Im Lichte der Bundestagswahl widmet sich der IW-Verteilungsreport 2021 der Frage, ob die besonders in Wahlkampfzeiten oft bemühte Behauptung einer sich weiter öffnenden Einkommensschere zwischen Arm und Reich der Faktenlage standhält. Dazu wird neben der Entwicklung der Primärverteilung insbesondere die Entwicklung der jährlichen Arbeitseinkommen seit der Wiedervereinigung betrachtet.
IW-Verteilungsreport 2021: Wohlstand für alle? Inklusives Einkommenswachstum vor Corona
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Im Lichte der Bundestagswahl widmet sich der IW-Verteilungsreport 2021 der Frage, ob die besonders in Wahlkampfzeiten oft bemühte Behauptung einer sich weiter öffnenden Einkommensschere zwischen Arm und Reich der Faktenlage standhält. Dazu wird neben der Entwicklung der Primärverteilung insbesondere die Entwicklung der jährlichen Arbeitseinkommen seit der Wiedervereinigung betrachtet.
Als Wohlstandsmaß allein sind die Arbeitseinkommen jedoch nur eingeschränkt geeignet, da die verfügbaren Einkommen nicht nur von der Haushaltsgröße und -struktur abhängen, sondern auch von den zu zahlenden Steuern und Abgaben, den empfangenen Transferleistungen sowie anderen Einkünften. Daher werden neben den Arbeitseinkommen auch die Markteinkommen und die Nettoeinkommen der Haushalte ausführlich betrachtet. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Die Jahre vor Ausbruch der Corona-Pandemie erweisen sich im Rückblick als eine Periode inklusiven Wachstums, in der ähnlich hohe Einkommenswachstumsraten entlang der gesamten Einkommensverteilung beobachtet werden können. Insbesondere nach 2015 ist der Wohlstand breiter Bevölkerungsteile stark gewachsen. Insgesamt erweist sich die relative Verteilung der Einkommen in Deutschland bereits seit 2005 auf unterschiedlichsten Ebenen als bemerkenswert stabil und variiert phasenweise nur leicht. Für den Zeitraum von 2005/06 bis 2016 zeigen Begleitstudien von Kleimann et al. (2020) im Rahmen des 6. Armuts- und Reichtumsbericht auf, dass die positive Beschäftigungsentwicklung isoliert betrachtet zu einer Verringerung der Ungleichheit in den verfügbaren Haushaltseinkommen geführt hätte. Andere Faktoren haben diesem Effekt jedoch entgegengewirkt, beispielsweise die erhöhte Migration nach 2010, sodass die relative Einkommensungleichheit gemessen am Gini-Koeffizienten trotz der positiven gesamtwirtschaftlichen Situation insgesamt nahezu unverändert blieb. Von einer sich stetig vergrößernden relativen Einkommensungleichheit kann jedoch nicht gesprochen werden, auch wenn das Niveau der Ungleichheit heute höher liegt als in 1990er Jahren.
- Auch die Niedrigeinkommensquote (relative Armutsgefährdungsquote) und die relative Einkommensarmutsquote verharren seit 2015 auf einem nahezu unveränderten Niveau von 16 Prozent beziehungsweise 10 Prozent. Der Anstieg gegenüber den Jahren zuvor ist dabei auf unterschiedlichste Faktoren zurückzuführen, beispielsweise auf die erhöhte Migration nach 2010. Diese führte nicht nur zu einem nachweislichen Anstieg der Zahl der Mindestsicherungsempfänger, sondern auch zu einem Anstieg der Niedrigeinkommensquote sowie der Einkommensarmutsquote. Im Gegensatz dazu sank im selben Zeitraum die Zahl der Mindestsicherungsempfänger ohne Migrationshintergrund, wenngleich die absolute Zahl der Mindestsicherungsempfänger im Alter und bei Erwerbsminderung zunahm (die Empfängerquote liegt jedoch seit Jahren um rund 3 Prozent). Jedoch zeigen sich auch bei den neu Hinzugezogenen nach 2015 Erfolge bei der Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt, was sich in einem Rückgang der Gesamtzahl der Mindestsicherungsempfänger ausdrückt.
