1. Home
  2. Studien
  3. Bereichsausnahmen der Schuldenbremse: Es drohen Fehlanreize und Verschiebebahnhof
Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 58 9. Juli 2025 Bereichsausnahmen der Schuldenbremse: Es drohen Fehlanreize und Verschiebebahnhof

Mit der zügigen Aufstellung des Haushalts für 2025 zeigt die Bundesregierung ihren Handlungswillen. Die haushaltspolitische Lähmung der vergangenen Jahre scheint überwunden. Allerdings richtet die Politik den Fokus zu wenig auf Investitionen und Wachstum.

PDF herunterladen
Es drohen Fehlanreize und Verschiebebahnhof
Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 58 9. Juli 2025

Bereichsausnahmen der Schuldenbremse: Es drohen Fehlanreize und Verschiebebahnhof

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mit der zügigen Aufstellung des Haushalts für 2025 zeigt die Bundesregierung ihren Handlungswillen. Die haushaltspolitische Lähmung der vergangenen Jahre scheint überwunden. Allerdings richtet die Politik den Fokus zu wenig auf Investitionen und Wachstum.

Die neue Bundesregierung verfügt durch die Ausnahmeregelungen für Ausgaben im Bereich Verteidigung und Sicherheit sowie das eingerichtete Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen über einen bemerkenswerten finanziellen Handlungsspielraum, wie der zweite Haushaltsentwurf für 2025 und die Eckwerte für 2026 bis 2029 zeigen. Für die kommenden Jahre ist eine kontinuierlich hohe Nettokreditaufnahme vorgesehen – sie steigt von 143,1 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf 185,5 Milliarden Euro im Jahr 2029 (BMF, 2025a).

Die Bundesregierung plant, die NATO-Quote bis zum Jahr 2029 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anzuheben. Dabei sollen die Verteidigungsausgaben weitgehend über Kredite finanziert werden. Neben dem bestehenden Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro stellt die Bereichsausnahme für Verteidigung und Sicherheit die Finanzierung sicher. Demnach dürfen entsprechende Ausgaben oberhalb von 1 Prozent des BIP kreditfinanziert sein, ohne dass diese Kredite auf den Verschuldungsspielraum der Schuldenbremse angerechnet werden. Insgesamt ist von 2025 bis 2029 eine Kreditaufnahme in Höhe von 455 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der im Vergleich zu den öffentlichen Investitionen geringen Wachstumseffekte sollten sämtliche Verteidigungsausgaben mittelfristig – nach Ausgleich der über viele Jahre verursachten Unterausstattung der Bundeswehr – aus laufenden Einnahmen finanziert werden.

Zusätzlichkeit des Sondervermögens sicherstellen

Die geplanten Investitionen des Bundes im Kernhaushalt und in dem 500 Milliarden Euro großen Sondervermögen summieren sich von 98 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf bis zu 118 Milliarden Euro im Jahr 2029. Der Investitionsbegriff bezieht sich dabei nicht nur auf Sachinvestitionen, also zum Beispiel Bauvorhaben, sondern auch auf Zuschüsse und Darlehen, die nicht unmittelbar in den öffentlichen Kapitalstock fließen. Nicht eingerechnet sind finanzielle Transaktionen, die sich in den Jahren 2025 und 2026 auf insgesamt rund 25 Milliarden Euro belaufen. Dabei vergibt der Bund Eigenkapital oder Darlehen vornehmlich an die Deutsche Bahn sowie die Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, ohne dass diese Ausgaben des Bundes den Spielraum der Schuldenbremse tangieren, da es sich formal um einen Vermögenstausch handelt. 

Inhaltselement mit der ID 14660 Inhaltselement mit der ID 14661
Inhaltselement mit der ID 14662

Auch wenn die Investitionsausgaben einen nominalen Rekord erreichen, soll nach den Plänen der Bundesregierung das Investitionsniveau in Kernhaushalt und Sondervermögen ab dem Jahr 2026 stagnieren. Zu berücksichtigen ist beim Sondervermögen, dass sich die 500 Milliarden Euro über die kommenden zwölf Jahre auf den Kernhaushalt des Bundes (300 Milliarden Euro), den Klima- und Transformationsfonds (KTF, 100 Milliarden Euro) und die Länder einschließlich Kommunen (100 Milliarden Euro) verteilen. Ein Unsicherheitsfaktor ist die Mittelverwendung, vor allem bei den Ländern. 

