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Simon Schumacher / Lydia Malin IW-Kurzbericht Nr. 18 8. März 2023 Pharmazeutische Kernberufe für Frauen besonders attraktiv

Die pharmazeutische Branche beschäftigt im industriellen Vergleich nicht nur seit langem überdurchschnittlich viele Frauen. Auch der Beschäftigungsaufbau in pharmazeutischen Kernberufen war in den vergangenen Jahren maßgeblich durch Frauen getrieben.

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Pharmazeutische Kernberufe für Frauen besonders attraktiv
Simon Schumacher / Lydia Malin IW-Kurzbericht Nr. 18 8. März 2023

Pharmazeutische Kernberufe für Frauen besonders attraktiv

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die pharmazeutische Branche beschäftigt im industriellen Vergleich nicht nur seit langem überdurchschnittlich viele Frauen. Auch der Beschäftigungsaufbau in pharmazeutischen Kernberufen war in den vergangenen Jahren maßgeblich durch Frauen getrieben.

Verglichen mit anderen industriellen Branchen ist der Beschäftigungsanteil von Frauen in den Unternehmen der pharmazeutischen Industrie überdurchschnittlich hoch – im Jahr 2021 lag der Anteil vollzeitbeschäftigter Frauen bei knapp 40 Prozent. Im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes waren es dagegen nur 18 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2022). In der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung ist der Frauenanteil an den Beschäftigten mit einem Anteil von über 50 Prozent besonders hoch (Stifterverband, 2021). Sowohl das ausgewogene Geschlechterverhältnis insgesamt als auch die hohe Bedeutung pharmazeutischer Kernberufe für die Forschung und Entwicklung in der Branche sind mit eine Erklärung, weshalb sich in diesen Berufen bislang eine eher unterdurchschnittliche Belastung durch Fachkräfteengpässe zeigt (Kirchhoff/Malin/Schumacher, 2022). Denn vorherige Analysen konnten zeigen, dass Berufe mit ausgewogenem Geschlechterverhältnis seltener von Fachkräfteengpässen betroffen sind als geschlechtstypische Berufe, in denen überwiegend Männer oder überwiegend Frauen arbeiten (Jansen/Flake/Malin, 2019).

Doch die Herausforderungen am Arbeitsmarkt werden vor dem Hintergrund des demografischen Wandels größer. Perspektivisch wird sich der Fachkräfteengpass berufsfeldübergreifend verschärfen. Auch in den für die Unternehmen der Branche essenziellen pharmazeutischen Kernberufen deutet sich diese Entwicklung am aktuellen Rand an (Schumacher/Malin, 2022).

Beschäftigungsstruktur

Als Kernberufe sind 20 der 205 pharmarelevanten Berufe definiert, die besonders essenziell für die Ausübung branchenspezifischer Tätigkeiten in der Arzneimittelforschung und -produktion sind (Kirchhoff/Malin/Schumacher, 2022). Dabei gilt, dass pharmazeutische Kernberufe eine große Bedeutung für die Pharmaindustrie haben, ohne dass sie zwingend in der Branche ausgeübt werden müssen, da auch andere Branchen um diese Fachkräfte werben. So sind beispielsweise Chemie- und Pharmatechniker:innen sowohl in der pharmazeutischen als auch der chemischen Industrie beschäftigt; Pharmazeutinnen und Pharmazeuten arbeiten nicht nur in der Pharmaindustrie, sondern auch im pharmazeutischen Großhandel oder in Apotheken.

Im Jahr 2021 lag der Anteil sozialversicherungspflichtig beschäftigter Frauen im Berufsfeld der pharmazeutischen Kernberufe bei 45 Prozent. 31 Prozent aller Stellen in diesem Berufsfeld wurden von Frauen in Vollzeit und 14 Prozent von Frauen in Teilzeit besetzt. Männer arbeiten hier überwiegend in Vollzeit – nur 5 Prozent in Teilzeit. Damit bilden vollzeitbeschäftige Männer nach wie vor die größte Gruppe bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

In pharmazeutischen Kernberufen steigt der Anteil sozialversicherungspflichtig beschäftigter Frauen mit dem Anforderungsniveau der Stelle. Auf Fachkraftniveau, das typischerweise eine abgeschlossene Berufsausbildung erfordert, lag der Frauenanteil im Jahr 2021, unabhängig vom Arbeitsumfang, bei 41 Prozent. Auf Spezialistenniveau mit Bachelor- oder Fortbildungsabschluss, wie beispielsweise dem Techniker, lag der Frauenanteil mit 53 Prozent deutlich höher. Auf Expertenniveau mit Master- oder Diplomabschluss waren sogar 56 Prozent der Beschäftigten weiblich.

