Seit der COVID-19-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben der Euroraum und die USA erhebliche Preissteigerungen erlebt.

Aktuelle Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Seit der COVID-19-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben der Euroraum und die USA erhebliche Preissteigerungen erlebt.
Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-amerikanische Federal Reserve (FED) reagierten mit restriktiver Geldpolitik. Während die EZB mit ihrer kürzlich erfolgten Leitzinssenkung die Zinswende eingeleitet hat, zögert die FED noch damit, den ersten Zinsschritt nach unten zu machen.
In Europa spielten anfangs insbesondere gestiegene Energie- und Rohstoffpreise eine wichtige Rolle (Demary/Taft, 2024), in den USA wirkten sich Lohnkosten vor allem am unteren Ende der Einkommensverteilung preistreibend aus (FED Boston, 2023). Die Inflationsursachen unterschieden sich grundlegend: Während die Inflation im Euroraum von angebotsseitigen Faktoren getrieben war, war sie in den USA von nachfrageseitigen Faktoren befeuert. Die Durchführung der Geldpolitik war für die FED insofern einfacher, weil sie lediglich mit Hilfe höherer Zinsen eine überhitzte Wirtschaft abkühlen musste. Für die EZB bestand hingegen ein Zielkonflikt zwischen der Bekämpfung von Inflation und der Vermeidung einer Rezession.
Als Reaktion auf anhaltende Preissteigerungen haben die Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks ihre Leitzinsen in erheblichem Maße angehoben. So erhöhte die Federal Reserve ab dem 2. Quartal 2022 die Obergrenze ihres Federal-Funds-Rate-Korridors schrittweise auf 5,5 Prozent. Auch die EZB reagierte mit einer Anhebung ihres Hauptrefinanzierungssatzes (und der anderen Leitzinssätze). Allerdings geschah die Anhebung der EZB deutlich später und erreichte nie das Niveau der FED. Dies liegt unter anderem daran, dass im Euroraum die Inflation deutlich später ihren Höhepunkt erreichte, nämlich infolge der durch den russischen Angriffskrieg gestiegenen Energiepreise. Zum anderen bewegt sich das Wirtschaftswachstum im Euroraum und im besonderen Maße in Deutschland unter dem der USA. Die EZB musste der Geldpolitik der FED folgen, um eine Abwertung des Euro zu verhindern, was die Energieimporte des Euroraums verteuert und so zu weiterem Inflationsdruck geführt hätte.
Zentralbanken bringen Inflation unter Kontrolle
Seit 2023 entwickelten sich die Preissteigerungen in den USA und im Euroraum zeitversetzt. So begann die Inflationsrate in den USA ab Mitte 2022 kontinuierlich zu fallen. Zwar liegt sie weiterhin oberhalb ihres Zielkorridors von 2 Prozent, jedoch auf stabilem Niveau. Auch im Euroraum waren nach dem Höhepunkt 2022 beständig fallende Inflationsraten zu beobachten. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Maßnahmen sowohl der Federal Reserve als auch der EZB schlussendlich wirksam waren, um die Preissteigerungen auf das Zielniveau zu bringen. Allerdings muss hier auch bedacht werden, dass die Inflationsursachen in beiden Währungsräumen unterschiedlich waren.
Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage wie die Zentralbanken weiter agieren.
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EZB macht einen Zinsschritt nach unten
Am 6. Juni 2024 verkündete der Rat der EZB, seine Leitzinssätze um jeweils 25 Basispunkte zu senken. Damit liegen die Zinssätze für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte bei 4,25 Prozent, für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 4,50 Prozent und für die Einlagefazilität bei 3,75 Prozent.
Des Weiteren wurde angekündigt, das Portfolio des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) im zweiten Halbjahr 2024 monatlich um durchschnittlich 7,5 Milliarden Euro zu reduzieren. Das Eurosystem wird die Rückzahlungen von fällig werdenden Wertpapieren im PEPP-Portfolio weiterhin flexibel reinvestieren, um Risiken für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu begegnen. Darüber hinaus unterstrich die EZB ihre Entschlossenheit, die Inflationsrate mittelfristig auf das Ziel von 2 Prozent zurückzuführen.
