Obwohl gerade einmal ein Viertel der Bevölkerung es als Aufgabe von Unternehmen sieht, sich aktiv politisch zu beteiligen, wünschen sich mit 43,2 Prozent deutlich mehr Menschen ein Engagement ihres Arbeitgebers gegen die AfD.

Wahrnehmung von politischem Engagement von Unternehmen
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Obwohl gerade einmal ein Viertel der Bevölkerung es als Aufgabe von Unternehmen sieht, sich aktiv politisch zu beteiligen, wünschen sich mit 43,2 Prozent deutlich mehr Menschen ein Engagement ihres Arbeitgebers gegen die AfD.
Besonders verankert ist dieser Wunsch unter Grünen-Anhängern. Besonders sensibel bei der Wahrnehmung von solchen Positionierungen sind Sympathisanten der AfD, die mit knapp 50 Prozent den Spitzenwert markieren. Allerdings weiß nur jeder sechste Beschäftigte um das entsprechende Engagement des eigenen Arbeitgebers.
Mit dem Erstarken von Rechtsaußen-Parteien hat die Diskussion um die politische Rolle von Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Seit seiner Wiederwahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika haben sich viele Unternehmer Donald Trump angenähert oder unterstützen ihn sogar ganz offen – und das, obwohl Trump etwa in puncto Freihandel alles andere als eine klassisch wirtschaftsnahe Agenda vertritt. Das ist in Europa kein unbekanntes Bild; in Frankreich, Italien oder Ungarn stützen Teile der Wirtschaft politische Rechtsaußen-Kräfte schon seit längerem.
Eine Ausnahme bildet demgegenüber die Bundesrepublik, wo der cordon sanitaire, die Ausgrenzung solcher Parteien weitestgehend durchgehalten wird. Insbesondere in Folge des sogenannten „Potsdamer Geheimtreffens“ mit dem Vorwurf konfrontiert, sich nicht genug für die Demokratie und gegen die AfD zu positionieren und ihrer Corporate Political Responsibility (CPR) nicht gerecht zu werden, haben sich Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände (Bergmann et al 2024a) sowie Unternehmen (Bergmann et al. 2024b) in nicht gekanntem Ausmaß positioniert. Große Teile der deutschen Wirtschaft haben ihre traditionelle parteipolitische Abstinenz aufgegeben und engagieren sich direkt oder indirekt gegen das Erstarken des rechten Randes. Mehr als zwei Drittel der deutschen Unternehmen sehen es mittlerweile als ihre Rolle an, sich entweder aktiv jenseits von wirtschaftspolitischen Fragen zu positionieren oder schreiben die Verantwortung, sich gegen die AfD zu stellen, ihren Interessensvertretern wie Verbänden, Kammern etc. zu (Bergmann/Diermeier 2024).
Unklar ist bis dato, wie die Öffentlichkeit die erwachte Politisierung von Unternehmen nicht zuletzt im Vorfeld der Bundestagswahlen 2025 wahrnimmt. Politische Aktivitäten der Wirtschaft stehen vielmehr häufig im Verdacht eines illegitimen Einflusses zur eigenen Vorteilsnahme (Winter 2024; Lobbycontrol oJ).
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Wunsch nach Engagement gegen die AfD
Die IW-Personenbefragung im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 (Datengrundlage siehe Kasten) deutet an, dass die Wählerschaft einer politischen Positionierung von Unternehmen kritisch gegenübersteht: Nur jeder vierte Befragte erkennt in einer solchen Positionierung die Aufgabe von Unternehmen (34,1 Prozent teils/teils; 41,1 Prozent Ablehnung). Besonders gering ist eine entsprechende Zuschreibung unter Anhängern der AfD (15,8 Prozent) und des BSW (22,7 Prozent). Demgegenüber nehmen Parteigänger der Grünen (35,9 Prozent) und der Linken (35,7 Prozent) die Wirtschaft besonders stark in die Pflicht. Gleiches trifft auf Jüngere und Menschen aus einem städtischen Umfeld oder mit höherem Bildungsniveau und Einkommen zu.
Im Vergleich der Fragen, ob sich Unternehmen überhaupt aktiv politisch einbringen sollen einerseits, und sich gegen politische Ränder engagieren sollen andererseits, zeigen sich zwei zentrale Unterschiede: Erstens besteht insbesondere mit Blick auf die AfD eine deutlich größere Zustimmung für ein Engagement: 43,2 Prozent wünschen sich ein solches gegen die AfD; 28,2 Prozent gegen das BSW. Zweitens liegen die Ansichten der Parteianhängerschaften mit Blick auf die parteipolitische Positionierung deutlich weiter auseinander. Wenig überraschend ist ein Engagement gegen die Rechtsaußen-Partei bei Anhängern von Grünen (77 Prozent), SPD (65,2 Prozent) und der Linken (63,8 Prozent) beliebt. Dass große Teile dieser Wählerschaften der Wirtschaft eigentlich keine politische Rolle zuschreiben, sich eine solche aber gegen das eigene parteipolitische Feindbild wünschen, scheint gewissermaßen der Logik von „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ zu folgen. Nur rund 5 Prozent der die AfD am stärksten ablehnende Parteianhängerschaft einer anderen Partei, die der Grünen, erscheint die AfD wählbar.
