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Thomas Obst IW-Kurzbericht Nr. 25 2. April 2023 Stress im Finanzsystem - Wirtschaftliche Auswirkungen einer Bankenkrise

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank hat zu einer drastischen Kurskorrektur an den Finanzmärkten geführt. Die Übernahme der angeschlagenen Credit Suisse durch UBS hat die Krise nach Europa gebracht. Welche konjunkturellen Folgen wären bei einer Bankenkrise in den USA und Deutschland zu erwarten?

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Stress im Finanzsystem - Wirtschaftliche Auswirkungen einer Bankenkrise
Thomas Obst IW-Kurzbericht Nr. 25 2. April 2023

Stress im Finanzsystem - Wirtschaftliche Auswirkungen einer Bankenkrise

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank hat zu einer drastischen Kurskorrektur an den Finanzmärkten geführt. Die Übernahme der angeschlagenen Credit Suisse durch UBS hat die Krise nach Europa gebracht. Welche konjunkturellen Folgen wären bei einer Bankenkrise in den USA und Deutschland zu erwarten?

Die Silicon Valley Bank (SVB) wurde am 10. März zahlungsunfähig, nachdem es Wertpapiere unter Wert verkaufen musste, um Liquiditätsengpässe zu verhindern. Die Insolvenz folgte einem Bank-Run verunsicherter Einleger. Der Zusammenbruch des 40 Jahre alten Instituts wurde damit zur größten Bankenpleite seit der Globalen Finanzkrise (GFK) 2008 und führte zu Panik und Herdenverhalten bei den Anlegern, die auch andere regionale U.S. Banken wie die First Republic in Mitleidenschaft zog. Nur eine Woche nach der Pleite der SVB kam die Aktie der Credit Suisse stark unter Druck und führte zu einem staatlich orchestrierten Kauf durch die UBS. Die Übernahme hat die Krise damit nach Europa gebracht.

Der Zusammenbruch der SVB hat Wellen geschlagen. So sind die globalen Aktienmärkte um 5 Prozent seit Anfang Februar gefallen. Die Renditen auf zweijährige US-Anleihen sind im März von über 5 Prozent binnen einer Woche auf 3,8 Prozent abgesackt. Die europäischen Bankaktien haben etwa 12 Prozent seit Anfang Februar eingebüßt. Besonders drastisch war aber der Einbruch bei den Aktienkursen regionaler US-Banken, die im Schnitt um 30 Prozent gesunken sind.

Bankenkrise statt Finanzkrise

Finanzkrisen wie die GFK können zu umfangreichen realen BIP-Verlusten von bis zu 3 Prozent in der kurzen Frist führen (Kenny et al. 2020). Selbst wenn die aktuelle Krise mit kleineren regionalen Banken in den USA startet, können substanzielle negative Auswirkungen die Folge sein. Verglichen mit der GFK ist die gegenwärtige Situation aber nicht mit neuartigen, unregulierten Finanzinstrumenten verbunden. Es geht um Banken und deren Fähigkeit in dem Umfeld gestiegener Zinsen ihr bisheriges Geschäftsmodell – Risiko- und Fristentransformation – angemessen betreiben zu können (Hüther, 2023).

Die Banken befanden sich ebenso wie die Kreditnehmer angesichts expansiver Geldpolitik in einer Situation mit moderaten Inflationsraten und sehr niedrigen Zinsen; sie stehen jetzt unter Anpassungsdruck. Somit ist das dominierende Risiko der Zinserhöhungspfad der Zentralbanken und nicht etwa Kreditrisiken aus der Realwirtschaft, die auf die Bankbilanzen durchschlagen wie in der GFK (Hüther, 2023). Wie 2008 geht es aber auch heute darum, eine Misstrauensbekundung zu verhindern. Die Folge war damals ein Abzug liquider Mittel und ein Einfrieren der Kreditvergabe im Interbankenmarkt. Darunter leidet die private Investitionstätigkeit besonders stark.

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Durch die durchgeführten konzertierten Aktionen der EZB und der FED gibt es derzeit keine Anzeichen für ein solches Einfrieren der Kreditvergabe. Die FED rechnet eher mit einer Verschärfung der Kreditbedingungen durch die fallenden Bankbewertungen. Bisher halten die Zentralbanken somit an Ihrer Linie der Inflationsbekämpfung fest. Die EZB hat den Leitzins auf 3,5 Prozent und die FED in den Bereich von 5 Prozent erhöht. In den USA liegt der Leitzins damit wieder fast auf dem Niveau von 2007, in der Eurozone fehlen nur noch 50 Basispunkte. Die Geschwindigkeit und der Umfang der Zinserhöhungen ist allerdings im Vergleich zur GFK deutlich höher, da sie diesmal aus der Phase der Nullzinspolitik kamen.

Modellierung einer Bankenkrise

Die Transmissionskanäle einer Bankenkrise sind vielfältig. Sie beinhalten unter anderem negative Vermögenseffekte. Es können reale BIP-Verluste entstehen, da Unternehmen Ihre Investitionen herunterfahren. Die GFK im Jahr 2008 hat außerdem gezeigt, dass es zu fiskalischen Kosten durch staatliche Rettungsmaßnahmen kommen kann.