Vor dem Hintergrund, dass der Abbau der Anleihebestände zu steigenden Zinsen bei langen Laufzeiten führt, scheint die Leitzinssenkung auf den zweiten Blick keine nennenswerten Effekte auf die Inflationsrate nach sich zu ziehen.
FED zögert mit Zinsschritt
Im Gegensatz zur EZB entschied sich die FED in ihrem Statement vom 12. Juni 2024 gegen eine Senkung der Leitzinsen. Wachstum und Arbeitsmarkt in den USA zeigen sich weiterhin sehr robust. Daher wolle man abwarten, bis sich die Teuerungsrate nachhaltig der Zielmarke von 2 Prozent weiter angenähert habe, so Jerome Powell (FED, o. J.). Dadurch zielt die FED darauf ab, ihr duales Mandat von Preisstabilität und Vollbeschäftigung mit dieser konservativen Geldpolitik weiterzuverfolgen. Anfang des Jahres hatten viele Analysten noch mit mehreren und früheren Schritten bei der Senkung des Leitzinses gerechnet (Morningstar, 2024).
Neben den Leitzinsen haben in den letzten Jahren insbesondere Anleihekaufprogramme der Zentralbanken Bedeutung als expansives Werkzeug der Geldpolitik gewonnen (BIS, 2023). Während der COVID-Pandemie wurden diese Anleihekäufe ausgeweitet, teils durch neue Programme wie das PEPP (Pandemic Emergency Purchasing Programme) der EZB (BIS, 2023). Sowohl EZB als auch die Federal Reserve haben seitdem ihre (Netto-)Anleihenkäufe in ihren jeweiligen Programmen zurückgefahren bzw. eingestellt. So hat die EZB das Reinvestment von Mitteln aus ihrem Asset Purchasing Programme bereits eingestellt und plant dasselbe auch für ihr PEPP-Programm in der zweiten Jahreshälfte 2024 (EZB, 2024). Beide Zentralbanken bekräftigen in ihren neuesten Verlautbarungen, an diesem Kurs festzuhalten und ihren Bestand an Anleihen weiter zu abzuschmelzen.
Geldpolitik bleibt restriktiv
Insgesamt zeichnet sich ein Bild, in dem beide Zentralbanken eine ähnliche Geldpolitik verfolgen. War das Handeln der EZB bisher dadurch gekennzeichnet, dass ihre Leitzinserhöhungen zeitversetzt zu denen der FED erfolgten, ist es nun die EZB, welche die erste Leitzinssenkung vollzieht. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass im Gegensatz zu den USA das Wachstum im Euroraum weiterhin vergleichsweise schwach ist und Nachfrage nicht in dem Maße preistreibend wirkt. Vor dem Hintergrund des Abbaus der Anleihebestände ist die Geldpolitik aktuell auf beiden Seiten des Atlantiks eher restriktiv ausgerichtet.
Aus der aktuellen geldpolitischen Entscheidung der EZB kann nicht auf einen Kurswechsel geschlossen werden. Denn der Abbau der Bestände an Staatsanleihen aus diversen Notfallprogrammen, die nicht mehr benötigt werden, wirkt zinserhöhend auf die Kapitalmarktzinsen, was sich aktuell auch an den Bauzinsen zeigt. Von daher kann die aktuelle Senkung der auf die eher kurzfristigen Zinsen wirkenden Leitzinsen in Kombination mit einem Abbau der Bestände an Staatsanleihen als eine Unterstützung der Konjunktur im Euroraum ohne Gefährdung des Ziels der Geldwertstabilität angesehen werden.

Aktuelle Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks
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Geldpolitik in unterschiedlichen konjunkturellen Umfeldern
Nach den starken Anstiegen in den Jahren 2022 und 2023 haben sich die Teuerungsraten im Euroraum und den USA wieder ihren geldpolitischen Inflationszielen von zwei Prozent angenähert.
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