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Michael Hüther Gastbeitrag 9. Juli 2009

Die Verbriefung rehabilitieren

Der Spielraum der Banken für die Vergabe neuer Kredite lässt sich durchaus vergrößern.

Mit der Kreditklemme ist es ähnlich wie mit den Pferden, die Loriots Knollennasen-Männchen beim Besuch der Galopprennbahn mit dem Gefühl sucht, dass es sie doch geben müsse. Ja, wo läuft sie denn?

Der Streit, ob eine Kreditklemme näherungsweise erreicht ist, erhitzt derzeit die Gemüter. Der Bundesfinanzminister hat zum Instrument der inhaltsleeren Drohung gegriffen. Die Androhung von Zwang ist blanker Unsinn. Der Streit spiegelt die Unklarheit des Befundes. Belege lassen sich für eine flächendeckende Kreditklemme derzeit nicht finden. Nach den Daten der Bundesbank lagen zum Ende des ersten Quartals die an Unternehmen ausgereichten Kredite deutlich über dem Niveau des vorangegangenen Quartals und auch über dem des ersten Quartals 2008. Dies gilt fast durchgängig für alle Laufzeiten. Lediglich die Großbanken haben seit der Lehman-Insolvenz die Ausleihungen verringert.

Auch über die Verschärfung der Kreditkonditionen wird geklagt. Tatsächlich haben diese sich seit dem Herbst vergangenen Jahres deutlich verschlechtert. Allerdings sind die Veränderungen keineswegs auffällig. Im längerfristigen Vergleich liegen sie sogar unter den Werten des Jahres 2003, als eine günstigere gesamtwirtschaftliche Lage herrschte. Vor allem größere Unternehmen müssen mit stärker verschärften Kreditkonditionen umgehen.

In der im Juni veröffentlichten Umfrage des DIHK melden 23 Prozent der Unternehmen verschlechterte Kreditkonditionen. Vor allem werden höhere Anforderungen an Sicherheiten gestellt. Daneben gibt es viele anekdotische Berichte über eine langsamere Abwicklung von Kreditprozessen bis hin zu Verschleppung. Ebenso erfährt man von schwieriger gewordenen Finanzierungen für Großprojekte, insbesondere im Immobilienbereich, wo ein deutlich höheres Eigenkapital verlangt werde. Gleichwohl ergibt dies noch keinen gesamtwirtschaftlichen Befund einer Kreditklemme, zumal auch der Markt für Unternehmensanleihen sich als aufnahmefähig erwiesen hat, und das zu wieder reduzierten Risikoprämien.

Dessen ungeachtet bereiten die erwartbaren Wertberichtigungen auf Unternehmenskredite Sorgen für die nähere Zukunft. Angesichts der großen Fremdkapitalhebel auf der Passivseite der Bankbilanzen können schon kleinere Wertberichtigungen größere Bilanzverkürzungen notwendig machen. Dass dies noch nicht eingetreten ist, spricht für die Robustheit des Finanzsystems. Die Anpassungen wurden zudem bisher vor allem bei den Interbankenforderungen und bei den Wertpapierpositionen vorgenommen.

Was kann getan werden, wenn man von folgenlosen Drohungen absieht? Die Bundesregierung ist auf europäischer Ebene mit der Forderung gescheitert, die prozyklischen Eigenkapitalregeln nach Basel II auszusetzen. Ohne verbindliche Ersatzregelung jedoch wird dies auch künftig zu Recht keine Mehrheit finden, so berechtigt das Anliegen ist, solche Regelungen hier wie bei der Zeitwertbilanzierung zu entschärfen. Vorschläge für eine zyklenneutrale Eigenkapitalunterlegung liegen vor; ihre konsequente Umsetzung könnte die Aussetzung von Basel II begünstigen.

Die Regierung verweist auf das neue Gesetz zu Bad Banks. Hier darf man die Erwartungen indes nicht zu hoch stecken, denn das Gesetz verschafft den Banken, die es nutzen, keine definitive Entlastung. Der angestrebte maximale Schutz der Steuerzahler wie der Gläubiger hat zu Regelungen geführt, die den Banken einerseits zwar die Unsicherheit der Bewertung ihrer Aktiva nehmen und so das regulative Eigenkapital entlasten. Andererseits begründen sie aber unkalkulierbare Risiken für die Passivseite, weil Verbindlichkeiten für Zahlungsausfälle auf die ausgelagerten strukturierten Papiere zu gewährleisten sind. Die Ausfälle sind aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.

Der Spielraum der Banken zur Kreditvergabe ließe sich steigern, wenn die im Zuge der Krise in Verruf geratene Verbriefung durch solide und transparente Nutzung rehabilitiert würde. Mit der True-Sale-Initiative steht dafür eine Plattform zur Verfügung. Doch was immer wir versuchen, vom Bankensektor wird kein Impuls für die Konjunkturerholung ausgehen. Die Hoffnung bleibt, dass die Belastung sich in Grenzen hält.

Die Idee, die Bundesbank direkt mit der Unternehmensfinanzierung zu beauftragen, widerspricht dem Anspruch einer unabhängigen Geldpolitik. Davor kann man nur warnen. Der langfristige Schaden würde den selbst kurzfristig fragwürdigen Effekt bei weitem übersteigen.

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