Bund: Wenn der Bund eine für den Kernhaushalt „angemessene Investitionsquote“ (Artikel 143h GG) ausweist, darf er für weitere Investitionen auf das Sondervermögen zurückgreifen. Diese Zusätzlichkeitsklausel soll eine Verschiebung von investiven zu konsumtiven Ausgaben verhindern, wodurch die positiven Effekte auf Standortbedingungen und Potenzialwachstum gemindert würden. Der Bund hat eine Mindestquote von 10 Prozent als angemessen beschlossen, wobei finanzielle Transaktionen und Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit oberhalb von 1 Prozent des BIP im Nenner nicht mitgerechnet werden (Deutscher Bundestag, 2025). Die Nichtberücksichtigung eines Teils der Verteidigungsausgaben verkleinert den Nenner, ohne dass diese Regelung inhaltlich begründet wird (BMF, 2025a, 9; 2025b). Die Bundesregierung erreicht zwar nach ihren Berechnungen die Mindestquote von 10 Prozent. Müssten jedoch Verteidigungsausgaben in Höhe von 1,5 Prozent statt 1 Prozent vom BIP aus laufenden Einnahmen finanziert werden, läge die Investitionsquote hypothetisch unter 10 Prozent. Der niedrig angesetzte Grenzwert der Bereichsausnahme für Verteidigung mindert folglich die geforderten Investitionen zum Erreichen der Mindestquote. Aus ökonomischer Sicht sollten sämtliche Verteidigungsausgaben einbezogen werden, um ein klares und unverfälschtes Bild der Investitionstätigkeit zu erhalten. Denn unabhängig von der Finanzierungsfrage handelt es sich um reguläre Ausgaben des Bundes. Sofern diese Ausgaben im Nenner berücksichtigt werden, beträgt der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben in den Jahren 2025 bis 2027 lediglich gut 9 Prozent, im Jahr 2029 fällt er sogar auf 8 Prozent (Abbildung). Im Jahr 2025 fehlen damit mehr als 5 Milliarden Euro Investitionen im Kernhaushalt, um die geforderte Investitionsquote von 10 Prozent ohne Herausrechnen eines Teils der Verteidigungsausgaben zu erfüllen, im Jahr 2029 wären es sogar mehr als 11 Milliarden Euro. Im Zeitraum von 2025 bis 2029 fallen die geplanten Investitionen um kumuliert 34 Milliarden Euro zu gering aus. Zudem ist die Investitionsquote von 10 Prozent ohnehin wenig ambitioniert, da der Wert in der jüngeren Vergangenheit durchschnittlich höher lag (Hentze et al., 2025). Bei einer Mindestquote von 11 Prozent müssten die Investitionen des Bundes pro Jahr rund 5 Milliarden Euro mehr betragen. Insgesamt müsste der Bund bei restriktiveren Vorgaben für kreditfinanzierte Verteidigungsausgaben und Investitionsquote zwischen 2025 und 2029 rund 60 Milliarden Euro mehr im Kernhaushalt investieren, um erst auf das Sondervermögen zugreifen zu können. 

KTF: Bei den 100 Milliarden Euro für den KTF gibt es keine Voraussetzungen für die Mittelverwendung. Der KTF wird pro Jahr um 10 Milliarden Euro aufgestockt, so dass für das Jahr 2025 ein Ausgabenvolumen von knapp 37 Milliarden Euro erreicht wird. Da die Ausgaben nicht den verschiedenen Einnahmenarten (Erlöse aus CO2-Bepreisung, Entnahme Rücklage, Zuweisung Sondervermögen) zugeordnet sind, lässt sich auch nicht bestimmen, welche konkreten Ausgaben mit dem Geld aus dem Sondervermögen finanziert werden. Mittel des KTF fließen im Jahr 2025 zu rund 45 Prozent in den Klimaschutz im Gebäudebereich. Insgesamt 17 Prozent der Ausgaben entfallen auf den Ausgleich der Gasspeicherumlage sowie auf Zuschüsse an stromintensive Unternehmen. Im Jahr 2025 liegt die Investitionsquote im KTF bei 75 Prozent, im Jahr 2026 bei 60 Prozent. Somit werden mit den Milliarden aus dem Sondervermögen zumindest nicht ausschließlich Investitionen finanziert.

