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Verkehrslärm Umwelt-Service 5. August 2007 Lärm in der Diskussion

Lärm begleitet die Menschheit seit den ersten Tagen der Zivilisation. Die Babylonier machten den Lärm der Menschen für die Sintflut verantwortlich und im alten Rom stöhnten die Einwohner über den nächtlichen Verkehrslärm. Heute ist Lärm die wohl größte Umweltbelastung in Städten. Doch obwohl Lärmvermeidung im Einzelfall wünschenswert ist, stößt die Lärmbekämpfung mit klaren Vorgaben oft an ihre Grenzen.

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Lärm in der Diskussion
Verkehrslärm Umwelt-Service 5. August 2007

Lärm in der Diskussion

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Lärm begleitet die Menschheit seit den ersten Tagen der Zivilisation. Die Babylonier machten den Lärm der Menschen für die Sintflut verantwortlich und im alten Rom stöhnten die Einwohner über den nächtlichen Verkehrslärm. Heute ist Lärm die wohl größte Umweltbelastung in Städten. Doch obwohl Lärmvermeidung im Einzelfall wünschenswert ist, stößt die Lärmbekämpfung mit klaren Vorgaben oft an ihre Grenzen.

Die Probleme beginnen bereits mit der Messung von Schall und seiner Wahrnehmung durch das menschliche Ohr. Zudem beschreibt der Begriff Lärm eine negativ bewertete Schallimmission, er beinhaltet also eine subjektive Wertung. Aus diesem Grund ist Lärm juristisch so schwer zu fassen. Das hat eine weitgehend unbefriedigende Lärmschutzgesetzgebung nach sich gezogen. Um die Lärmsituation in Deutschland zu verbessern, sollten nicht nur Lärmschutzvorschriften an heutige Anforderungen angepasst werden. Notwendig ist vor allem auch eine Neu-gestaltung der Mess- und Berechnungsvorschriften. Auch der Vollzug der Lärmschutzgesetze muss noch nachhaltig verbessert werden, denn bislang werden viele Lärmvorschriften kaum durchgesetzt, da der Nachweis von Gesetzesübertretungen schwierig ist. Das ist umso bedauerlicher, als ein beträchtlicher Teil der Lärmbelastung bewusst erzeugt wird – beginnend mit der lauten Stereoanlage und endend mit dem manipulierten Moped. Ein weiteres fundamentales Problem für den Lärmschutz besteht darin, dass die Lärmfolgen bislang nur unzureichend erforscht sind. Es kann zwar mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, dass Lärm der Gesundheit abträglich ist, aber wie stark die Schädigung des menschlichen Organismus ist, kann derzeit nicht gesagt werden. Multikausale Krankheitsbilder und individuell unterschiedliche Empfindlichkeiten haben bislang verhindert, dass die Dosis-Wirkungs-Beziehungen ermittelt werden konnten. Besonders hinderlich ist, dass es bislang nicht möglich war, einen Schwellenwert zu definieren, dessen Unterschreitung gesundheitliche Folgen von Lärm ausschließt. Hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf.

Die wohl wichtigste Quelle für Lärm im Wohnumfeld ist der Verkehr. Da die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen immer weiter gestiegen sind, hat auch die Lärmbelastung zugelegt. Die Masse der Lärmbelastungen entsteht im Straßenverkehr, während die punktuell am höchsten belasteten Gebiete an Schienenwegen und Flughäfen liegen. Die Unterschiede in der Art der Lärmbelastung legen nahe, dass die Lärmbekämpfung je nach Verkehrsträger unterschiedliche Maßnahmen erfordern wird. Da die externen Kosten des Lärms für Deutschland auf bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr geschätzt werden, kann man von intensiveren Lärmschutzanstrengungen einige Wohlfahrtsgewinne erwarten. Viele der traditionellen Antworten auf Umweltprobleme im Verkehrsbereich haben sich als untauglich herausgestellt, wenn es um Lärmbekämpfung geht. Schärfere Emissionsgrenzwerte bieten nur noch ein überschaubares Potenzial und wirken zudem nur mit einem erheblichen Zeitverzug. Die aktuelle Lärmbelastung kann auf diese Weise kaum bekämpft werden. Verkehrsvermeidung wird ebenfalls kaum funktionieren. Bedingt durch die physikalischen Eigenschaften von Schall würde bereits eine Halbierung der Lärmemissionen eine Verringerung der Verkehrsmenge um 90 Prozent erfordern. Auch eine Verlagerung von Verkehr auf die Schiene würde die Lärmsituation nicht entschärfen, denn die Schiene ist bei gleicher Verkehrsmenge lauter als der Straßenverkehr. Vielmehr sollte Lärm primär auf lokaler Ebene bekämpft werden, da jede Lärmbelastungslage eigentlich einen Einzelfall darstellt.

Das Hauptziel sollte es dabei zunächst sein, die am schwersten belasteten Gebiete akustisch zu sanieren – der Nutzen aus der Entlastung der Brennpunkte wiegt schwerer als kleine Fortschritte in der Fläche. Wie Lärmspitzen konkret zu mindern sind, kann nur vor Ort entschieden werden. Erfolgreicher Lärmschutz besteht zumeist aus Maßnahmen, die kaum flächendeckend anwendbar und auf andere Situationen schwer übertragbar sind. Denkbare Mittel wären der Einsatz von offenporigen Asphaltbelägen (OPA) an Einfallstraßen oder das regelmäßige Schleifen von Schienen. Diese Methoden haben den Vorteil, dass sie umgehend wirksam werden. Verkehrsvermeidung oder generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen erweisen sich dagegen als wenig wirksam. Letztendlich liegt aber ein wesentlicher Schlüssel zur wirksamen Lärmbekämpfung in den Händen aller Verkehrsteilnehmer und Anwohner. Geräuschbelastungen sind eine Folge von dichterer Besiedlung, fortschreitender Technisierung und wachsender Mobilität. Der Beitrag des Einzelnen zur Gesamtbelastung kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Mehr Rücksicht auf die Ruhebedürfnisse anderer zu nehmen ist aber ein Beitrag, den jeder leisten kann. Bei dem Versuch den Lärm zum Verstummen zu bringen, wäre durch gegenseitige Rücksichtnahme bereits viel gewonnen.

Thomas PulsVerkehrslärm in der Diskussion – Möglichkeiten und Grenzen des Lärmschutzes in DeutschlandIW-Analysen Nr. 31, Köln 2007, 96 Seiten, 18,80 Euro, ISBN 978-3-602-14767-0

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