Selbst unter den überaus unternehmenskritischen Sympathisanten des BSW unterstützen noch knapp 30 Prozent den unternehmerischen Widerstand gegen die AfD. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Engagement gegen die AfD gewünscht ist, steigt mit der Demokratiezufriedenheit: Menschen, die mit der Demokratie unzufrieden sind, empfinden die AfD deutlich häufiger als wählbar und lehnen eine entsprechende Positionierung ergo stärker ab.
Engagement gegen AfD sichtbar
Neben der Frage nach der Verantwortungszuweisung spielt für die Analyse der Wirksamkeit des Unternehmensengagements eine Rolle, inwieweit sich die Beschäftigten entsprechender Aktivitäten bewusst sind.
Eine Unternehmensbefragung im Frühjahr 2024 hatte zu Tage gefördert, dass sich mehr als jedes zweite Unternehmen in Deutschland intern oder extern gegen die AfD positioniert hat (Bergmann et al., 2024b). Die IW-Personenbefragung zeigt nun, dass solcherlei Aktivitäten innerhalb der jeweiligen Belegschaft weitestgehend unbekannt geblieben sind; lediglich jeder sechste der Befragten weiß um eine Positionierung des eigenen Arbeitgebers gegen die AfD. Dieses Ergebnis deckt sich mit Studien, dass die Wahrnehmung von Unternehmensengagement generell niedrig ausgeprägt ist (grundlegend: Sen et al. 2006). Dabei ist die Kenntnis über eine solche Positionierung abermals unter Anhängern von Linken (28,8 Prozent), SPD (25,8 Prozent) und Grünen (24 Prozent) höher. Gleiches gilt zudem bei jüngeren Beschäftigten, solchen mit einem höheren Bildungsniveau und Einkommen sowie denen, die in Unternehmen mit 100 bis 200 Mitarbeitenden arbeiten. Zwischen West- und Ostdeutschland bestehen kaum Unterschiede. In der Gesamtschau deutet der geringe Kenntnisstand an, dass die Unternehmen mit ihrer Abkehr von der bisherigen parteipolitischen Neutralität in ihren eigenen Belegschaften (noch) nicht durchgedrungen sind.
Gering ist der Anteil, der ein Engagement des eigenen Unternehmens gegen die AfD wahrnimmt mit 13 Prozent auch unter AfD-Anhänger selbst. Dafür wird hier aber zu großen Teilen eine solche Positionierung anderer Unternehmen registriert (48,7 Prozent) – mehr noch als unter den Sympathisanten von Grünen, Linken und SPD. Denkbar ist, dass gerade die AfD-Anhängerschaft die Debatten der vergangenen achtzehn Monate mit zahlreichen prominenten Wortmeldungen aus dem Unternehmerlager besonders aufmerksam verfolgt hat. Ob sie tatsächlich deutlich seltener in Unternehmen arbeiten, die sich gegen die Partei engagieren, lässt sich auf Grundlage der Befragung nicht klären – eine entsprechende Selbstselektion wäre aber naheliegend.
Offen bleibt zudem, ob das Engagement von Unternehmen gegen politisch randständige Parteien wirkt. Jedenfalls: immerhin fast die Hälfte der AfD-Anhänger nehmen die Positionierung gegen ihre Partei wahr.
Datengrundlage
Die Auswertungen basieren auf der IW-Personenbefragung aus dem Dezember 2024. Vom 10. Dezember 2024 bis zum 18. Dezember 2024 wurden im Auftrag des Instituts der deutschen Wirtschaft über das Online-Access-Panel von Bilendi&respondi 3.288 Menschen ab 18 Jahren in Deutschland befragt. Die Befragung ist repräsentativ quotiert nach den Merkmalen Geschlecht/Alter (Kreuzquote), Wohnsitz nach Bundesländern sowie dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen. Befragte, die fehlerhafte Angaben in einer Kontrollfrage gemacht haben oder die Befragung zu schnell („Speeder“) abgeschlossen haben, werden nicht berücksichtigt. Die valide Nettostichprobe umfasst 3.267. Befragte mit einer Hochschulzugangsberechtigung sind überrepräsentiert, solche ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss in der validen Nettostichprobe unterrepräsentiert. Die Nutzung von entsprechenden Anpassungsgewichten führen zu qualitativ vergleichbaren Ergebnissen. Für die Berechnungen wurde das ungewichtete Grundsample verwendet.

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