Eine erste Bilanz der Wirkungen des oft gescholtenen US Inflation Reduction Act (IRA) zeigt: Auch wenn es noch zu früh ist für klare Urteile, sprechen viele Argumente und die bislang verfügbaren Zahlen dafür, dass der IRA deutsche Exporte eher fördert, statt ihnen zu schaden. Auch die große Sorge vor Standortverlagerungen wegen des IRA lässt sich bislang nicht belegen.
US Inflation Reduction Act: Überschaubare Auswirkungen auf Deutschland
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Eine erste Bilanz der Wirkungen des oft gescholtenen US Inflation Reduction Act (IRA) zeigt: Auch wenn es noch zu früh ist für klare Urteile, sprechen viele Argumente und die bislang verfügbaren Zahlen dafür, dass der IRA deutsche Exporte eher fördert, statt ihnen zu schaden. Auch die große Sorge vor Standortverlagerungen wegen des IRA lässt sich bislang nicht belegen.
Kein Protektionismus à la Trump
Kernbestandteil des auf zehn Jahre angelegten IRA sind Fördermaßnahmen für den Klimaschutz, die vorwiegend aus nicht begrenzten Steuernachlässen bestehen. Für einen Teil der Steuernachlässe müssen je nach Förderprogramm unterschiedliche Bedingungen erfüllt werden. Eine dieser Bedingungen, die lediglich einen begrenzten Zuschlag ermöglicht, sind die häufig als protektionistisch kritisierten Domestic Content Regeln (DCR). Sie geben vor, dass industrielle Zulieferprodukte in der Regel bald zu mindestens 55 Prozent aus den USA kommen müssen, wobei hier Ausnahmen möglich sind. Doch schätzungsweise etwas mehr als die Hälfte der IRA-Förderung enthält keine DCR (Houser et al., 2023; Kleimann et al., 2023). Ebenfalls wettbewerbsverzerrend ist die Vorgabe, dass bei den meisten IRA-Programmen nur Anlagen in den USA oder dort hergestellte Produkte förderfähig sind.
Allerdings besteht ein deutlicher Unterschied zur vormaligen Trump-Administration, die den Zugang zum US-Markt durch Zölle verschlechterte. Dagegen hat Joe Biden nur den Zugang zu zusätzlichen Fördermitteln etwas eingeschränkt. Bei aus der EU exportierten E-Autos, die eigentlich nicht förderfähig sind, hat die US-Regierung eine elegante Lösung gefunden: Wenn Konsumenten sie leasen, können sie voll von der IRA-Förderung profitieren. Mitte 2023 wurden etwa zwei Drittel der aus der EU exportierten E-Autos geleast (Bown, 2023).
Wirkungen selbst auf die USA gering
Studien schätzen die Wirkungen des IRA auf die USA im Durchschnitt nur recht gering ein (vbw, 2024). Das liegt in erster Linie daran, dass die höheren Staatsausgaben durch noch höhere zusätzliche Staatseinnahmen überkompensiert werden sollen, um fiskalische Nachfrage und damit die Inflation zu bremsen. Vor allem weil die Förderung nicht gedeckelt und es unklar ist, ob die Einnahmenerhöhung gelingt, kommen die Studien zu deutlich unterschiedlichen Effekten zwischen minus 1,2 Prozent und plus 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – über den gesamten Zehnjahreszeitraum. Daran ändert auch nichts, dass der IRA die US-Bauinvestitionen in der Industrie merklich angekurbelt zu haben scheint, weil deren gesamtwirtschaftliche Relevanz begrenzt ist.
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Exportchancen trotz Einschränkungen
Trotz der protektionistischen Einschränkungen dürften deutsche Exporteure per Saldo von der durch den IRA angestoßenen zusätzlichen Nachfrage profitieren. Das gilt zwar weniger für direkt förderfähige Produkte (außer etwa bei E-Autos), aber für Vorleistungen, die beim Aufbau klimafreundlicher Fabriken oder bei der Herstellung klimafreundlicher Produkte gebraucht werden. Denn die DCR lassen erheblichen Spielraum für solche Zulieferprodukte. Ein Blick in die Außenhandelsstatistik zeigt (siehe Abbildung): Im Jahr 2023, dem ersten vollen Jahr nach Inkrafttreten des IRA im August 2022, stiegen die deutschen Exporte von Maschinen und elektrischen Ausrüstungen in die USA sehr deutlich im Vergleich zu den gesamten US-Ausfuhren. Ob das am IRA liegt, lässt sich nicht klar belegen, aber es kann als erstes Indiz dafür gewertet werden, weil Maschinenbau und Elektroindustrie typische Zulieferbranchen sind. Allerdings ist der Betrachtungszeitraum noch sehr kurz.
