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Michael Hüther Gastbeitrag 2. März 2006

Barhufbearbeitung und offene Märkte

Der angebliche Schutz der Verbraucher beruht auf der fragwürdigen Annahme, dass die Kunden überfordert seien.

Verehrte Leser, dies ist kein verspäteter Fastnachtsgag. Vielmehr möchte ich Sie einladen, mir in die Untiefen deutscher Regulierungstradition zu folgen. Vermutlich sagen Ihnen dafür die Stichworte "Hufbehandlung" und "Barhufbearbeitung" recht wenig. Das macht gar nichts, auch wenn sich darauf jüngst eine kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" im Deutschen Bundestag bezog.

Worum geht es? Kurz gefasst um die Gefährdung eines freien Berufes, nämlich dem des Hufpflegers, der auf die Behandlung von Barhufpferden spezialisiert ist. Durch die von der Bundesregierung geplante Änderung des Hufbeschlagsgesetzes würden künftig nur noch Hufschmiede entsprechende Tätigkeiten ausführen können, Hufpfleger hingegen ihre Existenz verlieren. Dieser Vorgang ist natürlich weder von gesamtwirtschaftlicher noch gesellschaftlicher Bedeutung, und er wirkt vor allem belustigend. Allerdings zeigen sich daran die Tücken und Verwerfungen eines in Deutschland hoch regulierten Bereichs: der freien Berufe. Wieder einmal ist es die Europäische Kommission, die in Verfolgung der Lissabon-Ziele auch hier den Motor der Marktöffnung spielt. Bereits im März 2003 hatte EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti, die Besonderheiten der freien Berufe anerkennend, gefordert, keine unnötigen wettbewerbshemmenden Regeln aufzustellen oder beizubehalten. Monti hatte sich dabei auf die Ergebnisse einer Untersuchung des Instituts für Höhere Studien in Wien bezogen, wonach eine intensive Regulierung der freien Berufe für die Gesamtwirtschaft und die Interessen der Verbraucher zu Belastungen führe. Ebenso habe sich gezeigt, dass in Staaten mit geringer. Regulierung kein Marktversagen zu beobachten sei. Also besteht auch dort ein hinreichend flexibles Angebot entsprechender Dienstleistungen, wo der Staat nicht in vielfältiger Form eingreift.

Selbstverständlich haben diese Ergebnisse massive Kritik ausgelöst, sowohl an der Methode als auch an der Schlussfolgerung. Man könne aus der Erfahrung anderer Länder nicht im Analogieschluss einfach ableiten, dass eine Deregulierung ohne negative Folgen für die Qualität freiberuflicher Dienstleistungen sei, so die Vertreter der freien Berufe.

Bei aller Begrenztheit der Untersuchungsmethode fällt doch auf, dass die Argumente stets dieselben sind, die gegen eine Marktöffnung vorgetragen werden. Wir kennen diese noch aus der Debatte um die Novelle der Handwerksordnung, als ebenfalls für eine Beibehaltung der tradierten Regeln geworben wurde.

Tatsächlich werden wie bei der Regulierung des Marktzugangs im Handwerk die entsprechenden Hürden im Fall der freien Berufe ähnlich begründet: einerseits mit dem Schutz der Verbraucher durch Sicherung hoher Qualität, andererseits mit dem Schutz der Anbieter vor ruinöser Konkurrenz. Beide Argumente hängen eng mit dem Problem zusammen, dass bei den angebotenen Dienstleistungen der Verbraucher die Qualität in der Regel erst infolge der Nutzung vollständig beurteilen kann. Zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe liegen diese Informationen nur unzureichend vor oder sind nur unter prohibitiv hohen Kosten zu erhalten.

Mit Verweis darauf, dass aus diesen Gründen ein ausreichend flexibles Marktangebot nicht zu Stande kommen könne, interveniert der Staat massiv. Bei den freien Berufen nutzt er ein umfassendes Instrumentarium: Zulassungsbeschränkungen, Marktabsicherung durch Vorbehaltsaufgaben, Preisregulierungen, Werbebeschränkungen und Regulierung der Eigentumsverhältnisse sowie Unternehmenskooperation. Kurzum: Der Konsument muss vor den Folgen seiner Informationsmängel durch den umsorgenden Staat geschützt werden. Die Frage, ob es nicht originäre Antworten offener Märkte für solche Fälle geben kann, wurde lange ebenso wenig gestellt, wie Kritik an der Begründung geäußert wurde, dass es sich hier um das Angebot höherwertiger Gemeinschaftsgüter handele.

Schon der Hinweis auf Hufpfleger im Zusammenspiel mit Hufschmieden macht deutlich, dass es sich bei den freien Berufen um normale wettbewerbliche Dienstleistungen handelt, die ganz gewöhnlich auch zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken erbracht werden. Damit bleibt die Frage nach dem notwendigen Verbraucherschutz. Richtig ist, dass es sich bei derartigen Dienstleistungen um Vertrauensgüter handelt. Allerdings gibt es selbst in Deutschland hinreichend Belege für funktionierende Märkte bei solchen Gütern.

Wir alle kennen die Strategien, mit denen findige Unternehmer auf die Besonderheiten ihres Leistungsangebots reagieren. Sie versuchen, durch die positive Erfahrung vieler Kunden Reputation aufzubauen und eine "Dienstleistungsmarke" zu entwickeln.

Richtig betrachtet, schützen die bestehenden Regulierungen vor allem die Anbieter. Der angebliche Schutz der Verbraucher beruht auf der Annahme, dass die Kunden überfordert seien. Wir reagieren auf diese Schwierigkeit mit dem Vorschlaghammer staatlicher Marktregulierung, anstatt das Florett eines auf objektivierte Informationsbereitstellung setzenden Verbraucherschutzes zu nutzen. Zusammen mit den Selbsthilfemechanismen des Marktes – Werbung, Gütesiegel, Selbstverpflichtungen, Informationsbörsen, spezielle Beratungsangebote -, kann so der Qualitätswettbewerb gesichert werden. Das Verbraucherinformationsgesetz folgt, wenn auch unzureichend, dieser Idee.

Die Marktwirtschaft lebt von der Idee des souveränen Konsumenten. Es ist an der Zeit, die überkommene Skepsis gegenüber offenen Märkten aufzugeben. Nehmen wir die Hilfe Europas an! Überlassen wir es doch den Konsumenten, ob ihre Pferde ohne Fremdmaterialien barhufbehandelt oder mit Hufeisen beschlagen werden.

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