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Michael Hüther Gastbeitrag 19. März 2009

Alternativen zur Enteignung suchen

Der Fall Hypo Real Estate bringt die Politik in die Zwickmühle.

Dilemmata machen es einfachen Wahrheiten schwer. Die staatliche Rettung der Hypo Real Estate konstituiert zusammen mit der Zusage der Bundesregierung, systemrelevante Banken nicht in die Insolvenz gehen zu lassen, eine Zwickmühle. Die den Aktionären der Bank eröffnete Möglichkeit, eine Strategie zur Ausbeutung der Steuerzahler zu verfolgen, bringt den Staat unter Handlungszwang. Dabei wird auch das Instrument der Enteignung erwogen; ein spezielles, wenngleich befristetes Gesetz soll diesen Weg eröffnen.

Nun ist es in der marktwirtschaftlichen Ordnung keine lässliche Sünde des Staates, Privateigentum zu enteignen. Das Rechtsinstitut des Privateigentums gehört zu den konstituierenden Grundsätzen. Nur auf seiner Grundlage gewinnen Verfügungsrechte, Vertragsfreiheit und Haftung als Bedingungen des Wettbewerbs eine sinnvolle Bedeutung. Tatsächlich eröffnet unsere Rechtsordnung nur unter sehr engen Bedingungen die Möglichkeit der Enteignung.

Im Fall der Hypo Real Estate (HRE) stehen sich nun Eigentümerrechte der Aktionäre und Gläubigeransprüche der Steuerzahler gegenüber. Die Geschäftsführung ist den Aktionären verpflichtet. Im Fall der Insolvenz wird dieser Grundsatz durchbrochen, und die Gläubiger erhalten aufgewertete Verwaltungsrechte. Um eine Insolvenz zu verhindern, ist der Staat gefordert. Er ist mangels anderweitiger Optionen zum größten Gläubiger der HRE geworden. Gleichzeitig hat der fallende Wert der Aktien das Vermögen der Aktionäre geschmälert.

In einer solchen Konstellation gibt es Anreize für eine Ausbeutungsstrategie seitens der Eigentümer. Diese können angesichts der erreichten Aktienkurse nicht mehr viel verlieren, wohl aber haben sie die Aussicht auf Gewinn. Ihre Verhandlungsposition ist infolge der expliziten Staatsgarantie stark. So kann die Orientierung der Geschäftsführung an den Aktionärsinteressen dazu führen, dass eine zu riskante Strategie gefahren wird. So ein „gambling for resurrection“ bedroht die Gläubiger in ihren Ansprüchen.

Würde der Staat – im Gedankenexperiment – nicht eingreifen, so wäre angesichts der negativen Bewertung der HRE durch den Markt die Insolvenz unvermeidbar. Ein Eingriff des Staates in die Rechte und Ansprüche der Eigentümer wäre insofern immer noch fair, wenn er diese nicht schlechter stellte als im Insolvenzfall. Ob das aber zwingend eine Enteignung erfordert, erscheint zweifelhaft. Zunächst fällt in der Rückschau auf, wie schnell und selbstverständlich in der Regierung über Enteignung gesprochen wurde, erkennbare Alternativen ausgeschlossen und Verhandlungen mit den Aktionären schon im Vorhinein als aussichtslos bewertet wurden.

Das Kreditwesengesetz eröffnet mit §§ 35,36,46 und 46a der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Eingriffsmöglichkeiten, die1 das von der Regierung formulierte Ziel, die volle unternehmerische Verantwortung zu erlangen, erreichen lassen.

Die BaFin ist den Weisungen des Bundesfinanzministeriums unterworfen. Zur Abwehr von Gefahren für die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern einer Bank kann die BaFin Organbefugnisse an Sonderbeauftragte übertragen, die Geschäftsführung ganz oder teilweise ersetzen und Aufsichtspersonen entsenden.

Sonderbeauftragte haben durchaus das Mandat, die Interessen der Gläubiger auch gegen den Willen der Aktionäre durchzusetzen. Der normale Geschäftsbetrieb soll weiter betrieben werden. Die Orientierung der Geschäftsführung an den Interessen der Aktionäre jedoch wird so lange durchbrochen, bis der Markt das Institut und sein Geschäftsmodell wieder als zukunftsfähig einschätzt, bis also die Refinanzierung durch Private wieder möglich wird. Die Vermögensinteressen der Aktionäre bleiben im Grundsatz erhalten, die Gläubigerposition der Steuerzahler wird beachtet. Irgendwann sollen Private wieder Bankaktien erwerben, und die würden sich eher für Deutschland entscheiden, wenn ihr Eigentum umsichtig geschützt wäre.

Es mag Argumente gegen die Anwendung dieser Paragrafen geben. Doch bevor der Schritt zur Enteignung getan wird, muss verantwortliche Politik jede Alternative ernsthaft prüfen. Wer ein Sondergesetz erlässt, der sollte auch willens und in der Lage sein, falls notwendig die genannten Paragrafen des Kreditwesengesetzes zu ergänzen, um den prospektiven Eingriff der BaFin zu ermöglichen. Man kann sich dem Eindruck nicht entziehen, dass die Regierung ein Exempel statuieren will. Langfristige Vertrauensschäden nimmt sie dabei mutwillig in Kauf.

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