Verlagerungsgefahr begrenzt
Der IRA kann zwar theoretisch für förderfähige Produkte als Verlagerungsanreiz wirken, da Exporteure in der Regel direkt nicht davon profitieren und deshalb in die USA gehen könnten, um vor Ort zu produzieren. Zum Beispiel Hersteller von Solarmodulen, Batterien oder Wasserstoff könnten wegen teils hoher Fördermöglichkeiten zumindest zunächst Investitionen in den USA statt in der EU planen. Doch für die Wirtschaft insgesamt dürfte die Relevanz möglicher Verlagerungen von Investitionen oder gar von bestehender Produktion eng begrenzt sein. Dafür sprechen zahlreiche Gründe:
- So ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung geförderter klimafreundlicher Produkte in Deutschland nur relativ gering.
- Zudem spielen viele weitere Faktoren eine wichtige Rolle bei Verlagerungsentscheidungen: andere Standortbedingungen (wie Marktgröße und Regulierungen) sowie andere Förderprogramme bis hin zu teils recht großzügigen allgemeinen Ansiedelungsprogrammen der Bundesstaaten.
- Auch ist zu bedenken, dass Deutschland bei der Produktion von Solarmodulen und Batterien keine komparativen Vorteile hat, weil deren Herstellung standardisiert und energieintensiv ist. Eine Ansiedlung im Hochkostenland Deutschland ohne große Subventionen ist daher eher unwahrscheinlich. Wenn sich Hersteller nun zunehmend in den USA ansiedeln, so hat das daher weniger mit dem IRA zu tun als mit fehlenden komparativen Vorteilen.
- Ähnliches gilt für energieintensive Industrien. Zwar dürfte der IRA die Kosten erneuerbarer Energien deutlich senken, doch ist auch hier der Beitrag des IRA begrenzt im Vergleich zu den ohnehin schon deutlich niedrigeren Energiekosten in den USA (SVR, 2023).
- Meist recht hohe Handels- und Transportkosten verringern die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer breiten Produktionsverlagerung von erneuerbaren Energien und energieintensiven Gütern kommt und der EU-Markt von den USA aus bedient wird. Zudem gilt: Sollten die USA in Zukunft grünen Wasserstoff, Solarmodule und E-Auto-Batterien sehr günstig anbieten, hilft das der hiesigen Energiewende.
Ein Blick in die Direktinvestitionsstatistik der Deutschen Bundesbank liefert bislang ein gespaltenes Bild: Im Jahr 2023 gingen die deutschen Direktinvestitionsflüsse in die USA mit über 18 Milliarden Euro sehr deutlich zurück, im ersten Halbjahr 2024 stiegen sie dagegen um 19 Milliarden Euro kräftig an. Rückschlüsse auf die Relevanz des IRA lässt dies bislang kaum zu, zumal auch hier der Betrachtungszeitraum sehr kurz ist und Direktinvestitionsflüsse oftmals Schwankungen unterliegen.
Auch rund ein Dutzend Expertengespräche, die das IW für eine vbw-Studie (vbw, 2024) geführt hat, machen deutlich: Der IRA mag zwar den Blick stärker auf die Attraktivität der USA als Investitionsstandort gelenkt haben, spielt aber in aller Regel nur eine stark untergeordnete Rolle für mögliche Verlagerungsentscheidungen. Zahlreiche andere, vor allem nachfrageseitige Aspekte dominieren das Unternehmenskalkül klar. Selbst befragte Vertreter aus der Politik machen deutlich, dass vormals geäußerte Sorgen vor einer breiten Verlagerungswelle wegen des IRA sich nicht bestätigt haben. Auch eine für die erwähnte Studie durchgeführte Umfrage unter rund 300 bayerischen Unternehmen bestätigt dieses Bild weitgehend.
Ausblick
Vor den US-Präsidentschaftswahlen stellt sich die Frage, wie es mit dem IRA weitergehen wird. Eine Abschaffung erscheint selbst unter einer Trump-Administration wenig wahrscheinlich, obwohl Donald Trump die Klimaschutzaktivitäten Bidens wieder stoppen will. Zu unpopulär wäre eine Abschaffung der IRA-Subventionen, die zu einem erheblichen Teil auch in republikanische Bundesstaaten fließen. Allerdings könnte Donald Trump gerade die deutsche Autoindustrie hart treffen, wenn er die erläuterte Leasing-Ausnahme abschaffen würde, weil dann exportierte E-Autos nicht mehr förderfähig wären und gegenüber US-Marken deutliche Wettbewerbsnachteile hätten.
Sollte Kamala Harris neue US-Präsidentin werden, wird sie den IRA zweifellos weiterführen. Doch selbst unter einer demokratischen Administration sind zukünftige Kürzungen nicht ausgeschlossen. Denn das hohe US-Haushaltsdefizit von fast 9 Prozent des BIP im Jahr 2023 dürfte bald zu deutlichen Einsparungen zwingen. Damit würde die IRA-Förderung zumindest für einige Produkte deutlich geringer ausfallen oder wegfallen.
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