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Beschäftigungszuwachs

Unternehmen fällt es zunehmend schwerer, am Arbeitsmarkt passend qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, da sie in einem immer stärkeren Wettbewerb um weniger Fachkräfte stehen. Gleichwohl konnte die Beschäftigung in pharmazeutischen Kernberufen in den vergangenen Jahren ausgebaut werden. Während im Jahr 2013 noch 257.177 qualifizierte Beschäftigte in pharmazeutischen Kernberufen tätig waren, stieg deren Anzahl bis zum Jahr 2021 um 20.336 auf 277.513 (Abbildung). Der Zuwachs wurde dabei maßgeblich durch Frauen getrieben: 80 Prozent der im Zeit-raum 2013 bis 2021 zusätzlich geschaffenen Beschäftigung in pharmazeutischen Kernberufen entfiel auf Frauen. Dabei sind 46 Prozent des gesamten Beschäftigungsaufbaus Frauen in Vollzeit und 34 Prozent Frauen in Teilzeit zuzurechnen. Weitere 14 Prozent des Beschäftigungsaufbaus wurden durch Männer in Teilzeit und nur 6 Prozent durch Männer in Vollzeit realisiert.

Damit setzt sich der Beschäftigungsaufbau in pharmazeutischen Kernberufen deutlich anders zusammen als auf dem Arbeitsmarkt insgesamt. Im Durchschnitt über alle Berufe (ohne Helfertätigkeiten) ist der Beschäftigungsaufbau seit 2013 nur mit einem Anteil von 11 Prozent auf Frauen in Vollzeit zurückzuführen. Der überwiegende Teil des Beschäftigungsaufbaus ist mit 39 Prozent hauptsächlich durch in Teilzeit beschäftigte Frauen sowie Männer in Vollzeit, welche 32 Prozent des Beschäftigungszuwachses abdecken, getrieben.

Personalpolitisches Engagement

Beim Beschäftigungszuwachs in den pharmazeutischen Kernberufen fallen zwei Entwicklungen besonders auf:

  • Die Bedeutung von weiblichen Beschäftigten in pharmazeutischen Kernberufen steigt seit 2013 kontinuierlich an.

Der hohe weibliche Beschäftigungszuwachs in pharmazeutischen Kernberufen spiegelt auch die personalpolitischen Entscheidungen und Aktivitäten der Unternehmen wider. Nicht nur attraktive Gehälter und Sozialleistungen sprechen für eine Anstellung in der Branche (Kirchhoff/Schumacher, 2021). Vielmehr setzen pharmazeutische Unternehmen bereits seit Jahren vermehrt auf flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung bei der Kinderbetreuung sowie die Schaffung passender Rahmenbedingungen für einen Wiedereinstieg, um dem Wunsch vieler nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu begegnen. Über solche Angebote kann die Attraktivität von Tätigkeiten und auch Berufen erhöht werden (Jansen/Flake/Malin, 2019). Eine Vielzahl der pharmazeutischen Unternehmen strebt mittelfristig Geschlechterparität an – und das auf allen Qualifikationsniveaus. Die Instrumente, die diese dafür bereits frühzeitig zur Erreichung ihrer Zielsetzung installiert haben, scheinen inzwischen Wirkung zu zeigen. Dies sind ermutigende Entwicklungen, doch ist der Weg noch nicht zu Ende. Auch in pharmazeutischen Unternehmen scheint sich das Phänomen des „Glass-Ceiling-Effects“ zu zeigen. In den Top-Management-Positionen spiegelt sich das ausgewogene Geschlechterverhältnis bislang nicht gleichermaßen wider – doch auch dort holen Frauen auf. So ist in der Pharmaindustrie rund inzwischen jede fünfte Top-Führungskraft eine Frau – 2015 lag der Anteil erst bei 15 Prozent (PwC, 2020).

  • Die Bedeutung von Teilzeitoptionen steigt auch bei den männlichen Beschäftigten.

Das Angebot flexibler Arbeitszeiten scheint nicht nur die Gruppe der Frauen anzusprechen – immer mehr Männer nutzen die Möglichkeit, einer Beschäftigung in Teilzeit nachzugehen. Die Beschäftigungsentwicklungen in den pharmazeutischen Kernberufen geht mit Ergebnissen anderer Studien zu Wunsch und Wirklichkeit bei den Arbeitszeiten konform. So arbeiten Männer zwar nach wie vor tendenziell mehr als Frauen. Doch möchten mehr Männer als Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren, während mehr Frauen als Männer ihre Arbeitszeit ausweiten wollen (Blömer et al., 2021). Die Angebote der Unternehmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und zur Vereinbarkeit kommen damit nicht nur Frauen, sondern auch Männern entgegen – und helfen so, nicht nur neue Beschäftigte zu rekrutieren, sondern auch bereits Beschäftigte in den für die Branche unerlässlichen Kernberufen langfristig zu binden.

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