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Michael Voigtländer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Gastbeitrag 25. März 2010

60 Jahre sozialer Wohnungsbau

In diesen Tagen jährt sich zum 60. Mal die Verabschiedung des I. Wohnungsbaugesetzes, das den Grundstein für den sozialen Wohnungsbau in Deutschland legte. Ziel dieses Gesetzes war es, mit Hilfe öffentlicher Mittel "Wohnungen zu schaffen, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für breite Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind".

Tatsächlich leistete der soziale Wohnungsbau einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis 1956 ging das Wohnungsdefizit um über die Hälfte auf 23 Millionen zurück. Sechs Jahre später fehlten dann nur noch 660 000 Wohnungen– und dies trotz deutlich steigender Haushaltszahlen.

Ein weiteres Verdienst des sozialen Wohnungsbaus ist darin zu sehen, dass er die Grundlage für einen funktionierenden privaten Mietwohnungsmarkt legte. Schließlich richtete sich das Wohnungsbauprogramm stets auch an private Investoren. So gingen die Wohnungen nach der Belegungsbindung automatisch in den freien Markt über. Außerdem wurde auf einem angemessenen Niveau gebaut, so dass es keine Stigmatisierung der Mieter gab.

Die Schattenseite des sozialen Wohnungsbaus ist jedoch zweifelsohne seine fehlende sozialpolitische Treffsicherheit. Nachdem die größte Wohnungsnot schließlich überwunden war, sollte das Programm vornehmlich sozial schwachen Schichten zugutekommen. Die Maßgabe, dass nur Kosten an die Mieter weitergegeben werden dürfen, ging jedoch häufig zu Lasten der Wirtschaftlichkeit, so dass es beispielsweise in Berlin einige Wohnanlagen gibt, in denen die Kostenmiete über der Marktmiete liegt.

Schlimmer ist jedoch, dass die subventionierten Wohnungen nur teilweise den tatsächlich bedürftigen Haushalten zugutekommen. Schätzungen gehen von Fehlbelegungen von über 40 Prozent aus. Alle Versuche, ungerechtfertigte Vorteile über Fehlbelegungsabgaben zu korrigieren, sind gescheitert. Berücksichtigt werden muss dabei, dass das Bedürftigkeitskriterium im sozialen Wohnungsbau sehr weit definiert ist und rund ein Viertel aller Mieterhaushalte einen Wohnberechtigungsschein erhalten kann.

Mittlerweile geht der soziale Wohnungsbau seinem verdienten Ruhestand entgegen. Bereits seit 2001 ist nicht mehr der Bund verantwortlich für die Mittelvergabe, sondern die Länder. In vielen Fällen ist die Bautätigkeit schon eingestellt worden. Die Erfahrungen aus dem sozialen Wohnungsbau sind jedoch immer noch relevant. Schließlich befinden sich noch über zwei Millionen Wohnungen in öffentlicher– zumeist kommunaler– Hand. Ein Teil der Kommunen möchte mit den Beständen analog zum sozialen Wohnungsbau Mieter unterstützen. Über 40 Prozent der Kommunen vermieten aber längst zu Marktpreisen und sehen ihre Bestände als wirtschaftliche Beteiligung an.

Insgesamt sind die öffentlichen Wohnungsunternehmen jedoch eine schwere Belastung für die Haushalte: So lag die durchschnittliche Eigenkapitalrendite zwischen 2000 und 2007 unter null Prozent. Würde das gebundene Eigenkapital von 47 Milliarden Euro stattdessen für die Tilgung von Schulden verwendet werden, könnten mindestens 2 Milliarden Euro pro Jahr an Zinsausgaben gespart werden– je nach Verkaufserlösen sogar noch mehr.

Der Verkauf von öffentlichen Wohnungen würde keineswegs bedeuten, dass sich der Staat aus dem Wohnungsmarkt komplett herauszieht. Über direkte Transfers wie Wohngeld und die Übernahme der Unterkunftskosten wird schon seit langem die Zahlungsfähigkeit sozial schwacher Haushalte zielgenau gewährleistet und den Haushalten damit ermöglicht, im gesamten Wohnungsmarkt eine passgenaue Unterkunft zu finden. Die Kommunen in Deutschland stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Sie müssen unter anderem ihre Schulden abbauen, die Kinderbetreuung ausbauen, Schulen und Verwaltungsgebäude energetisch sanieren und sich auf den demographischen Wandel einstellen. Eine neue Wohnungsnot ist dagegen nicht zu erwarten.

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