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Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 104 23. Oktober 2020 Pensionszusagen setzen öffentlichen Haushalten zu

In den kommenden Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Für die öffentlichen Haushalte führt dies zu steigenden Ausgaben bei den Pensionen für Bundes- und Landesbeamte. Auch wenn die Entwicklung seit Jahren absehbar ist, sind Versorgungsrücklagen Mangelware.

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Pensionszusagen setzen öffentlichen Haushalten zu
Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 104 23. Oktober 2020

Pensionszusagen setzen öffentlichen Haushalten zu

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

In den kommenden Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Für die öffentlichen Haushalte führt dies zu steigenden Ausgaben bei den Pensionen für Bundes- und Landesbeamte. Auch wenn die Entwicklung seit Jahren absehbar ist, sind Versorgungsrücklagen Mangelware.

Derzeit ist die Politik vollauf damit beschäftigt, die Corona-Krise zu meistern und stemmt sich mit Mehrausgaben in Milliardenhöhe gegen den Abschwung. Der staatliche Schuldenstand steigt dadurch zunächst einmal deutlich über die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an (Bardt et al., 2020). Ab dem Jahr 2023 sollen die zusätzlich aufgenommenen Schulden wieder schrittweise zurückgezahlt werden. Auch wenn dies gelingen sollte, bleiben die Herausforderungen in der Haushaltspolitik nach der Bewältigung der Krise groß.

Auf der einen Seite steht dann weiterhin die Schuldenbremse in Nicht-Krisenzeiten, die eine Neuverschuldung für den Bund begrenzt und für die Länder vollständig untersagt; auf der anderen Seite wachsen die Ausgaben spürbar an. Denn in den kommenden Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand, in der Folge werden die Pensionsausgaben kräftig steigen. Dabei handelt es sich um Ausgabenzwänge, die bisher nur unzureichend in den Finanzplanungen berücksichtigt sind. Zu den eigentlichen Pensionsausgaben kommt noch die Beihilfe zur Krankenversicherung der Ruheständler hinzu. Die Dynamik dieser Ausgabenentwicklung könnte andere Ausgaben wie zum Beispiel Investitionen verdrängen, zu höheren Steuern oder Verstößen gegen die Schuldenbremse führen. Was heute noch eine implizite Schuld darstellt, würde sich dann im Laufe des Jahrzehnts in einem hohen Maße in eine explizite Schuld verwandeln. Konkret bedeutet dies, dass der Staat bereits heute gegenüber seinen aktiven Beamten eine Schuld eingegangen ist, indem er Pensionszusagen für die Zukunft gegeben hat und weiterhin gibt. Solange dieses Versprechen nicht zu einer Zahlung wird, die Beamten also noch nicht in Pension sind, bleibt die Schuld implizit, da sie noch nicht zahlungswirksam ist, und wird folglich auch nicht bei der Ermittlung des Schuldenstands – Stichwort Maastricht-Kriterium – erfasst. Beim Eintritt in den Ruhestand wird dann eine monatliche Zahlung fällig, die wiederum finanziert werden muss, im Zweifelsfall über höhere Schulden.

Der Barwert der Pensionszusagen (einschließlich Beihilfe) des Bundes beläuft sich mit Stichtag 31. Dezember 2019 auf rund 809 Milliarden Euro (Bundesministerium der Finanzen, 2020). Das entspricht einem Zuwachs von 88 Prozent innerhalb von zehn Jahren. Bei den Ländern summiert sich der geschätzte Wert für 2019 auf 1.230 Milliarden Euro, also 1,2 Billionen Euro. Hinzu kommen noch Pensionszusagen auf kommunaler Ebene. Die Pensionslasten des Bundes bedeuten je Einwohner einen Betrag von rund 10.000 Euro. Auf Landesebene kommen bei den Spitzenreitern Berlin und Hamburg rund 20.000 Euro hinzu. Dabei ist zu bedenken, dass die Stadtstaaten gleichzeitig auch für die kommunale Ebene zuständig sind. Nur bis maximal 10.000 Euro liegen die Werte in den ostdeutschen Bundesländern, in denen die Pensionszusagen erst seit der Wiedervereinigung zum Tragen kommen (Grafik).

