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Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 63 13. September 2021 Vermögensteuer: Keine Steuer ist wirtschaftsfeindlicher

Die Vermögensteuer hat im Vergleich zu anderen Steuerarten entscheidende Nachteile, die den Wirtschaftsstandort Deutschland bedrohen. Mögliche Ausweichreaktionen und hohe Erhebungs- sowie Befolgungskosten der Steuer wiegen schwerer als die Aussicht auf mehr Steuereinnahmen und Verteilungsgerechtigkeit. Bereits ein Steuersatz von 1 Prozent kann dazu führen, dass Unternehmen über 10 Prozent weniger von ihrem thesaurierten Gewinn für Investitionen zur Verfügung haben.

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Keine Steuer ist wirtschaftsfeindlicher
Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 63 13. September 2021

Vermögensteuer: Keine Steuer ist wirtschaftsfeindlicher

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Vermögensteuer hat im Vergleich zu anderen Steuerarten entscheidende Nachteile, die den Wirtschaftsstandort Deutschland bedrohen. Mögliche Ausweichreaktionen und hohe Erhebungs- sowie Befolgungskosten der Steuer wiegen schwerer als die Aussicht auf mehr Steuereinnahmen und Verteilungsgerechtigkeit. Bereits ein Steuersatz von 1 Prozent kann dazu führen, dass Unternehmen über 10 Prozent weniger von ihrem thesaurierten Gewinn für Investitionen zur Verfügung haben.

Die Forderung nach einer stärkeren Besteuerung von Vermögen und damit auch der Betriebsvermögen der Unternehmen kommt im Vorfeld der Bundestagswahl wieder auf. Sowohl Die Linke als auch Die Grünen und SPD haben Pläne zur Wiederbelebung der Vermögensteuer in ihre Wahlprogramme aufgenommen (Die Linke, 2021; Bündnis 90/Die Grünen, 2021; SPD, 2021).

Zusätzlich schlägt die Linke eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Corona-Kosten vor. Der Unterschied zu einer jährlich erhobenen Vermögensteuer besteht vor allem darin, dass sie nur einmalig zu einem bestimmten Stichtag erhoben würde. Dafür wäre der Abgabensatz höher als bei der Vermögensteuer. Durch eine zeitliche Streckung der Abgabe über 20 Jahre würde diese wie eine zweite (temporäre) Vermögensteuer wirken. Denn in der Bemessungsgrundlage, dem individuellen Nettovermögen der natürlichen Personen, unterscheiden sich Vermögensabgabe und Vermögensteuer nicht (Bach, 2020).

Seit 1997 wird die Vermögensteuer in Deutschland nicht mehr erhoben, obwohl sie formal nicht abgeschafft wurde. Der Grund für das Aussetzen der Vermögensteuer war, dass die Bewertung von Immobilien den Gleichheitsgrundsatz nicht erfüllt hatte, weil sie nicht mit dem Marktwert erfasst wurden (Deutscher Bundestag, 2019). Die Bewertung von Vermögen stellt eine grundsätzliche Hürde der Vermögensteuer dar. Für Bargeld oder Aktienvermögen kann ein Marktwert noch relativ leicht bestimmt werden, auch wenn bei Aktien die Volatilität des Werts zwischen Bewertungsstichtag und Steuerbescheid zu Problemen führen kann. Insbesondere ist jedoch die Bewertung von Vermögen, das nicht am Markt gehandelt wird – zum Beispiel im Fall von kleinen und mittleren Familienunternehmen – nur näherungsweise und mit Hilfe stark vereinfachender Annahmen möglich. Bewertungsverfahren orientieren sich in der Regel an den Kapitalmarktzinsen, wobei sinkende Zinsen zu höheren Werten führen, weil Zinspapiere im Vergleich zu Unternehmensbeteiligungen als alternative Kapitalanlage an Attraktivität verlieren. Die Niedrigzinsphase treibt folglich Unternehmenswerte auf dem Papier in die Höhe, ohne dass es zu einer Transaktion gekommen sein muss. Der Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes – der Kapitalisierungsfaktor - wird mit dem zu erwartenden Jahresgewinn multipliziert, um den Wert des Betriebsvermögens zu ermitteln.

