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Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 18 6. März 2022 Inflation: Regierung entlastet kurzfristig alle Steuerzahler

Die Bundesregierung reagiert auf die aktuellen Preisanstiege. Die angekündigten „Zehn Entlastungsschritte“ beinhalten Entlastungen für die Breite der Bevölkerung – auch wenn der Umfang die inflationsbedingten Kaufkraftverluste nur teilweise kompensieren kann.

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Regierung entlastet kurzfristig alle Steuerzahler
Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 18 6. März 2022

Inflation: Regierung entlastet kurzfristig alle Steuerzahler

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Bundesregierung reagiert auf die aktuellen Preisanstiege. Die angekündigten „Zehn Entlastungsschritte“ beinhalten Entlastungen für die Breite der Bevölkerung – auch wenn der Umfang die inflationsbedingten Kaufkraftverluste nur teilweise kompensieren kann.

Die Bundesregierung hat zur Kompensation der gestiegenen Energiepreise insbesondere bei Gas, Öl und Strom eine Entlastung für alle Steuerzahler beschlossen. Der Grundfreibetrag, die Werbungskostenpauschale und die Fernpendlerpauschale sollen rückwirkend zum 1. Januar 2022 angehoben werden. Die EEG-Umlage entfällt zum 1. Juli 2022, ein Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder gilt ebenfalls ab 1. Juli 2022 (BMF, 2022).

Die Größenordnungen der neu beschlossenen Schritte sind dabei sehr unterschiedlich. Aufs Jahr gerechnet handelt es sich um ein Paket in Höhe von schätzungsweise 12 Milliarden Euro: Die größten Posten darunter sind die EEG-Umlage mit knapp 7 Milliarden Euro, der Grundfreibetrag mit rund 3 Milliarden Euro und die Werbungskostenpauschale (oder Arbeitnehmer-Pauschbetrag) mit 1 Milliarde Euro. Kleinere Schritte gemessen an der fiskalischen Relevanz sind die um 3 Cent höhere Entfernungspauschale für Fernpendler, der höhere Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder sowie ein Zuschuss für Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung. Weitere Maßnahmen des Entlastungspakets – der Heizkostenzuschuss insbesondere für Wohngeldbezieher, die Verlängerung des erweiterten Kurzarbeitergeldes und das vierte Corona-Steuerhilfegesetz – waren bereits zuvor von der Regierung auf den Weg gebracht worden und sind in den 12 Milliarden Euro nicht berücksichtigt. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ist in dem Entlastungspaket ebenfalls aufgeführt und wird sicherlich sowohl einkommenswirksam als auch fiskalisch relevant sein, ist jedoch kein Instrument der Finanzpolitik.     

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Bei einer Alleinverdiener-Familie mit zwei Kindern und einem Bruttojahreseinkommen im Haushalt von 50.000 Euro beläuft sich die Entlastung durch Grundfreibetrag und Arbeitnehmer-Pauschbetrag auf rund 190 Euro und erhöht sich bei 150.000 Euro Bruttojahreseinkommen auf 222 Euro. Arbeiten beide Partner, so läge die Entlastung durch den doppelten Pauschbetrag zwischen 50 Euro und 84 Euro höher.   

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Die wegfallende EEG-Umlage führt im Jahr zu einer Entlastung von durchschnittlich knapp 70 Euro bei einem Single und gut 150 Euro bei einer Familie in Mehrfamilienhäusern (Verbräuche laut co2online.de, 2021). Für Haushalte in Einfamilienhäusern ist eine leicht höhere Entlastung zu erwarten, da der durchschnittliche Stromverbrauch dort höher liegt. Die EEG-Umlage wird voraussichtlich erst zum 1.7.2022 abgeschafft, daher beträgt die Entlastung im Jahr 2022 nur die Hälfte.

So richtig das Entlastungsziel ist, stellen sich mit Blick auf die einzelnen Schritte jedoch auch kritische Fragen: Der höhere Grundfreibetrag ohne Tarifanpassungen führt zu einer weiteren Stauchung des Einkommensteuertarifs. Wenn der Grundfreibetrag ausgeschöpft ist, steigen in der Folge bei zusätzlichem Einkommen die Steuersätze in der ersten Progressionszone schneller als bisher. Das senkt den Anreiz, eine Erwerbstätigkeit auszubauen oder zum Beispiel als Zweitverdiener in einer Ehe überhaupt aufzunehmen (Beznoska/Hentze, 2019). Die Erhöhung der Werbungskostenpauschale wäre auch ohne die aktuell hohen Inflationsraten überfällig gewesen. Letztmalig wurde die Werbungskostenpauschale im Jahr 2011 von 920 Euro auf 1000 Euro angehoben. Die Entfernungspauschale wird trotz der kurzfristigen Erhöhung von der Regierung angezählt. Die Wirkungen der geplanten Neuordnung für die Steuerzahler sind offen. Bei der EEG-Umlage stellt sich die Frage, ob es wirklich zu einer Entlastung für die Verbraucher, also die Steuerzahler, kommen wird oder ob die Ersparnis bei den Versorgern verbleibt.

Der Gesamtbetrag von 12 Milliarden Euro relativiert sich angesichts des aktuellen Preisniveauanstiegs. Die Entlastungen werden die Kaufkraftverluste der Bürger lediglich teilweise auffangen können. Für den Fiskus sind die Änderungen ohne weiteres finanzierbar, weil die Steuereinnahmen im Schatten der Inflation ebenfalls steigen. Je Prozentpunkt Inflation steigen die Steuereinnahmen nominal um schätzungsweise mehr als 10 Milliarden Euro.

Für einen Single mit einem zu versteuernden Einkommen oberhalb der ersten Knickstelle des Einkommensteuertarifs von 14.926 Euro im Jahr bedeutet der höhere Grundfreibetrag in jedem Fall eine Entlastung in diesem Jahr von 69 Euro (Tabelle). Die Pauschale für die Werbungskosten kommt für Steuerzahler mit geringen Werbungskosten, also zum Beispiel auch einer geringen Entfernung zum Arbeitsplatz, in Betracht. Die Erhöhung um 200 Euro macht je nach Verdienst zwischen 50 und 84 Euro im Jahr aus bei einem Einkommen unterhalb des Reichensteuersatzes. Bei einer Entfernung zur Arbeit von 50 Kilometern erhöhen sich die Werbungskosten durch die ab dem 21. Kilometer um 3 Cent steigende Entfernungspauschale in einem vergleichbaren Bereich wie der Pauschbetrag. Die Entlastung würde in diesem Fall entsprechend ebenfalls zwischen 50 und 83 Euro betragen. Ohne die Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer würde sich für Pendler mit eher weiten Strecken in der Regel keine Entlastung ergeben.

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