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Susanna Kochskämper IW-Kurzbericht Nr. 19 6. März 2020 Gender Pension Pay Gap: Lehren für die Zukunft?

Frauen erhalten im Durchschnitt je nach Datenquelle zwischen 37 und 46 Prozent weniger Renteneinkommen als Männer. Die OECD attestiert Deutschland damit den größten sogenannten „Gender Pension Pay Gap“ unter den OECD-Staaten. Auch wenn diese Zahl nur bedingt etwas über die finanzielle Situation der Seniorinnen aussagt, können dennoch Schlussfolgerungen gezogen werden.

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Lehren für die Zukunft?
Susanna Kochskämper IW-Kurzbericht Nr. 19 6. März 2020

Gender Pension Pay Gap: Lehren für die Zukunft?

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Frauen erhalten im Durchschnitt je nach Datenquelle zwischen 37 und 46 Prozent weniger Renteneinkommen als Männer. Die OECD attestiert Deutschland damit den größten sogenannten „Gender Pension Pay Gap“ unter den OECD-Staaten. Auch wenn diese Zahl nur bedingt etwas über die finanzielle Situation der Seniorinnen aussagt, können dennoch Schlussfolgerungen gezogen werden.

Ein „Gender Pension Pay Gap“ von 46 Prozent und ein (negativer) Platz 1 unter den OECD-Staaten wirft auf den ersten Blick kein gutes Licht auf die Gleichstellung von Frauen in Deutschland (OECD, 2019). Der „Gender Pension Pay Gap“ bezeichnet den prozentualen Unterschied zwischen der durchschnittlichen Rente der Männer und der Frauen. Zwar kommt Eurostat (2020a) auf Basis derselben Daten für das Jahr 2018 auf einen „Gender Pension Pay Gap“ von 37,4 Prozent und damit für Deutschland auf Platz 6 in der EU. Auch dies ist jedoch kein rühmliches Ergebnis. Allerdings ist es wichtig, diese Zahl etwas genauer einzuordnen.

Gesetzliche Rente stark abhängig von Erwerbsbiografie

Insbesondere die gesetzlichen Renten waren und sind in Deutschland sehr stark von der individuellen Erwerbs- oder noch präziser von der Beitragsbiografie abhängig. Das ist nicht in allen OECD- und EU-Staaten gleichermaßen der Fall. Die deutsche Rentenversicherung funktioniert stark nach dem Prinzip der sogenannten Teilhabeäquivalenz. Das heißt, je höher die eigenen Beitragszahlungen während des Erwerbslebens im Vergleich zu den anderen waren, desto höher sind im Vergleich auch die eigenen Rentenansprüche. Grundsicherungselemente finden sich in ihr hingegen kaum, diese Absicherung findet in aller Regel außerhalb der Rentenversicherung statt. Gleichzeitig werden zwar auch Kindererziehungszeiten berücksichtigt, im Gegensatz zu den gezahlten Beiträgen spielen sie aber eine untergeordnete Rolle.

Der „Gender Pension Pay Gap“ spiegelt daher für Deutschland sehr deutlich die unterschiedlichen Beitragsbiografien (und damit Erwerbsbiografien) von Männern und Frauen wider: Lange, oft familienbedingte Auszeiten vom Erwerbsleben und Teilzeitarbeit, beides insbesondere in Westdeutschland, aber auch eine geringere Bezahlung, beispielsweise aufgrund der Berufswahl, führten dazu, dass Frauen in der Vergangenheit im Durchschnitt deutlich weniger in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben als Männer.

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Unterschiede in Armutsgefährdung

