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Michael Hüther Gastbeitrag 5. Juni 2008

Bedenkzeit für Steinbrück

Privatschulen sollten in Deutschland eine deutlich bessere Förderung erhalten.

Dem Bundesfinanzminister ist zu danken. Denn durch seinen Vorschlag, die Schulkosten für Privatschule künftig nur bis zu einem Höchstbetrag als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer anzusetzen, haben diese Bildungsangebote öffentlich Aufmerksamkeit erlangt. Rein fiskalisch denkend, war die erste Antwort des Finanzministers auf das Gebot des Europäischen Gerichtshofs, auch das Schulgeld für Kinder an ausländischen Schulen steuerlich geltend machen zu können, einfach und schlicht: Der Sonderausgabenabzug sollte sogar ganz abgeschafft werden.

Proteste der I.andesschulministerien sind bislang kaum zu vernehmen. Dazu mag beitragen, dass die Privatschulen als Wettbewerbselement nur bedingt gut gelitten und weniger bedeutsam sind als in anderen Staaten. Trotz steigender Nachfrage nach allgemeinbildenden Privatschulen bzw. Schulen in freier Trägerschaft – seit dem Jahr 1992 ist die Anzahl der Schüler in solchen Einrichtungen um rund 45 Prozent auf etwa 660.000 gestiegen – liegt der entsprechende Schüleranteil mit sieben Prozent bei uns weniger als halb so hoch wie im Durchschnitt der OECD.

Dabei sind Privatschulen eine wichtige Referenzgröße im Bildungssystem. Bei der Frage nach den schulinstitutionellen Bedingungen für die Schülerleistungen, wozu auch die Schulträgerschaft zählt, zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang. Nach dem empirischen Befund auf Basis der Pisa-Daten schneiden Schüler von Privatschulen im Durchschnitt besser ab, ganz deutlich auch in Deutschland. Die vorliegenden Studien weisen darauf hin, dass private Schulen erfolgreicher darin sind, eine für die kognitive Entwicklung der Schüler förderliche Lernumgebung zu schaffen.

Dies äußert sich auch in den Bildungsabschlüssen. Obgleich der bundesweite Anteil von Sonderschülern an privaten Förderschulen mit 16 Prozent viermal so groß ist wie an staatlichen Förderschulen, liegt die Schulabbrecherquote mit rund acht Prozent nicht höher. Gleichzeitig ist der Anteil der Schüler mit Hochschulzugangsberechtigung aus Privatschulen deutlich höher als an staatlichen Schulen: In zwölf Bundesländern ist der Anteil mindestens zehn Prozentpunkte höher, in sechs Ländern ist diese Quote mehr als doppelt so hoch.

Angesichts dieser Erfolge müssten Privatschulen in Deutschland eine deutlich größere Bedeutung haben. Dass dies nicht so ist, erklärt sich aus einer eher restriktiven Schulpolitik, die das Kompetenzmonopol des staatlichen Systems im Mittelpunkt sieht. Solange die institutionelle Detailsteuerung als Instrument der Qualitätssicherung dominiert, wird sich daran nicht wirklich etwas ändern können. Neben speziellen gesetzlichen Hürden und Zulassungsschranken betrifft der größte Wettbewerbsnachteil der Privatschulen ihre Finanzausstattung. Das geltende Recht verpflichtet den Staat zwar dazu, anerkannten Ersatzschulen eine Regelbeihilfe zu den laufenden Kosten des Schulbetriebs zu leisten. Doch die in den meisten Bundesländern schulartenspezifisch pauschal je Schüler zur Verfügung gestellten Mittel liegen oft deutlich unter den Ausgaben je Schüler an einer entsprechenden staatlichen Schule. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln liegen die jährlichen Förderbeträge des Staates um rund 2800 Euro je Schüler unter den tatsächlich anfallenden Kosten bei staatlichen Schulen.

Die Bundesländer werden so insgesamt um rund 1,7 Milliarden Euro pro Jahr durch die Existenz der Privatschulen entlastet. Der dagegenzurechnende Effekt einer Minderung des Einkommensteueraufkommens, den der Sonderausgabenabzug von derzeit unbegrenzt bis zu 30 Prozent des von den Eltern zu zahlenden Schulgeldes hat, liegt mit etwa 120 Millionen Euro noch nicht einmal bei einem Zehntel. Unabhängig davon verbleibt für die freien Schulträger eine beachtliche Finanzierungslücke. Die Elternbeiträge lagen 2003 nach Schätzungen bei knapp 1.600 Euro je Schüler und Jahr.

Dies ist kaum mit dem verfassungsrechtlichen Sonderungsverbot zu vereinbaren, wonach eine Auswahl der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht befördert werden darf. Ein wirksamer Wettbewerb wird auch so behindert. Dass ein solcher Wettbewerb aber wünschenswert ist, um effiziente Lösungen beim Erreichen definierter Ziel zu realisieren, dürfte unstreitig sein. Dass die Privatschulen sich trotz vielfältiger und finanzieller Benachteiligungen mit guten Leistungen profilieren können, belegt die Wirkung betriebswirtschaftlichen Kalküls gerade auch im Schulsystem. Insofern sollte der Finanzminister gut bedenken, was er tut. Viel wird er durch eine Deckelung des Sonderausgabenabzugs nicht einsparen können. Die Schulminister der Länder sollten dabei klar Position beziehen. Auch wenn sie kaum höhere Finanzierungsbeträge für Privatschulen werden mobilisieren können, so ist doch der Befund über die Effizienzmöglichkeiten im Bereich der allgemeinbildenden Schulen eine wichtige Unterstützung auf dem Weg zur autonomen staatlichen Schule.

Hier sind die Länder – wie der jüngst publizierte Politik-Check Schule des IW Köln zeigt – eher noch zögerlich. Die Bereitschaft, die Schulen, genauer die Schulleitungen, mit wirklicher Personal- und Budgethoheit auszustatten, ist noch schwach. Die Differenzierung der Schulen durch eigenständige pädagogische Profile kann so über den deklaratorischen Charakter der Schulprogramme kaum hinauskommen. Erst dann aber wäre ein Wettbewerbsfeld eröffnet, in dem staatliche und private Schulen wirklich voneinander lernen könnten und der Staat sich auf Standardsetzung sowie Qualitätssicherung konzentriert.

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