- Die relative Einkommensreichtumsquote ist seit 2005 ebenfalls nahezu unverändert und verharrt auf einem Niveau von rund 8 Prozent. Aber auch hier ist ein leicht höheres Niveau gegenüber den 1990er Jahren zu verzeichnen, was insbesondere durch die wirtschaftlich schwierigen Jahre zwischen 1999 und 2005 mit relativ hoher Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und einem hohen Anteil unfreiwilliger Teilzeit verbunden war.
- Die Arbeitseinkommen stellen noch immer die weitaus wichtigste Einkommensquelle der Haushalte dar und sind zwischen 1991 und 2018 inflationsbereinigt im Durchschnitt um 12 Prozent gewachsen – nominal waren es 76 Prozent. Allein zwischen 2015 und 2018 stiegen die realen Arbeitseinkommen um über 5 Prozent. In dieser Periode ist nach längerem Stillstand ebenfalls wieder eine leichte Konvergenz der durchschnittlichen realen Arbeitseinkommen zwischen Ost- und Westdeutschland zu beobachten gewesen. 2018 lag das Niveau bei 81,0 Prozent, während es 1991 noch bei 61,3 Prozent lag und 2015 bei rund 77,5 Prozent.
- Für die Entwicklung der durchschnittlichen Höhe der Arbeitseinkommen zeigt sich insbesondere die erhöhte Teilzeiterwerbsquote als Treiber größerer Veränderungen. Der stetig gestiegene Anteil von Teilzeitbeschäftigung hat sich insbesondere in den 2000er Jahren als ein wesentlicher Einflussfaktor für die im Durchschnitt rückläufigen Arbeitseinkommen im unteren Einkommensbereich erwiesen. Teilzeitbeschäftigung wird dabei häufig in durchschnittlich geringer entlohnten Dienstleistungsbranchen wie dem Gastgewerbe oder der Gastronomie ausgeübt. Große Unterschiede im Arbeitseinkommen bestehen ebenfalls nach Bildungsniveau, wobei der Anteil von niedrig Qualifizierten an allen Beschäftigten im Rahmen der Bildungsexpansion der vergangenen Jahrzehnte insgesamt abgenommen hat. Dennoch haben sich die durchschnittlichen Arbeitseinkommen für Personen mit niedrigem Qualifikationsgrad eher unterdurchschnittlich entwickelt und sind in einigen Phasen sogar inflationsbereinigt zurückgegangen.
- Gleichzeitig zeigt sich über den gesamten Zeitraum seit der Wiedervereinigung ein stetig gesunkener Anteil der Haushalte mit positiven Zins- und Kapitaleinkommen. Während die durchschnittliche Einkommenshöhe aus Zinsen und Dividenden gesunken ist, kann ein stetiger Anstieg des Anteils der Haushalte mit positiven Einkommen aus Vermietung und Verpachtung beobachtet werden. Allerdings liegt dieser Anteil auch 2018 nur bei rund 12 Prozent der Bevölkerung, während rund 74 Prozent der Haushalte positive Zins- und Dividendeneinkünfte erzielten. 1991 waren es noch 87 Prozent.
Die Jahre vor Ausbruch der Corona-Pandemie erweisen sich insgesamt als eine Periode starken Einkommenswachstums für nahezu alle betrachteten Bevölkerungs- und Einkommensgruppen. Sie können dementsprechend als Phase inklusiven Wachstums bezeichnet werden. Eine Herausforderung für die Zukunft besteht neben der Bewältigung der Corona-Pandemie und dem ökologischen Umbau der deutschen Wirtschaft darin, sowohl niedrig Qualifizierte am Wohlstandswachstum (weiter) teilhaben zu lassen als auch in der Vermeidung von zukünftiger Altersarmut.
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