Laut Statistischem Bundesamt (2016, 32) finanzieren Seniorinnen und Senioren ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Renten und Pensionen. Dennoch scheint die materielle Situation von Frauen und Männern im Rentenalter nicht ganz so stark zu divergieren, wie es der „Gender Pension Pay Gap“ vielleicht erwarten ließe: 2018 waren von den 65-Jährigen und Älteren 3,0 Prozent der Männer und 3,2 Prozent der Frauen auf Grundsicherung im Alter angewiesen (Statistisches Bundesamt, 2020a, 2020b; eigene Berechnungen). Vergleicht man die Armutsgefährdungsquoten bei den Seniorinnen und Senioren, zeigt sich zwar ein etwas größerer Unterschied – so hatten laut Eurostat-Daten (2020b) im Jahr 2018 16,5 Prozent der Männer und 19,8 Prozent der Frauen im Alter von 65 Jahren und älter ein Nettoäquivalenzeinkommen von 60 Prozent und weniger des Medianeinkommens zur Verfügung. Mit diesem Unterschied von 3,3 Prozentpunkten liegt Deutschland jedoch sogar noch unterhalb des Durchschnitts der EU-28 von 4,6 Prozentpunkten. Finnland beispielsweise, das laut Eurostat-Daten (2020a) einen um 14 Prozentpunkte niedrigeren „Gender Pension Pay Gap“ aufweist und in diesem Bereich weit unterhalb des EU-Durchschnitts liegt, schneidet bezüglich der Armutsgefährdung von Seniorinnen mit 8 Prozentpunkten Unterschied zu den gleich alten Männern deutlich schlechter ab. Dass die Unterschiede in Deutschland zwar sichtbar, aber nicht so ausgeprägt wie der „Gender Pension Pay Gap“ sind, kann unter anderem damit erklärt werden, dass viele deutsche Rentnerinnen mit vom Einkommen ihres Ehe- beziehungsweise Lebenspartners leben. Deutlichere Unterschiede gibt es hingegen bei allein lebenden Seniorinnen und Senioren: So mussten beispielsweise im Jahr 2014 21 Prozent der allein lebenden Frauen ab 65 Jahren mit weniger als 900 Euro monatlich auskommen, aber nur 15 Prozent der Männer (Statistisches Bundesamt, 2016, 33).

„Entwarnung“ für die Zukunft?

Ist somit alles halb so wild und der „Gender Pension Pay Gap“ nur ein Bild der Vergangenheit, das mit der Zukunft wenig zu tun hat? Jein. Mindestens kann er Anlass geben, über die heutige Situation von Frauen, Erwerbsarbeit, Aufteilung der „Care-Arbeit“ und Rollenbildern zu reflektieren. Denn: Zwar hat sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den letzten Jahren deutlich erhöht. Dieser Beschäftigungsaufbau basiert allerdings fast allein auf Teilzeitbeschäftigung (Bundesagentur für Arbeit, 2019, 10). Unter anderem dadurch unterscheiden sich die durchschnittlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommen von Frauen und Männern weiterhin sichtlich, wie eine Auswertung der Daten aus dem Jahr 2018 der Deutschen Rentenversicherung (2020) zeigt (Abbildung): Im Querschnitt liegt das Einkommensprofil der Männer ab 30 Jahren auch heute noch deutlich über dem der Frauen, was auch in Zukunft einen „Gender Pension Pay Gap“ erwarten lässt (Erklärungen zu diesem „Gender Pay Gap“ liefert eine umfangreiche, wissenschaftliche Literatur). Das aber vor dem Hintergrund, dass Ehen heute weniger stabil, das Unterhaltsrecht anders und damit die Situation der Hausfrauen und Zweitverdienerinnen eine andere ist als die ihrer Mütter und Großmütter. Dies ist nicht nur eine rein private Angelegenheit zwischen Paaren, auch gesellschaftlich ist es wichtig, kontinuierlich zu überprüfen, ob gegebenenfalls Rahmenbedingungen anzupassen sind. Ist beispielsweise die kostenfreie Mitversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung noch zeitgemäß, oder setzt sie problematische Arbeitsanreize? Ist das Elterngeld, ähnlich wie beispielsweise in Österreich das Kinderbetreuungsgeld, so auszugestalten, dass es nicht für beide Partner gleichzeitig ausgezahlt werden kann? Es bleiben viele weitere Fragen. Der „Gender Pension Pay Gap“ sollte daher auch weiterhin Anlass zur Diskussion bieten, allerdings mit dem Wissen, dass er sich weniger als Maß für die tatsächliche, materielle Situation von Frauen eignet, sondern vielmehr ihre (vergangene) Arbeitsmarktsituation spiegelt.

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Susanna Kochskämper: Gender Pension Pay Gap – Lehren für die Zukunft?

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