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Sonja Beer IW-Kurzbericht Nr. 73 22. Oktober 2019 Handelskrieg: Die ersten Folgen

Obwohl es jüngst zu einer leichten Entschärfung kam, hat der seit mehr als einem Jahr andauernde Handelskrieg zwischen China und den USA seine Spuren hinterlassen. Der Handel zwischen den beiden Ländern hat in den letzten Monaten starke Einbußen erlitten. Doch es gibt auch lachende Dritte: Mexiko, Kanada und Frankreich konnten davon kurzfristig profitieren. Das gilt ebenfalls für die Europäische Union als Ganzes, aber etwas weniger für Deutschland.

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Die ersten Folgen
Sonja Beer IW-Kurzbericht Nr. 73 22. Oktober 2019

Handelskrieg: Die ersten Folgen

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Obwohl es jüngst zu einer leichten Entschärfung kam, hat der seit mehr als einem Jahr andauernde Handelskrieg zwischen China und den USA seine Spuren hinterlassen. Der Handel zwischen den beiden Ländern hat in den letzten Monaten starke Einbußen erlitten. Doch es gibt auch lachende Dritte: Mexiko, Kanada und Frankreich konnten davon kurzfristig profitieren. Das gilt ebenfalls für die Europäische Union als Ganzes, aber etwas weniger für Deutschland.

Handelsstreit: Entspannung in Sicht?

Der US-Präsident Donald Trump hat vor Kurzem eine Teileinigung mit China verkündet – der Streit dürfte sich fürs Erste entschärfen. Ob die jetzige Teilvereinbarung in den kommenden Monaten tatsächlich in ein dauerhaftes Handelsabkommen hineinfließen wird, bleibt abzuwarten. Die Skepsis ist groß, obwohl dies ein Schritt in die richtige Richtung ist. Die USA und China liefern sich seit über einem Jahr einen Handelskrieg – sowohl das Weiterdrehen der Strafzoll-Spirale als auch die Vorwürfe der Währungsmanipulation tragen hierzu bei. Durch die Entscheidung der Zentralbank Chinas, die Währung auf den niedrigsten Stand seit der großen Rezession fallen zu lassen, wurde China seitens der US-Regierung offiziell als Währungsmanipulator gebrandmarkt, was China entschieden zurückwies. Das hatte den Handelsstreit zusätzlich verschärft, ebenso wie die von der amerikanischen Regierung veröffentlichten schwarzen Listen für weitere chinesische Unternehmen sowie die Einreiseverbote für die chinesischen Funktionäre.

Handelsbeeinträchtigung vs. Handelsumlenkung

Eine protektionistische Handelspolitik beeinträchtigt den Handel. So wird das Importvolumen des betroffenen Handelspartners zugunsten weniger wettbewerbsfähiger einheimischer Erzeugnisse verringert. Das geht zulasten der inländischen Verbraucher, die unter höheren Preisen leiden.

Eine protektionistische Handelspolitik gegenüber einem einzelnen Handelspartner kann potenziell zu einer Handelsumlenkung zugunsten der anderen Handels­partner führen. Ein Indiz dafür wären aus Sicht des protektionistischen Landes rückläufige Importanteile des betroffenen Handelspartners und steigende Importanteile der Drittländer. Diverse Analysten spekulieren über mögliche positive Effekte besonders für Vietnam, Kambodscha und Mexiko, aber auch für die Europäische Union (EU) und Deutschland.

Von einem Handelskrieg zwischen zwei großen Welthandelspartnern profitiert langfristig jedoch niemand. So beeinträchtigen die Folgen des Handelskriegs zwischen den USA und China das globale Wirtschaftswachstum. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat zum dritten Mal in diesem Jahr seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum nach unten korrigiert. Als Begründung wurde vor allem der andauernde Handelskrieg genannt, aber auch der Brexit und die angespannte Situation in der Golf-Region. Diese Spannungen erhöhen die Unsicherheit und dämpfen die Konjunkturperspektiven.

Importe Chinas aus den USA rückläufig

Die Tabelle illustriert die Entwicklung der Importe Chi­nas aus ausgewählten Ländern im Zeitraum zwischen Anfang 2018 (Durchschnitt: Januar bis März 2018) und Frühjahr 2019 (Durchschnitt: April bis Juni 2019). Insgesamt stiegen die chinesischen Importe in diesem Zeitraum von circa 165,7 Milliarden US-Dollar auf 171,2 Milliarden US-Dollar. Die chinesischen Importe aus den USA sanken dagegen kontinuierlich von circa 14 Milliarden US-Dollar Anfang 2018 auf 10,3 Milliarden US-Dollar im Frühjahr 2019. Dieser Rückgang um mehr als ein Viertel ist ein klares Anzeichen für eine beeinträchtigte Handelsbeziehung zwischen China und den USA. In der Folge ging der Anteil der Einfuhren aus den USA an allen chinesischen Importen im genannten Zeitraum von 8,4 Prozent auf rund 6 Prozent zurück.