Länder/Kommunen: Zwar sollen auch die 100 Milliarden Euro für Länder und Kommunen – 40 Prozent für die Länder, 60 Prozent für die Kommunen – investiv verwendet werden, allerdings ist die Realisierung des Ziels mehr als fraglich. Denn für Länder und Kommunen soll auf jede Form einer Zusätzlichkeitsklausel verzichtet werden. Daher ist es möglich, dass ohnehin geplante Investitionsvorhaben mit den Mitteln des Sondervermögens finanziert werden und die freiwerdenden Mittel zum Stopfen von Haushaltslöchern oder für Konsumausgaben eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund sollten die Länder ihrer Verantwortung für die Kommunen gerecht werden und zusagen, dass zumindest die durchschnittliche Investitionsquote der vergangenen Jahre von Land und Kommunen je Bundesland um den jeweiligen Betrag aus dem Sondervermögen übertroffen wird. Damit hätten die Länder einen Anreiz darauf zu achten, dass die Mittel investiv verwendet werden. 

Schuldenstandsquote steigt auf rund 73 Prozent

Für die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen ist es von zentraler Bedeutung, dass das Sondervermögen eine Stärkung des Potenzialwachstums bewirkt. Dadurch kann auch der Anstieg der Staatsschuldenquote gebremst werden, die sich bis 2029 voraussichtlich um etwa 10 Prozentpunkte auf rund 73 Prozent erhöht. Der durch wachsende Zinslasten und die beginnende Tilgung der pandemiebedingten Kredite steigende Konsolidierungsbedarf im Bundeshaushalt liegt bis 2029 kumuliert bei 144 Milliarden Euro. Doch statt die Sozialsysteme strukturell zu verändern, plant die Regierung steigende Sozialausgaben. Sollten weiterhin geplante Investitionsmittel nicht abgerufen werden, würde dies zwar kurzfristig zum Haushaltsausgleich beitragen, jedoch langfristig dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden. Ein Unterschreiten der Soll-Werte stellt zudem die Zusätzlichkeit in Frage. Im Jahr 2023 sind beim Bund rund 20 Milliarden Euro in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung weniger abgeflossen als geplant war. Angesichts der kurzfristigen Aufstockung der Investitionsmittel hängt der Erfolg des Sondervermögens von der Schaffung von Kapazitäten in der Privatwirtschaft und von schnellen sowie unbürokratischen Planungs- und Genehmigungsverfahren ab.

PDF herunterladen
Es drohen Fehlanreize und Verschiebebahnhof
Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 58 9. Juli 2025

Bereichsausnahmen der Schuldenbremse: Es drohen Fehlanreize und Verschiebebahnhof

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Grundsteuer der 100 größten deutschen Städte im Vergleich
Johannes Ewald / Felix Heyer / Hanno Kempermann Gutachten 13. November 2025

Grundsteuerranking 2025: Grundsteuer der 100 größten deutschen Städte im Vergleich

Im Grundsteuerranking 2025 werden nach 2024 erneut die 100 einwohnerstärksten Städte Deutschlands verglichen. Anlass dafür ist die Grundsteuerreform, die nicht nur die individuelle Grundsteuerbelastung von Immobilieneigentümern beeinflusst sondern auch zu ...

IW

Artikel lesen
Björn Kauder / Ramona Schmid* IW-Report Nr. 56 12. November 2025

Stellungnahme zum Thüringer Gesetz zur Änderung des kommunalen Finanzausgleichs

Das ifo Institut und das Institut der deutschen Wirtschaft haben in den Jahren 2024 und 2025 den kommunalen Finanzausgleich in Thüringen in seiner horizontalen Dimension begutachtet sowie die mit der Reform der kreislichen Schlüsselmasse zusammenhängenden ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880