die auch von einigen Ökonomen vertreten werden. Die sich verbessernden Konjunkturdaten signalisieren zwar in der Tat eine sich stabilisierende Erholung, aber mit Sicherheit bei weitem nicht den Beginn eines starken und beschäftigungsintensiven Wachstums. Die Chancen, die sich aus der im vergangenen Jahr angelaufenen Investitionskonjunktur für einen langen selbsttragenden Aufschwung ergeben, sind zweifellos größer als jemals seit Anfang des Jahrzehnts.

Doch die Nutzung dieser Chancen bedarf des bewussten wirtschaftspolitischen Handelns. Ziel müssen die Unternehmensinvestitionen sein, Ansatzpunkt die Investitionsbedingungen. Die große Koalition hat dazu auf ihrer Klausur zu Wochenbeginn passende Entscheidungen getroffen. Die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen stützt die privaten Investitionen. Die Anhebung der Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer stärkt über eine verbesserte Liquiditätsausstattung betroffener Unternehmen deren Handlungsfähigkeit.

Zu kritisieren ist freilich, dass diese prinzipiell richtige Regelung nicht allen Unternehmen gewährt wird. Die Erhöhung der Investitionsquote im Staatshaushalt ist sowohl volkswirtschaftlich wie auch mit Blick auf eine Verbesserung der Haushaltsstruktur angemessen.

So weit, so gut aus ordnungspolitischer Sicht. Kritisch ist hingegen die geplante steuerliche Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen zu bewerten. Wer künftig sein Heim durch Handwerker statt durch Baumarktbesuche und Eigenleistung verschönert, der kann die bezahlte Arbeitsleistung bei der Einkommensteuer geltend machen. Der vom Schreiner eingebaute Schrank wird so gegenüber dem fertig erworbenen Teil begünstigt. Wo soll dies noch einmal enden? Wie weit lässt sich der Begriff der haushaltsnahen Dienstleistungen ausweiten? Warum nur Handwerker und nicht auch andere gute Geister berücksichtigen?

Nein, hier wird am falschen Ende eines zweifellos bestehenden Problems angesetzt. Die unzureichende Dynamik bestimmter Branchen, deren Leistungen vor allem von privaten Haushalten nachgefragt werden, erklärt sich insbesondere aus dem hohen Abgabenanteil. Die Handwerkerstunde ist deshalb von Privaten kaum zu bezahlen, und für den Anbieter der Leistung ist die Bezahlung dennoch kaum attraktiv. Ursachentherapie erfordert die Reduzierung der insbesondere über Sozialbeiträge verursachten Arbeitskosten. Das bekannte Lied über die Lohnnebenkosten ist auch hier zu singen: Soweit möglich, müssen die Sozialkosten vom Arbeitsverhältnis entkoppelt, andernfalls durch Einsparungen vermindert werden. Sieht man von diesem Mangel ab, dann muss die eigentliche Kritik sich auf das beziehen, wozu außer Grundsätzen wieder nichts Greifbares beschlossen wurde. Noch immer blicken wir ratlos auf einen schwarzen Kasten mit der Aufschrift "Budget 2006". Die vom Kabinett schon verabschiedeten Gesetze zur Stabilisierung der Einnahmenseite reichen längst nicht aus. Geradezu abenteuerlich ist die Finanzierung der auf der Klausur beschlossenen Maßnahmen. Nur die Hälfte ist finanziert, und dies auch nur durch einmalige Privatisierungserlöse und ein Umlenken des Bundesbankgewinns.

So fehlt dem "Wachstumspaket" die Einbettung in eine glaubwürdige budgetpolitische Strategie. Der Freibrief, den sich die große Koalition großherzig für den Bruch sowohl der Verfassungsgrenze wie des Maastricht-Kriteriums beim Staatsdefizit ausstellte, hat quasi als Postwurfsendung das Feld bereitet. Kaum noch hinterfragt wird die Aussage, dass es in diesem Jahr gar nicht anders gehe.

Es gibt indes keinen Grund, für die Forderung nach Haushaltskonsolidierung eine Sendepause zu verordnen. Nehmen wir doch wirklich mal zur Kenntnis, was andere Länder erreicht haben. Belgien zum Beispiel, das vor zehn Jahren mit einer Schuldenstandsquote von 130 Prozent und einer Defizitquote von 3,8 Prozent bei großen föderalen Problemen als aussichtsloser Fall galt, konnte durch konsequente Konsolidierung mit ausgeglichenem Budget die Schuldenstandsquote auf 94 Prozent drücken.

Der Sachverständigenrat hat zu Recht in seinem Jahresgutachten darauf verwiesen, dass die Einhaltung des Drei-Prozent-Kriteriums für das Defizit im Jahre 2006 keine unrealistischen Anstrengungen erfordert. Also lassen Sie uns zumindest dies versuchen. Nehmen wir die Bundeskanzlerin ernst mit ihrer Forderung vom Neujahrstag, "im neuen Jahr überall noch ein wenig mehr als bisher zu vollbringen". Warum das nicht auch für die Finanzpolitik gelten soll, vermag außerhalb der Regierung wohl niemand einzusehen.

Und eines noch: Schnüren Sie bitte nicht immer alles, was irgendwie zusammenpasst, aus Vermarktungsgründen zu einem Konjunkturpaket zusammen. Wir brauchen keine Konjunkturimpulse, sondern stetige Verbesserungen der Investitionsbedingungen, die im Ansatz durchaus vorhanden sind. Das passt eher zum neuen nüchternen Politikstil, bringt niemanden auf falsche Gedanken und bewahrt uns vor überflüssigen Debatten über Notwendiges und Unnötiges.

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