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Sinkende Importanteile der USA sind zwangsläufig mit steigenden Importanteilen von Drittländern verbunden. Die Tabelle zeigt, welche Länder besonders profitiert haben (in absoluten Zahlen). Die größten Gewinner sind Brasilien, Australien und Malaysia, die ihre monatlichen Exporte nach China um 1,5 Milliarden US-Dollar, 1,4 Milliarden US-Dollar und 1,2 Milliarden US-Dollar erhöhten. Damit sind weit überproportionale Zuwachsraten verbunden, die Anteilsgewinne mit sich bringen. Auch die Importe aus Japan stiegen von 13,8 auf 14,2 Milliarden US-Dollar leicht an, allerdings bei konstantem Importanteil. Das gilt abgesehen von Malaysia nur sehr begrenzt für Länder im aufstrebenden Asien, obwohl die Hoffnung groß war, dass es vor allem dort zu positiven Umlenkungseffekten kommen könnte. Die chinesischen Importe aus Vietnam und Südkorea waren trotz hoher Schwankungen um 0,24 und 1,17 Milliarden US-Dollar sogar niedriger als im Anfangsstadium des Handelskriegs.

Auch die EU als Ganzes konnte mit einem Importanstieg von 2,3 Milliarden US-Dollar leicht überproportional hinzugewinnen und ihren Importanteil von 12,8 auf 13,7 Prozent etwas ausbauen. Ähnliches gilt für Deutschland, dessen Anteil sich im gesamten Zeitraum leicht von 5,07 auf knapp 5,25 Prozent der gesamten chinesischen Einfuhren erhöhte (Anstieg um rund 0,6 Milliarden US-Dollar und um 7 Prozent). Andere EU-Länder, die ihre Exporte nach China in einem ähnlichen Umfang absolut erhöht haben, sind Frankreich (0,5 Milliarden US-Dollar) und Irland (0,4 Milliarden US-Dollar). Allerdings weisen sie deutlich größere prozentuale Zuwächse von rund einem Viertel und knapp der Hälfte auf und konnten damit ihre Importanteile in relativer Betrachtung noch deutlich stärker als Deutschland zulasten der USA ausbauen.

Sinkende Importanteile Chinas durch höhere Anteile der EU und Mexikos ersetzt

Die Tabelle zeigt ebenfalls die Importe der USA aus ausgewählten Ländern. Insgesamt stiegen die US-Importe in diesem Zeitraum um über 6 Prozent (von 199,7 auf 212,4 Milliarden US-Dollar). Der chinesische Anteil ging zurück, besonders seit September 2018, als der Handelskrieg eskalierte. Er betrug zu Beginn des Jahres 2018 noch 20,5 Prozent, ging bis zum Frühjahr 2019 aber auf 18,9 Prozent zurück. Das Importvolumen schrumpfte von 41 Milliarden US-Dollar auf 37,7 Milliarden US-Dollar um mehr als 8 Prozent. Der Handelskrieg hat offensichtlich deutlich negative Auswirkungen auf die chinesischen Exporte in die USA.

Der Importanteil der EU stieg besonders seit September 2018 deutlich an – von rund 19,3 Prozent Anfang 2018 auf rund 22 Prozent im Juni 2019. Das Einfuhrvolumen wuchs im gleichen Zeitraum von 38,6 Milliarden US-Dollar auf 44 Milliarden US-Dollar – also mit fast 14 Prozent deutlich überproportional. Diese Entwicklung könnte ein Hinweis darauf sein, dass es der EU gelungen ist, einen Teil der sinkenden chinesischen Exporte in die USA zu ersetzen. Das gilt vor allem für Frankreich, die Niederlande und zum Teil für Belgien. Die Importanteile Frankreichs stiegen stark von 2 Prozent Anfang 2018 auf 2,6 Prozent im Frühjahr 2019. Die amerikanischen Importe aus den Niederlanden nahmen auch kontinuierlich zu: Die Importanteile erhöhten sich von 0,9 auf 1,3 Prozent. Vor allem aber stiegen die prozentualen Zuwächse für Belgien (51 Prozent), die Niederlande (50 Prozent) und Frankreich (28 Prozent) sehr stark an. Deutschland scheint jedoch nicht so stark profitiert zu haben – der Anteil Deutschlands nahm von 5,1 Prozent auf 5,2 Prozent leicht zu (0,18 Milliarden US-Dollar), was einem sehr kleinen prozentualen Zuwachs von nur 1,8 Prozent entspricht. Dieser unterdurchschnittliche Anstieg Deutschlands zeigt, dass es die deutschen Exporteure nicht geschafft haben, diese Möglichkeit zu ergreifen. Seit Dezember 2018 stiegen auch die Importanteile Vietnams, was wiederum ein Zeichen für die Handelsum­lenkung sein könnte. Die Importe aus Vietnam erhöhten sich um rund 1 Milliarde US-Dollar (Anstieg von 27 Prozent).

Die Nachbarländer der USA, Mexiko und Kanada, profitierten vom Handelskrieg gemessen am absoluten US-Importzuwachs am meisten. Mexiko schaffte es, seine Exporte in die USA im Zeitraum Anfang 2018 bis Frühjahr 2019 von 27,4 auf 31 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Gleichzeitig gelang es Kanada, mehr Ware im Wert von 2,3 Milliarden US-Dollar in die USA zu verkaufen. Die prozentualen Anstiege sind allerdings nur moderat überproportional: rund 13 Prozent für Mexiko und 9 Prozent für Kanada.

Monatliche Daten unterliegen starken Schwankungen. Die dargestellten Ergebnisse dienen daher nur als Orientierung und müssen mit Vorsicht interpretiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob es infolge des Handelskriegs zwischen den USA und China dauerhaft zu einer erheblichen Handelsumlenkung kommen wird oder der Handelskrieg demnächst doch beigelegt wird.

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