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Die Barwerte der sich aus den Pensionszusagen ergebenden Zahlungsverpflichtungen errechnen sich durch Abzinsen der erwarteten künftigen Pensionszahlungen auf heute (zur Ermittlung der Versorgungslasten siehe Abschnitt „Methodik“). Im Verhältnis zum BIP des jeweiligen Bundeslandes im Jahr 2019 liegen diese Barwerte zwischen 20 und knapp 50 Prozent. Bund und Länder zusammen kommen damit für ihre Versorgungslasten auf eine Quote von knapp 60 Prozent des BIP – in etwa in Höhe der Schuldenstandsquote 2019.

Die öffentlichen Haushalte sind dabei nicht ausreichend auf die Ausgabensteigerungen eingestellt. Zwar haben viele Länder und auch der Bund in der Vergangenheit Rücklagen und Fonds aufgelegt, die das Ausgabenplus abfedern sollen. Allerdings belaufen sich die Deckungsquoten oder der Ausfinanzierungsgrad dieser Fonds auf einen relativ kleinen Teil der tatsächlich anfallenden Ausgaben. Vielmehr sind die Zuführungen zu den Rücklagen in einigen Fällen sogar noch gekürzt worden oder der Fonds ist gleich ganz aufgelöst worden (Hentze, 2015; Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz, 2017). Im Umkehrschluss heißt das, dass die steigenden Pensionsausgaben aus den laufenden Haushalten finanziert werden müssen. Der Bund steht im Vergleich zu den Bundesländern besser da. Dies liegt nicht zuletzt an der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Lehrer und Polizisten stellen die größten Beamtengruppen und sind in der Regel Landesbedienstete.

Angesichts der Nachholbedarfe bei Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur sowie der geltenden Schuldenbremse wird die Finanzierung der wachsenden Pensionsausgaben ein schwieriges Unterfangen. Bereits heute lässt sich jedenfalls feststellen, dass trotz ausgeglichener Haushalte eine nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik in den vergangenen Jahren, in denen sich die Wirtschaft gut entwickelt hatte, verpasst wurde. Immerhin haben die Länder in der Vergangenheit mittels der oft ungeplanten Überschüsse einen Teil ihrer Altschulden tilgen können. Die gewonnenen Spielräume werden allerdings bereits von der Corona-Krise zunichte gemacht. Dies zeigt, dass der zweckgebundene Aufbau eines Versorgungsfonds der Tilgung von Altschulden vorzuziehen ist. Denn eine Schuldentilgung kann nie zweckgebunden sein. Wenn die Länder mehr Geld in die Versorgungsfonds eingesetzt hätten, statt Schulden zu tilgen, würde ihnen das geschaffene Finanzpolster noch zur Verfügung stehen. Da es sich um absehbare und konkret benennbare Ausgaben in der Zukunft handelt, wäre dies aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt gewesen. Das unterscheidet einen Versorgungsfonds zum Beispiel von der Flüchtlingsrücklage des Bundes, die nicht im Sinne ihres eigentlichen Zwecks eingesetzt wird, sondern der Regierung allgemein als Finanzreserve dient (Beznoska/Hentze, 2019).

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Aus ökonomischer Sicht bedarf es nun je einer Strategie für die kurz- und langfristigen Herausforderungen. Langfristig, also über eine Generation hinweg gedacht, können kalkulatorische Altersvorsorgebeiträge für die aktiven Beamten ein Weg sein, die Rücklage zu stärken.

Kurzfristig, also mit Blick auf dieses Jahrzehnt, ist mit der Corona-Krise die Hoffnung geschwunden, die Belastungsspitzen aus laufenden Überschüssen zahlen zu können. Noch ist offen, welchen Weg die Politik einschlagen wird, um ihre Zusagen einzuhalten.

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