Die Schwierigkeit einer angemessenen Bewertung führt zu hohen Erhebungs- und Befolgungskosten. Steuerberater und Gutachter müssen im Zweifel zur Bewertung hinzugezogen werden. Im Streitfall kann es zu Gerichtsverfahren kommen. Sowohl die Finanzverwaltung als auch die Steuerpflichtigen haben somit hohe Kosten zu tragen, die jährlich anfallen, da im Zweifel eine jährliche Neubewertung des Vermögens erforderlich ist. Studien gehen daher von Erhebungs- und Befolgungskosten von bis zu 20 Prozent des Aufkommens aus (Schneider et al., 2013).

Die Vermögensteuer ist nicht nur eine der erhebungstechnisch teuersten Steuerarten, auch die wirtschaftlichen Konsequenzen können gravierend sein. Eine aktuelle Simulationsstudie zur Bemessungsgrundlage einer potenziellen Vermögensabgabe oder Vermögensteuer zeigt, dass je nach Ausgestaltung der Freibeträge der Anteil des Betriebsvermögens an der Bemessungsgrundlage – also am steuerpflichtigen Nettovermögen – zwischen 36 Prozent und 54 Prozent läge (Bach, 2020).

Bei Betriebsvermögen wirkt die Vermögensteuer wie ein Aufschlag auf die Ertragsteuern, denn sie ist so konzipiert, das zukünftige Ertragspotenzial des Vermögens als Sollertragsteuer zu besteuern. Wie bei den Ertragsteuern muss auch die Vermögensteuer aus den Gewinnen bezahlt werden – sonst greift sie die Substanz des Unternehmens an, was bei geringen Gewinnen oder in Verlustjahren der Fall wäre. Die Auswirkungen auf die Steuerlast sind in jedem Fall erheblich: Eine 1-prozentige Vermögensteuer wirkt bei einem beispielhaften mittelständischen Unternehmen im Fall der Gewinnthesaurierung wie eine Erhöhung der Ertragsteuer um 10 Prozentpunkte, bei Ausschüttung um 8 Prozentpunkte (Tabelle). Eine Vermögensteuer mindert die Attraktivität einer Thesaurierung zur Finanzierung späterer Investitionen. Dieses Ergebnis gilt sowohl für Anteilseigner an Kapitalgesellschaften als auch für Einzel- und Personenunternehmen.

 

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Diese hohe Zusatzbelastung für die Unternehmen führt dazu, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich unattraktiv wird. Produktion könnte verlagert werden und Investitionen könnten im Ausland statt in Deutschland getätigt werden. Hinzu kommt, dass sehr wohlhabende Personen ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern könnten, um der Steuer zu entgehen. Diese Ausweichreaktionen führen nicht nur zu weniger Wertschöpfung und Arbeitsplätzen, sondern auch zu einer Verkleinerung der Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer selbst sowie der anderen Ertragsteuern. Nimmt man eine Elastizität der Bemessungsgrundlagen von -0,25 an – eine angesichts der Literatur eher moderate Elastizität (Dwenger/Steiner, 2012, schätzen zum Beispiel eine Elastizität von -0,5) –, so ergibt sich ein Steueraufkommensverlust von bis zu 40 Prozent (Bach/Beznoska/Thiemann, 2016).

Die Vermögensteuer schneidet somit sowohl hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen als auch mit Blick auf die Kosten der Erhebung und die potenziellen (Netto-)Aufkommenseffekte im Vergleich zu anderen Steuerarten schlechter ab.

Ein Argument der Befürworter der Vermögensteuer lautet, dass sie helfen würde, die in Deutschland im Vergleich zur Einkommensungleichheit relativ hohe Vermögensungleichheit zu reduzieren. Laut dem sechsten Armuts- und Reichtumsbericht (BMAS, 2021) weist die Vermögensverteilung auf Haushalts­ebene einen Gini-Koeffizienten von 0,71 auf, während für die Haushaltsbruttoeinkommen ein Wert von 0,48 und für die Haushaltsnettoeinkommen 0,29 errechnet wird (Grabka, 2021). Simulationsstudien zeigen jedoch, dass eine proportionale Vermögensteuer in Höhe von 1 Prozent bei einem Freibetrag von 1 Million Euro und ohne gesonderte Freibeträge für Betriebsvermögen mit einem vergleichsweise hohen simulierten Aufkommen in Höhe von 19 Milliarden Euro den Gini-Koeffizienten der Vermögensungleichheit nur um im Prinzip nicht messbare 0,06 Prozent reduzieren könnte (Bach et al., 2016). Selbst nach zehn Jahren Vermögensteuer betrüge die Veränderung somit nicht mal 1 Prozent.

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