Um die makroökonomischen Auswirkungen einer Bankenkrise zu untersuchen haben wir ein Szenario mithilfe des Global Economic Model von Oxford Economics erstellt. Das Modell ist in der kurzen Frist keynesianisch, sodass nachfragebedingte Veränderungen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung beeinflussen. Hier spielen vor allem die negativen Vermögenseffekte für den privaten Konsum eine Rolle. In der langfristigen Betrachtung ist das Modell monetaristisch. Die wirtschaftliche Entwicklung wird maßgeblich durch Angebotsfaktoren beeinflusst. Hier wirkt sich die Verschlechterung der Kreditstandards auf die private Investitionstätigkeit aus.

Unser Basisszenario geht davon aus, dass eine Bankenkrise vermieden werden kann. Selbst wenn eine umfassende Bankenkrise zurzeit ein Tail-Risiko ist, ist eine gewisse Verschiebung in der Preisbildung und Marktneubewertungen aber nicht überraschend. Im ersten Szenario nehmen wir also an, dass es im Vergleich zum Basisszenario zu einer Bankenkrise kommt, die über drei Transmissionskanäle auf die Realwirtschaft wirkt:

  • Finanzmarktumulte führen zu Kursverlusten an den globalen Aktienmärkten.
  • Verschärfte Kreditbedingungen führen zu einem Rückgang bei der Kreditvergabe und belasten die private Investitionstätigkeit.
  • Vermögensverluste führen zu einem Rückgang beim privaten Konsum.

Die Abbildung zeigt die Ergebnisse der Modellsimulati-onen verglichen mit dem Basisszenario ohne Bankenkrise. Sollten sich die Kreditbedingungen verschärfen, würde die private Investitionstätigkeit in Deutschland um 1,1 Prozent 2023 und 5,8 Prozent 2024 sinken. In den USA sind die Effekte ähnlicher Größenordnung mit einem Rückgang von bis zu 5,5 Prozent im Jahr 2024. Sie sinken in den USA 2023 etwas stärker, da in der aktuellen Lage besonders die Gewerbeimmobilien betroffen sind. Die ins Straucheln geratenen regionalen US-Banken sind für etwa zwei Drittel der Kreditvergabe an diesen Sektor verantwortlich. Die Wohnbauinvestitionen dürften also kräftig einbrechen.
Der private Konsum schwächt sich aufgrund fallender Vermögenspreise und geringerer verfügbarer Einkommen deutlich ab. In Deutschland fällt dieser im Jahr 2023 um 0,4 Prozent und im Jahr 2024 um 2,2 Prozent. In den USA ist der Einbruch aufgrund der größeren Bedeutung der Aktienmärkte noch höher. Hier geht der private Verbrauch um bis zu 2,5 Prozent 2024 zurück. Die Effekte sind durchweg höher im nächsten Jahr, da sich die exogenen Schocks wie die Verschlechterung der Kreditbedingungen erst mit Zeitverzögerung auswirken.

Für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung würde eine Bankenkrise in Deutschland ein um 0,5 Prozent geringeres preisbereinigtes BIP im Jahr 2023 und um 2 Prozent geringere Wirtschaftsleistung im Jahr 2024 bedeuten (Niveaueffekt). Für die USA liegt das reale BIP 0,7 Prozent in diesem und 2,1 Prozent im nächsten Jahr unter dem Basisszenario. Die wirtschaftliche Erholung im Zuge der geldpolitischen Straffung würde in den USA damit erheblich verlangsamt. Bezogen auf das Wirtschaftswachstum würde die US-amerikanische Volkswirtschaft nur noch um 0,2 Prozent 2023 wachsen, und 2024 mit einer Rate von minus 0,8 Prozent in eine Rezession schlittern. Ein von der FED angestrebtes „Soft-Landing“ wäre dann also vom Tisch.

In Deutschland würde die Bankenkrise zu einer Rezession 2023 und 2024 führen. Zur Orientierung: In der IW-Prognose (2023) gehen wir in Deutschland von einem leichten Wirtschaftswachstum von ¼ Prozent in diesem Jahr aus. Sollten die simulierten Auswirkungen eintreten, würde das Wachstum 0,5 Prozentpunkte darunter liegen, also bei minus ¼ Prozent. Somit zeigen die durchgeführten Modellsimulationen den enormen Einfluss, den eine Bankenkrise auf die deutsche und amerikanische Wirtschaft nehmen könnte. Vieles hängt im weiteren Verlauf von einer angemessenen Reaktion der Zentralbanken ab, um eine Ansteckungsgefahr auf die Gesamtwirtschat zu unterbinden.

Was kommt jetzt noch?

Durch die jüngsten Turbulenzen im europäischen und US-Bankensystem ist der wirtschaftliche Ausblick eingetrübt. Bislang sahen wir erwartbare konjunkturelle Bremsspuren einer strafferen Geldpolitik. Nun zeigt sich aber, dass einzelne Banken überfordert sind. Sie kommen in Schwierigkeiten, bevor die Inflationsbremsen der Zentralbanken richtig greifen. Insgesamt fehlten den US-Banken beim Auslaufen der Niedrigzinsphase die notwendigen Puffer, die sie gegen die Wertverluste der Bankaktiva einsetzten hätten können.

Während die FED in die Finanzdominanz der Geldpolitik geraten könnte, ergibt sich weiterer Druck für die EZB durch die hohen Lohnforderungen in Deutschland, die zu einer Lohn-Preis-Spirale führen könnten und damit den Kampf gegen die Inflation verlängern. Aufgrund der angespannten konjunkturellen Lage steigt der Druck auf die Zentralbanken, die bisherige Zinspolitik auf den Prüfstand zu stellen.

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